Süddeutsche Zeitung

Prozess mit Echings Bürgermeister:Die Richterin muss nachdenken

Lesezeit: 2 min

Sebastian Thaler und der Autofahrer, mit dem er am Echinger See aneinandergeraten war, müssen auf eine Entscheidung warten

Von Alexander Kappen, Landshut/Eching

Nach rund vier Stunden hatte die Richterin eine Menge Informationen gesammelt. Die beiden Verfahrensparteien sowie die Zeugen hatten sie am Dienstag in dem Zivilprozess am Landgericht Landshut mit so vielen, teils widersprüchlichen, Aussagen konfrontiert, "dass ich mir das Ganze erst mal durch den Kopf gehen lassen muss". Und so müssen der Echinger Bürgermeister Sebastian Thaler und der Autofahrer, mit dem er am 1. August 2018 am Echinger See aneinandergeraten war, noch ein paar Wochen auf eine Entscheidung warten.

Nachdem Thaler Anzeige wegen Körperverletzung gestellt und die Staatsanwaltschaft das Verfahren mangels eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt hatte, verklagte der Autofahrer Thaler auf dem Weg eines Zivilverfahrens auf Schadenersatz. Thaler konterte mit einer Widerklage. Der Autofahrer behauptet, der Bürgermeister habe bei dem Streit sein Fahrrad mit Absicht in die Beifahrerseite seines Wagens gerammt und diesen beschädigt. Thaler gibt an, von dem Mann zu Boden gestoßen, geschlagen und getreten worden zu sein, wodurch sein Mountainbike, sein Fahrradhelm, seine Armbanduhr, sein Handy, sein Poloshirt und seine Hose beschädigt worden seien. Die Richterin will sich mit ihrer Entscheidung bis zum 26. Juni Zeit lassen, wobei sie nicht sagen könne, ob es schon ein Urteil oder nur einen Beweisbeschluss gebe.

Im Wesentlichen geht es darum, dass der Autofahrer in Begleitung seiner Frau zum Kiosk am See fahren wollte, um dort seine Tochter abzuholen. Und Thaler, der auf dem Heimweg vom Rathaus war und vor ihm radelte, machte ihm deutlich, dass der Feldweg für Autos gesperrt sei. Danach kam es wohl zum Streit und auch einer körperlichen Auseinandersetzung. Zum einen stellt sich nun die Frage, ob der Bürgermeister sich womöglich unberechtigterweise als eine Art Dorfsheriff fühlte und die Einhaltung des Durchfahrverbots kontrollieren beziehungsweise durchsetzen wollte. Oder ob er, wie seine Anwältin im Prozess argumentierte, Kraft seines Amtes als Vertreter der Gemeinde berechtigt war, durch sein Einschreiten Sicherheit und Ordnung zu wahren. Und es geht natürlich auch darum, wer wem was kaputt gemacht hat oder auch nicht.

Die Angaben darüber, was sich konkret ereignet hatte, unterschieden sich deutlich. Der Autofahrer sagte, Thaler habe sein Fahrrad offenbar absichtlich in sein Auto gerammt: "Um zwei solche Dullen und so einen langen Kratzer in meinen Touareg für 100 000 Euro zu machen, bracht es schon einen ziemlichen Stoß." Er habe den Bürgermeister dann "am Krawattl gepackt - und er hat sich vier, fünf Schritte zurückfallen lassen, ist umgefallen und hat ,Hilfe, Hilfe' geschrien".

Thaler behauptet, er habe es nach einem ersten Disput beim Anfahren des Autos gerade noch zur Seite geschafft, dabei sei sein Rad gegen das Auto gestürzt. Er sei vom Autofahrer wüst beschimpft, geschlagen und getreten worden und habe eine diagnostizierte Gehirnerschütterung sowie Schmerzen am Zeh erlitten. Wie genau es zum Kontakt zwischen Auto und Fahrrad kam, hatte genauso wie mögliche Schläge und Tritte keiner der vier Zeugen - darunter die Frau des Autofahrers - gesehen. Aber schon, dass Thaler zu Boden ging. Zwei Zeugen sagten, der Bürgermeister sei "theatralisch wie ein Fußballer" umgefallen. Die Frau des Autofahrers habe beschwichtigend eingewirkt. Ein andere Zeuge sagte, die Frau habe Thaler, der "ruhig am Boden saß und schockiert wirkte, angebrüllt". Sie sei, wie der Autofahrer, "sehr aufgebracht und verbal aggressiv gewesen".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4912809
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.05.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.