Süddeutsche Zeitung

Prozess in Landshut:Verletzte Ehre und eine Dreiecksbeziehung

Ein 35-Jähriger muss sich wegen eines Raubüberfalls vor Gericht verantworten. Da ging es wohl nicht nur um Geld

Von Peter Becker, Freising/Landshut

Es war ein harter Arbeitstag für Vorsitzenden Richter Ralph Reiter an diesem Mittwoch am Landshuter Landgericht. Erst musste er den 35-jährigen Angeklagten maßregeln, weil dieser eine Polizistin beleidigt hatte. Dann hatte der Hauptzeuge, das Opfer eines Raubüberfalls, Erinnerungslücken. Und anschließend tischte ihm eine Zeugin eine Lügengeschichte auf, die sie an den Rand einer Anzeige wegen falscher uneidlicher Aussage brachte. Am Ende ihrer Vernehmung scheint sich der Verdacht zu verdichten, dass es sich bei dem Überfall um ein abgekartetes Spiel gehandelt hat.

Bei dem Raubüberfall geht es offenbar um verletzte Ehre, Geld und eine Dreiecksbeziehung. Laut dem Hauptzeugen, einem Münchner, hatte dieser Ende 2020 herausgefunden, dass seine Freundin eine Beziehung mit einem 35-Jährigen Freisinger eingegangen war. Nach langem Hickhack wollte das Paar einen Schlussstrich ziehen. Das spätere Opfer wollte 9000 Euro zurückhaben, die seine Ex-Freundin für ihn in ein Aktiendepot und Bitcoins investiert hatte.

Bei einem der Treffen warf ihm die Mutter der jungen Frau ein Glas an den Kopf. Grund dafür war, dass er ihre Tochter wohl als Schlampe bezeichnet hatte. In der Verhandlung sagte der Münchner, dass er sich daran nicht mehr erinnern könne. Vielleicht habe die Frau das Glas einfach nur fallen lassen. Das brachte ihm eine scharfe Entgegnung des Richters ein. Wenn er sich schon nicht mehr daran erinnern könne, dass ihm ein Glas an den Kopf geworfen worden sei, dann kämen ihm Zweifel, ob der Überfall stattgefunden habe.

Der Münchner trieb schließlich die Schulden ein. Da teilte ihm die Mutter seiner Ex-Freundin mit, dass er einen Teil der Summe zurückzahlen müsse. Schließlich hätten die Aktien, darunter Wertpapiere von Wirecard, Verlust gemacht. Er solle 1200 Euro zurückzahlen. Warum sich der junge Münchner am 1. Mai dieses Jahres mit 9000 Euro auf den Weg nach Freising gemacht hatte, bleibt sein Geheimnis.

Dort sollen ihn der Angeklagte und ein Mittäter erwartet haben, die ihn schlugen und ausraubten. Offenbar war dies so verabredet worden, weil die Mutter endlich ihre Ruhe haben wollte. Der Angeklagte sollte ihn wohl dazu bringen, sich endlich von ihrer Tochter und ihr fernzuhalten. Sie sagte, sie sei von der ewigen On-Off-Beziehung zwischen ihrer Tochter und dem Münchner genervt gewesen. Der sei eifersüchtig gewesen. Er habe sie terrorisiert und habe sich aus Wut selbst ein Glas gegen den Kopf geschlagen - eine Aussage, die der Staatsanwalt protokollieren ließ.

Vorsitzender Richter Reiter fragte, warum sie den Angeklagten nach dem Zwischenfall permanent angerufen habe. Zuvor hatte sie das Polizeigebot auf der Straße wahrgenommen. Gegenüber dem Gericht sagte sie, da habe sie sich nichts dabei gedacht. In ihrer Nachbarschaft komme öfters Streit vor und jemand schreie um Hilfe.

Richter Reiter ermahnte die Zeugin mehrmals, sie solle ihn nicht anlügen. Sollte sich das herausstellen, bekomme sie ein "Riesenproblem". Viel mehr wollte wohl der Angeklagte, dass sie keinen Stress mehr mit dem Münchner habe. Gegenüber ihrem Ex-Mann, der am Freitag als Zeuge geladen ist, habe der 35-Jährige gesagt, dass "die Sache jetzt geregelt ist". Die Zeugin erklärte schließlich nach langem Leugnen, dass dies der Angeklagte auch zu ihr gesagt habe. Von dem Raub habe sie aber nichts gewusst und auch kein Geld bekommen. Der neue Freund sollte seinen Vorgänger nur zur Rede stellen, aber nicht zusammenschlagen oder gar ausrauben. "Denn Gewalt erzeugt nur wieder Gewalt", habe sie ihn gewarnt.

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SZ vom 09.12.2021
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