Prozess in Freising:Nur ein Zufall, dass niemand verletzt wurde

Jugendschöffengericht verurteilt 20-Jährigen, der sich unter Alkoholeinfluss eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert hat, zu einer Bewährungsstrafe

Von Peter Becker, Freising

Ein bisschen wie ein Held aus dem Videospiel "Grand Theft Auto" (GTA) ist sich ein 20-jähriger Freisinger im Oktober des vergangenen Jahres vorgekommen. Er lieferte sich stark angetrunken eine Viertelstunde lang eine Verfolgungsjagd mit der Polizei, rammte leicht deren Auto und musste dann mit Gewalt aus dem eigenen Fahrzeug gezerrt werden. Dabei trat und schlug er um sich und verletzte eine Polizistin. Heute ist die Ernüchterung groß. Das Jugendschöffengericht unter Vorsitzendem Jugendrichter Boris Schätz verurteilte den jungen Mann wegen Widerstands gegen die Polizei, fahrlässiger Trunkenheit, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Beleidigung und versuchter Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von acht Monaten auf Bewährung. Ein als Zeuge geladener Polizist sagte, so eine wilde Fahrt sei ihm in seiner 20-jährigen Laufbahn noch nicht untergekommen. Der Jugendliche selbst legte ein umfängliches Geständnis ab. Heute bezeichnet er sein Verhalten als "Scheißaktion". Er sagte, er habe aus einer Mischung von emotionaler Aufgewühltheit und übermäßigem Alkoholgenuss so gehandelt. Er habe sich damals mit seiner Mutter wegen seines Rausches gestritten. Seinen Angaben zufolge hatte er damals innerhalb von sechs Stunden zwölf Halbe Bier und ein Rüscherl getrunken. Ein Alkoholtest ergab später einen Wert von 2,15 Promille.

Weil er Anstalten machte, noch Auto fahren zu wollen, hatte die Mutter ihre Drohung umgesetzt und die Polizei angerufen. Die traf just zu dem Zeitpunkt ein, als der Jugendliche sich in seinen Wagen setzte und losfuhr. Die Polizisten forderten den jungen Mann durch Blaulicht und andere Signale zum Anhalten auf. Der beschleunigte und raste zum Teil in Schlangenlinien durch Freising weiter. Dabei missachtete er mehrere auf Rot geschaltete Ampeln.

Schließlich stoppte der 20-Jährige auf einem Grünstreifen. Ein Polizeiauto hielt hinter ihm. In einem letzten Versuch, seine Flucht fortzusetzen, legte er den Rückwärtsgang ein und ließ seinen Wagen gegen das Polizeiauto rollen. Nach einem weiteren Versuch warf er eine Bierflasche. Die Polizei forderte ihn auf, auszusteigen. Dem konnte er nicht gleich Folge leisten, weil er aufgrund seiner Trunkenheit Schwierigkeiten hatte, die Tür zu öffnen. Außerdem habe ihm ein Beamter durch das geöffnete Seitenfenster ins Gesicht gefasst. Dann kam es zum Tumult. Er habe zunächst dagestanden "wie ein Volltrottel", sagte der 20-Jährige vor Gericht. Die Polizisten hatte er als "Trottel" und "Knallköpfe" bezeichnet. Irgendwie war ihm das ganze als Spaß erschienen. Denn als sich ein Beamter auf seine Beine gesetzt hatte als er schon auf dem Boden lag, fing er an "Hoppe, hoppe Reiter" zu singen. Daran, dass er um sich geschlagen und getreten hatte, will sich der junge Mann nicht erinnern. Er entschuldigte sich während der Verhandlung bei der verletzten Polizistin und ließ dieser durch seinen Verteidiger Walter Huber als "Vergleich" 500 Euro überreichen.

Der 20-Jährige macht mittlerweile eine Therapie gegen seinen Alkoholkonsum. Das allein genügt Jugendrichter Schätz nicht. Der Jugendliche ist einschlägig vorbestraft, weil er sich vor einigen Jahren schon mal mit Polizisten auf dem Oktoberfest angelegt hatte. Damals musste er in Jugendarrest. Der Angeklagte sagte, er habe das Eingesperrtsein als "schlimm" empfunden. Offenbar sei dies nicht nachhaltig genug gewesen, meinte der Jugendrichter. Weil der Jugendliche dazu neigt, bei emotionalem Stress und gleichzeitigem Alkoholgenuss auszurasten, muss er nun eine Verhaltenstherapie machen, um sich besser in den Griff zu bekommen.

Jugendschöffengericht, Staatsanwältin und Jugendgerichtshelfer erkannten bei dem Angeklagten, der sich in Ausbildung befindet, keine schädlichen Neigungen. Jugendrichter Schätz sprach aber von einer "besonderen Schwere der Schuld". Trotz seiner Trunkenheit habe der 20-Jährige sehr wohl gewusst, was er tut. Es sei nur ein Zufall gewesen, dass niemand verletzt worden sei.

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