Prozess:"Das fanden wir cool"

Junge Leute drehen auf einem Parkplatz in Eching ein Musikvideo mit Schreckschusswaffen. Die Sache landet schließlich vor Gericht

Von Alexander Kappen, Freising

Die Aufregung war groß an jenem Freitagabend im Januar 2018. Es war von einem illegalen Autorennen die Rede, das Zeugen auf der Ohmstraße in Eching beobachtet haben wollten. Zudem seien Schüsse aus einer Waffe abgegeben worden. Wie sich später herausstellte, hatten ein paar junge Leute auf dem Parkplatz eines Möbelhauses ein Musikvideo gedreht und darin eine Polizeikontrolle nachgestellt. Dabei wurde auch mit zwei Waffen - mutmaßlich Schreckschusspistolen - in die Luft geschossen. Einer der Beteiligten, ein 22-Jähriger aus Germering, musste sich deshalb am Montag vor dem Amtsgericht Freising verantworten. Ganz so wild war die Sache dann aber doch nicht. Richterin Tanja Weihönig stellte das Verfahren wegen Geringfügigkeit auf Kosten der Staatskasse ein.

Der 22-Jährige, der gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte, berichtete in der Verhandlung bereitwillig, was an jenem Abend passiert ist. Man habe relativ spontan beschlossen, auf dem Parkplatz ein Musikvideo zu drehen und dabei eine Polizeikontrolle darzustellen. Über verschiedene soziale Netzwerke im Internet wurden in kurzer Zeit Mitwirkenden zusammengetrommelt. "Wir haben vielleicht mit zehn Leuten gerechnet - und auf einmal waren da 70 oder 80 Menschen, von denen ich kaum einen gekannt habe", sagte der Angeklagte. Die Leute kamen offenbar aus dem ganzen Münchner Umland. "Da war nichts groß geplant, im Vorfeld haben wir nichts besprochen", so der 22-Jährige. Man habe lediglich vorgehabt, irgendwas mit Skimasken zu machen. "So was gibt es in England, das fanden wir cool." Der Angeklagte war, wie er einräumte, einer von vier Darstellern mit Maske, die auf einem von der Polizei sichergestellten Video zu sehen sind. "Und irgendwann ist eine Person gekommen und hat uns zwei Waffen in die Hand gedrückt", so der Angeklagte. "Ich hielt das für eine Requisite, das hat ausgesehen wie eine Spielzeugwaffe - am Ende des Drehs haben wir die in die Luft gehalten und abgedrückt." Für ihn habe sich das "gar nicht so laut angehört, das hat geklungen wie Platzpatronen". Er habe die Waffe auch gleich nach dem Dreh "direkt wieder zurückgegeben".

Bei der Durchsuchung der elterlichen Wohnung sei der Vater des Angeklagten, der als Einziger anwesend war, "höchst kooperativ gewesen und hat bereitwillig das Zimmer des Angeklagten hergezeigt", sagte ein Polizist als Zeuge aus. Das Ergebnis: "Es war ein völlig unauffälliges Jugendzimmer, wir haben bei der Durchsuchung überhaupt nichts gefunden."

Auch auf dem Parkplatz fand die Polizei am Tatabend keine Waffen, berichtete ein anderer Beamter. Gefunden habe, man lediglich Sturmhauben und Patronenhülsen am Boden. Ohne Spezialisten zu sein, seien seine Kollgen und er davon ausgegangen, "dass das augenscheinlich Hülsen von einer PTB-Waffe sind". Genauere Untersuchungen wurden offenbar nicht vorgenommen. Am Prüfsiegel der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) lassen sich Schreckschusswaffen erkennen, die man in Deutschland legal erwerben und besitzen kann, die man jedoch ohne Waffenschein nicht außerhalb seiner Wohnung mit sich führen darf. Letzteres war dem Angeklagten ursprünglich zur Last gelegt worden. Da letztlich auch über die verwendete Waffe am Ende der Hauptverhandlung nichts Genaues bekannt war, stellte die Richterin das Verfahren mit Einverständnis der Staatsanwältin und des Verteidigers ein.

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