Prozess:Außer Rand und Band

29-Jähriger wird wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt

Von Alexander Kappen, Freising

Einen derart große Gegenwehr habe er in seinen bisherigen zehn Dienstjahren noch nicht erlebt, berichtete ein Polizist auf Nachfrage des Richters. Drei Streifen mit insgesamt sieben Leuten waren letztlich nötig, um an jenem Tag im Mai 2017 einen heute 29-jährigen Mann zu fesseln und in den Polizeiwagen zu schaffen. Der Mann sollte mit seiner Frau eine Asylbewerberunterkunft in Eching auf Betreiben des Landratsamts verlassen, weil er wiederholt gegen Regeln verstoßen und mit Mitbewohnern und Sicherheitsdienstmitarbeitern aneinander geraten war.

Gegen das ausgesprochene Hausverbot in Eching und seinen angeordneten Umzug nach Gammelsdorf wehrte sich der 29-Jährige nicht nur verbal, sondern auch körperlich so massiv, dass er vom Amtsgericht am Mittwoch wegen Hausfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, dreifacher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu sieben Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt wurde. Ein 20-jähriger Mitbewohner, der mit einem Feuerlöscher angerückt war, um ihm beim Widerstand gegen die Polizisten zu helfen, erhielt nach dem Jugendstrafrecht eine Woche Dauerarrest wegen Beihilfe.

Richter Boris Schätz blieb mit seinem Urteil über den Forderungen des Staatsanwalts. Der hatte für den 29-Jährigen eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je zehn Euro beantragt und für den Jüngeren einen Freizeitarrest nach dem Jugendstrafrecht. Anträge seitens der Verteidigung gab es nicht, beide Angeklagten waren ohne Anwälte erschienen.

Ein Mitarbeiter des Freisinger Landratsamts berichtete als Zeuge, dass seine Behörde das Hausverbot gegen den 29-Jährigen ausgesprochen habe, weil er in der Vergangenheit diverse Mal Regeln missachtet habe. So habe der Asylbewerber trotz Verbots im Haus geraucht. Zudem habe es "Schreiereien und Auseinandersetzungen mit anderen Bewohnern gegeben". Letztlich ausschlaggebend für den Entschluss, den Mann nach Gammelsdorf zu verlegen, seien "massive Drohungen gegen eine Security-Mitarbeiterin" gewesen. Anfang Mai, so der Landratsamtsmitarbeiter, sei er beim Angeklagten und seiner Frau gewesen, um den Umzugsbescheid zu übergeben, doch diese hätten ihm den Brief mehrfach vor die Füße geworfen. Daher ließ er den Bescheid beim Security-Dienst, um ihn auszuhändigen. Dem Vernehmen nach hatte dieser aber auch nicht mehr Erfolg.

Als er am 17. Mai dann, wie vorher verabredet, mit der Polizei in der Unterkunft aufgetaucht sei und mündlich das Hausverbot ausgesprochen habe, "war die Frau des Angeklagten so ungehalten, dass sie gleich aus dem Zimmer gestürmt ist und in einen Kampf mit einer Polizisten verstrickt war". Auch der 29-Jährige "war außer Rand und Band, mit dem hat man gar nicht reden können".

Ein Polizist berichtete, dass der 29-Jährige zwar "nicht aktiv auf uns losgegangen" sei. Seinen Schilderungen nach setze und legte der Asylbewerber sich aber immer wieder auf den Boden und schrie, dass er nicht ausziehen wolle. Er zog sich auch aus, so dass er völlig nackt da stand. Immer wenn die Polizisten versuchten, ihn mitzunehmen, wehrte er sich so heftig, dass die Beamten zunächst eine Streife zur Verstärkung riefen und dann noch eine. Ein Polizist erlitt Schürfwunden an der Stirn. Zudem ging seine Brille im Wert von 365 Euro zu Bruch. Zwei weitere Polizisten erlitten Verletzungen an Handgelenk und Knie. Als der 20-Jährige Angeklagte mit dem Feuerlöscher kam, setzte ihn ein Beamter mit Pfefferspray außer Gefecht.

Die vorbestraften Angeklagten stritten alles ab. "Es hat keinen Kampf oder Disput mit der Polizei gegeben", sagte der 29-Jährige. Der Richter attestierte ihm "eine eingeschränkte Wahrnehmung". Er hatte kein Verständnis dafür, dass man sich "in einer Gesellschaft, in der man Zuflucht sucht", gegenüber Polizisten so verhalte. Er sehe hier keine Möglichkeit mehr für eine Geldstrafe.

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