Prozess:Auf der Suche nach dem Diebesgut

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Hat ein 26-Jähriger verschwundene Laptops gestohlen oder nicht? Eine Verhandlung kann das nicht klären

Von Gerhard Wilhelm, Flughafen

Ab wann ist ein Diebstahl zweifelsfrei bewiesen? Wenn man den Dieb mit dem gestohlenen Gut in der Hand ertappt? Oder reicht es, wenn der potenzielle Täter zur Tatzeit am Ort gewesen ist? Richterin Sabine Schmaunz konnte sich darüber in der Verhandlung wegen eines besonders schweren Diebstahls kein abschließendes Bild machen, da der Hauptbelastungszeuge, der Chef einer Transportlogistikfirma, wegen Krankheit nicht befragt werden konnte. Sicher ist laut forensischem Sachverständigen, dass der 26-jährige Angeklagte unerlaubt nachts in der Firma war und mit einem Gabelstapler etwas in einen Lastwagen verlud. Das gab der Verteidiger des Angeklagten auch zu. Seiner Meinung nach gibt es aber keinerlei Beweise, dass es sich bei der Ladung um die 30 Laptops im Wert von fast 15 000 Euro handelte, um deren Verschwinden es ging.

Der Angeklagte arbeitete zur Tatzeit, Mitte Juli 2016, in einer Firma, die Fracht umschlägt. Von deutschen Firmen über den Flughafen ins Ausland und umgekehrt; oder vom Inland ins Inland. Die Arbeitszeiten sind entsprechend: von 6 Uhr an bis oft nach 23 Uhr oder später. Am Tag vor dem mutmaßlichen Diebstahl wurden unter anderem fünf Paletten für einen deutschen Kunden angeliefert. Laut Eingangspapieren und Zeugen war der Angeklagte für diese zuständig. In den Papieren vermerkte er, dass eine "offen" beziehungsweise bei dreien die Verpackung "aufgerissen" waren.

Auf den Aufzeichnungen der installierten Videokameras ist zu sehen, dass die letzten vier Arbeiter - darunter der 26-Jährige - um 23.33 Uhr die Firma durch ein großes Rolltor zu den Verladerampen verlassen und es dunkel wird. Um 23.48 Uhr wurde eine der Kameras mit einem Tuch abgedeckt - bis 0.41 Uhr. Eine andere Kamera lieferte aber noch Bilder. Auf diesen öffnet sich später das Rolltor wieder und jemand fährt mit einem Gabelstapler eine Palette in einen Lastwagen, der an der Rampe steht.

Bei der Kriminalpolizei wurden die Videos so aufgearbeitet, dass die Person gut erkennbar war. Der Forensiker identifizierte den Mann anhand von Vergleichsvideomaterial an Größe, Gang, Kopfform, Kleidung und weiteren Merkmalen als den Angeklagten. Der Firmenchef hatte bei der Polizei in der Person ebenfalls seinen 26-jährigen Mitarbeiter erkannt, der daraufhin angeklagt wurde. Dass er die Tat nicht alleine verübt haben konnte, bestätigte der Sachverständige, der sich alle 79 Videos vom Tag und der Nacht angesehen hatte, denn in die Firma kommt man nur mit codiertem Chipschlüssel und es wurde nach dem Weggang aller Mitarbeiter von außen keine Tür geöffnet. Also musste eine unbekannte Person in der Firma gewesen sein, die Kamera abgedeckt und das Rolltor geöffnet haben.

Der Verteidiger konzentrierte sich darauf in Frage zu stellen, dass der 26-Jährige ausgerechnet die fehlenden 30 Laptops aus der Halle transportiert haben soll. Wiederholt fragte er die Zeugen, Kollegen des Angeklagten, ob die Vollständigkeit von Lieferungen kontrolliert werde. Dies sei in der Regel nur der Fall, wenn deutlich zu sehen sei, dass zum Beispiel Kartons offen seien. Aufgefallen sind die fehlenden Laptops aber erst beim Endkunden, weshalb der Verteidiger weiter fragte, ob denn nachgewiesen werden könne, dass die Laptops überhaupt in der Lagerhalle angekommen seien. Auch könnten sie auf dem Weg zum Kunden verschwunden sein. Gegen seinen Mandanten werde explizit wegen der Laptops ermittelt und nicht wegen etwas anderem. Er sei nicht wegen Hausfriedensbruchs oder Einbruchs angeklagt. Und den Diebstahl der Laptops könne man nicht nachweisen, da man nicht sehen und beweisen könne, dass der 26-Jährige in dieser Nacht exakt diese Geräte gestohlen habe. Dass der Angeklagte ab dem darauffolgenden Montag nicht mehr zur Arbeit erschienen sei, habe mit dem Fall nichts zu tun.

Entscheidend könnte nun die Aussage des Firmenchefs werden. Der gab bei der Polizei nach Aussage des ermittelnden Oberkommissars nicht nur an, dass er den Angeklagten erkannt habe, sondern auch, dass die verladene Palette in der Höhe den gestohlenen Laptopverpackungen entspreche. In dieser Woche soll er nun - falls er wieder gesund ist - vor Gericht aussagen.

© SZ vom 07.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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