Proteste am Münchner Flughafen:Mit belegten Broten gegen den Lärm

Am Münchner Airport demonstrieren etwa 600 Menschen gegen Fluglärm und die Startbahnpläne. Unterstützung bekommen sie dabei von Stuttgart 21-Gegnern - ein Wutbürgertreffen wird das Protest-Picknick dann aber doch nicht.

Wolfgang Görl

In Trauerklamotten ist Wolfgang Herrmann am Flughafen erschienen, schwarze Hose, schwarzer Frack, schwarzer Zylinder. Weiß ist nur das Schild auf seiner Brust, und auf dem steht: "Kerkloh". Damit hat er sich als Buhmann verkleidet, denn Michael Kerkloh, der Chef der Flughafen München GmbH, ist für die etwa 600 Demonstranten, die sich am Samstag in der Lufthansa-Schalterhalle am Terminal 2 versammelt haben, eine Reizfigur.

Proteste gegen Fluglaerm

Protest am Münchner Flughafen. Etwa 600 Menschen haben mit einer Brotzeit gegen Fluglärm demonstriert.

(Foto: dapd)

Aber nicht nur er: Herrmanns Freisinger Spezl, ebenfalls alle in schwarzem Tuch, haben sich mit den Namenszügen von Christian Ude, Markus Söder, Horst Seehofer oder Reinhold Messner geschmückt, und wie jedermann hier weiß, sind dies Männer, die sich für den Bau der dritten Startbahn stark machen. Herrmann und seine Mitstreiter wollen den Bau verhindern. Deshalb sind sie hier - in Friedhofskleidung und mit einem Sarg auf den Schultern, aus dem ein Papiermodell des Freisinger Doms ragt, darunter die Inschrift: "Die Kulturstadt Freising wird beerdigt, wenn es mit dem Lärm so weitergeht."

Die Kundgebung am Airport im Moos ist Teil einer Protestaktion gegen Fluglärm, zu der sich am Samstag mehrere tausend Menschen auf den Flughäfen von sechs deutschen Städten eingefunden haben. Später, gegen Ende der Veranstaltung, wird Hartmut Binner, Sprecher des Aktionsbündnisses "Aufgemuckt", dann auch versuchen, Grußbotschaften mit den Fluglärmgegnern in Frankfurt, Berlin, Leipzig, Düsseldorf und Köln auszutauschen. Richtig überzeugend gelingt das aber nicht.

Aus Binners Handy dringen lediglich Geräusche wie aus einem Babyfon. Am fragmentarischen Charakter der Konferenzschaltung sei die Telekom schuld, verkündet Binner, ehe er wenigstens die Demonstranten im Terminal 2 mit seiner Grußbotschaft erreicht. Lärm und Kerosinrückstände machen krank, sagt er, juristisch handle es sich dabei um vorsätzliche Körperverletzung.

Großer Jubel bricht aus, als sich vier Aktivisten des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 dem Protest der Startbahngegner anschließen. "Wir sehen uns als Teil einer Bewegung gegen zerstörerische und unsinnige Großprojekte", begründet die Stuttgarterin Eva Maria Gideon ihre Teilnahme an der Münchner Demo. Dennoch hat die Airport-Aktion weniger den Charakter eines Wutbürgertreffens als den eines Happenings.

Um einen kleinwüchsigen weißblauen Maibaum, den Bürger des von den Startbahnplänen besonders betroffenen Dorfs Attaching aufgestellt haben, liegen mehrere Dutzend Wolldecken, auf denen es sich die Demonstranten gemütlich gemacht haben. Zu den Klängen einer Blasmusik verzehren sie Käse, Würste, belegte Brote, Eier und Salat, auch Bier, Wein und Säfte haben die Aktivisten mitgebracht. "Picknick in Ruhe - Fluglärm macht krank", lautet die Losung.

"Reiner Größenwahn"

Mit der Ruhe ist es vorbei, als Christian Magerl das Mikrofon ergreift. Der Landtagsabgeordnete der Grünen holt zu einem Rundumschlag gegen die Startbahnpläne aus, an dessen Ende minutenlanger Beifall steht. Magerl bezeichnet die dritte Startbahn als überflüssig, weil es weitaus weniger Flugbewegungen gebe als prognostiziert. "Ein weiterer Ausbau ist reiner Größenwahn".

Zudem sei die Finanzierung "völlig ungeklärt", ganz zu schweigen von der skandalösen Tatsache, dass mehr als 1000 Hektar Vogelschutzgebiet vernichtet würden. Die Grünen-Fraktion werde ein weiteres Gutachten über die wirtschaftlichen Aspekte des Flughafen-Ausbaus in Auftrag geben. Und unter Jubel verkündet er: "Wir haben die Argumente auf unserer Seite, wir werden siegen."

Entsprechend enthusiasmiert stimmen die Startbahngegner wenig später die Hymne der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung an: "We shall overcome." Derweil wundern sich einige ausländische Flugreisende über das seltsame Volk der Bayern, das sich in Schalterhallen zum Picknick trifft.

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