Protestaktion vor dem Camera:Kino, Kino, Tee und Kekse

50 Freisinger protestieren am Freitagabend mit einem Sitzstreik gegen die Schließung des "Camera". Die Fläxls bedanken sich für die Sympathie und versorgen die durchgefrorenen Demonstranten mit heißen Getränken.

Von REGINA BLUHME

Sie kamen mit Plastikhockern, Holzschemeln und Campingstühlen: Rund 50 Freisinger haben am Freitagabend an der Stieglbräugasse Platz genommen, um gegen die geplante Schließung des Camera-Kinos zu demonstrieren. Zu dem Sitzstreik aufgerufen hatten die Grünen. Wer ins Camera wollte, musste sich erst einmal den Weg durch eine Menschenmenge bahnen. Links und rechts der Gasse, die zum Kino führt, hatten sich Demonstranten aller Altersklassen niedergelassen. Sie hielten Zettel mit der Aufschrift "Kino Kino" in den Händen. Die Eigentümerin des Gebäudes möchte das Haus abreißen und neu bauen. Familie Fläxl, die das Kino seit fast 40 Jahre betreibt, wird das einzige Freisinger Lichtspielhaus voraussichtlich Ende des Jahres schließen. "Das darf nicht sein", sagte Grünen-Stadträtin Rosemarie Eberhard, die mit einem knallblauen Klappstuhl gekommen war. Für sie ist es einfach unvorstellbar, dass Freising kein Kino mehr hat. "Ein Albtraum", fügte Vorstandssprecher Werner Habermeyer hinzu. "Die Innenstadt stirbt".

Immer wieder skandierte die Menge "Kino, Kino". Dazwischen erklärten Teilnehmer, warum sie für ein Kino kämpfen. Susanne Günther vom Grünen-Vorstand zum Beispiel schwärmte von ihrem ersten Kuss im Kino "und das soll meine Tochter auch erleben". "Kino ist Geschichte, Kino ist Kultur", betonte eine junge Frau. Ein Teilnehmer mahnte, dass Freisings Gastronomie den Wegzug des Kinos "bitter spüren" werde. "Denn wer geht nach dem Kino hier noch was trinken oder essen?" "Eine Stadt wie Freising ohne eigenes Kino, das geht nicht", sagte Grünen-Fraktionssprecher Jürgen Maguhn. Für ihn ist auch das von der Familie Fläxl geführte moderne Cineplex in Neufahrn keine Alternative. "Wenn wir den Verkehr reduzieren wollen, dann dürfen wir nicht zulassen, dass die Kinos auf die Grüne Wiese abwandern."

Rosemarie Eberhard hofft, dass die Schließung "ein wenig verschoben wird", bis sich eine Lösung gefunden habe. Jetzt werden erst einmal Unterschriftenlisten im Kino ausgelegt. Auch eine Vereinsgründung oder Patenschaften für ein neues Kino wurden diskutiert. Zum Sitzstreik waren auch die Fläxls gekommen. Paul Fläxl mit Tochter Veronika und Sohn Andreas zeigten sich beeindruckt. "Herzlichen Dank für Ihre Sympathie", sagte Paul Fläxl. "Sie haben rübergebracht, wie viel ein Kino wert sein kann". Zusagen konnte er freilich keine geben, aber den mittlerweile durchgefrorenen Demonstranten spendierte die Familie Fläxl im Kino heißen Tee und Vollkornkekse.

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