Suchtberatungsstelle Prop:Erlaubtes Kiffen

Suchtberatungsstelle Prop: Der Konsum von Marihuana ist bald legal. Die Prop-Beratungsstelle sieht die Legalisierung der Droge mit gemischten Gefühlen.

Der Konsum von Marihuana ist bald legal. Die Prop-Beratungsstelle sieht die Legalisierung der Droge mit gemischten Gefühlen.

(Foto: Matt Masin/dpa)

Vor der geplanten Legalisierung von Cannabis müsse das Beratungsangebot für Jugendliche ausgebaut werden. Diese konsumierten diese Droge schon jetzt "hochproblematisch", warnt Prop-Leiterin Bärbel Würdinger.

Von Gudrun Regelein, Freising

Diskutiert wird die Legalisierung von Cannabis in Deutschland schon seit Langem. Dass sie kommen wird, ist inzwischen sicher: In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung aus SPD, FDP und Grüne darauf geeinigt, dass Marihuana als Genussmittel in lizenzierten Fachgeschäften frei zu kaufen und konsumieren sein soll. Allerdings nur für über 18-Jährige. Bis Jahresende 2022 soll ein Gesetzesentwurf für die geplante Freigabe vorliegen.

Experten, wie die Leiterin der Freisinger Suchtberatungsstelle Prop, Bärbel Würdinger, sehen diese Liberalisierung zwiespältig. Die Entkriminalisierung, die das für die Konsumenten bedeutet, sei zwar positiv. Aber: "Wir machen uns große Sorgen um die Jugendlichen, um die unter 18-Jährigen." Die Zahl der jungen Konsumenten werde sich durch diese Freigabe wohl nicht erhöhen. Doch sie konsumierten schon jetzt hochproblematisch.

Suchtberatungsstelle Prop: Bärbel Würdinger, die Leiterin der Freisinger Suchtberatungsstelle Prop, sieht die Liberalisierung zwiespältig.

Bärbel Würdinger, die Leiterin der Freisinger Suchtberatungsstelle Prop, sieht die Liberalisierung zwiespältig.

(Foto: Marco Einfeldt)

Cannabis ist die unter Jugendlichen am häufigsten konsumierte Droge. "Die Zahl der jungen Konsumenten ist wahnsinnig hoch", sagt Würdinger, "es wird sehr früh und sehr viel gekifft." Während der Konsum von Alkohol und Tabak insgesamt leicht rückläufig ist, stieg der von Cannabis, wie bereits in den Vorjahren, gerade bei den jungen Erwachsenen, heißt es auch in dem jüngsten Bericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung.

Eine Freigabe, die zugleich eine Kulturveränderung und Akzeptanz bedeute, ohne jungen Menschen eine Hilfe anzubieten, sei bedenklich, sagt Würdinger. Jugendliche müssten ein niedrigschwelliges Angebot haben, um die mit einem hoch riskanten Konsum einhergehende psychische Gefährdung abzufedern. Prop biete seit 2014 mit ihrer Jugendsprechstunde "Jugend ist jetzt" eine solche Anlaufstelle. Die Zahl der jungen Klienten stieg damals sprunghaft an.

Die meisten Klienten in der Jugendsprechstunde hatten mit 14 Jahren erster Kontakt zu Cannabis

2018 waren bereits 137 Jugendliche zwischen 13 bis 18 Jahren in der Beratung. In den beiden Coronajahren sank die Zahl. 2021 waren es gerade einmal 87 gewesen. Im ersten Halbjahr 2022 aber besuchten wieder 196 Jugendliche die Sprechstunde, ein Drittel von ihnen - also 65 - war unter 18 Jahre alt. Von diesen 65 konsumierte wiederum ein Drittel ausschließlich Cannabis, die andern zwei Drittel zusätzlich andere Substanzen. "Daran sieht man die große Bedeutung von Cannabis", sagt Würdinger. "Zum Teil werden auch hoch potentes Cannabis oder synthetische Produkte verwendet, die schwere psychische Erkrankungen auslösen können." Die meisten Klienten in der Jugendsprechstunde hatten mit 14 Jahren ersten Kontakt zu dieser Droge, mit 16 Jahren gab es bereits ein substanzbezogenes Problem.

Wenn die Legalisierung kommt, werden die Beratungsstellen drei zentrale Aufgaben haben, erklärt Würdinger. Zum einen müsse der Jugendschutz gesichert werden. Daneben müssten junge Menschen in Risikokompetenz ausgebildet werden. Und schließlich müssten begleitende Maßnahmen im Suchthilfesystem für Konsumenten etabliert werden, um die vulnerablen Gruppen erreichen zu können. Wie wichtig das Angebot der Jugendsprechstunde schon jetzt sei, habe eine Evaluation der Hochschule Landshut gezeigt. Es müsse nicht nur fortgeführt, sondern bei steigender Nachfrage ausgebaut werden, heißt es in dieser.

Problematisch sei, dass die unter 18-Jährigen derzeit aus dem Versorgungsraster herausfallen, sie würden nicht über den Bezirk finanziert, klagt Würdinger. Für die Jugendsprechstunde habe man derzeit nur zehn Stunden zur Verfügung, die vom Landkreis und Sponsoren finanziert werden. Das aber reiche schon heute nicht mehr aus, eine Vollzeitstelle wäre wünschenswert und notwendig. "Angesichts der Legalisierung von Cannabis muss das Suchthilfesystem hochgefahren, eine Jugenddrogenberatung etabliert werden", sagt Würdinger. In Portugal, wo Cannabis bereits legalisiert wurde, sei das Hilfeangebot für alle Altersgruppen deutlich ausgebaut worden. Die Zahl der Drogentoten dort sinkt seitdem - in Bayern dagegen steigt sie an.

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