Prominenter Besuch in Lerchenfeld:Kleiner Testlauf für die Paralympics

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Jochen Wollmert kann nur Rückhand spielen - aber wie! (Foto: efm)

Tischtennisspieler Jochen Wollmert macht auf dem Weg nach Rio in Freising Station und zeigt beeindruckende Schaukämpfe

Einen Abstecher nach Freising hat Jochen Wollmert am Samstag gemacht. Weil es gerade so passte. Am Sonntag nämlich gab er den Startschuss bei einer Laufveranstaltung in München und am Abend flog er nach Indonesien zu einem internationalen Turnier. Wollmert ist Tischtennisspieler, kein Profi, auch wenn er 20 Stunden in der Woche trainiert. Sein Geld verdient der Behindertensportler bei der Barmer-GEK, den Auftritt in Lerchenfeld gegen Spieler des TTC Freising 64 hatte der örtliche Barmer-Chef Michael Fuchs vermittelt.

Wollmert hat in seiner Karriere schon so viel gewonnen, dass man leicht den Überblick verlieren kann. Sechsmal hat er an den Paralympics teilgenommen, fünfmal stand er im Einzelfinale, dreimal hat er Gold gewonnen. Drei Goldmedaillen holte er mit der Mannschaft, dazu kamen Titel bei Weltmeister- und Europameisterschaften und nicht weniger als 46 Mal siegte er bei deutschen Meisterschaften. Außerdem wurde er mit der weltweit höchsten Fairplay-Trophäe geehrt, weil er im Finale von London einen fälschlicherweise für ihn gezählten Ball annullieren ließ. "Punkte, die mir nicht zustehen, will ich nicht haben", sagt er.

Obwohl er mittlerweile 51 Jahre alt ist, und aktuell nur noch auf Platz zwölf der Weltrangliste steht, denkt Wollmert nicht daran, sich zurückzuziehen. Er befinde sich momentan in der Vorbereitung auf die Paralympics, die Anfang September in Rio stattfinden, erzählt er. In den vergangenen Wochen habe er vor allem konditionell etwas getan, denn seine Konkurrenten seien allesamt wesentlich jünger als er, "von den meisten könnte ich der Vater sein". Aber zum Glück, sagt er, könne man Tischtennis auch noch im gesetzten Alter ganz gut spielen.

Wollmert hat von Geburt an eine Versteifung der Hand- und Fußgelenke. In der komplizierten Klassifizierung des Behindertensports ist er damit in M7 eingestuft. Er kann den Schläger nicht so richtig in die Hand nehmen, kann nur Rückhand spielen. Um so erstaunlich ist, mit welcher Fertigkeit er das tut. Er blockt, schmettert, zieht Topspin, wehrt ab - und das hervorragend. Nicht umsonst spielt er zusammen mit Nichtbehinderten für Borussia Düsseldorf in der Nordrheinwestfalenliga, was hierzulande der Bayernliga entspricht.

Für die Zuschauer, die sich in der Halle eingefunden haben, macht er ein paar Spielchen gegen die stärksten Freisinger. Gegen Johannes Kirchberger zog er zum Auftakt allerdings mit 0:3 den Kürzeren. "Ich habe gesehen, dass er den hohen Topspin auf die Rückhand nicht richtig blocken kann und hab das ausgenutzt, auch mit meinen Aufschlägen hat er Probleme gehabt", sagt der. Gegen Florian Rowold hatte sich Wollmert dann aber warmgespielt. Mit 3:0 ging er als Sieger vom Tisch. Auch im Doppel sah man die Klasse des Gastes, der sich trotz seiner Behinderung erstaunlich flott bewegen kann.

Um sich ein wenig an Rio zu gewöhnen - "dort werde ich vor 5000 Zuschauern spielen" - forderte Wollmert gleich zu Beginn dazu auf, schöne Ballwechsel zu beklatschen und für Stimmung zu sorgen. Die Besucher taten ihm den Gefallen, so gut sie konnten. Schließlich waren es keine 5000, die da saßen. Die gekommen waren, zeigten sich beeindruckt und werden sich vorgenommen haben, vom 7. bis 18. September die Paralympics zu schauen. Falls Tischtennis übertragen wird.

© SZ vom 18.07.2016 / ki - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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