Süddeutsche Zeitung

Probe-Abstimmung:Schüler im Wahlfieber

Lesezeit: 2 Min.

Die Mittelschule Neustift votiert links, die Moosburger Gymnasiasten hegen Sympathien für "Die Partei": Wenn Jugendliche an die Urne gehen, ist das Ergebnis manchmal überraschend. Vier Schulen testen das in diesem Jahr

Von Laura Dahmer, Freising

Ab in die Wahlkabine, das Kreuzchen auf den Stimmzettel setzen und den Bundestag wählen - was den Wahlberechtigten am Sonntag noch bevorsteht, probieren Freisinger Schüler in einer Test-Wahl derzeit aus. Am Gymnasium Moosburg und der Mittelschule Neustift stehen die Ergebnisse der U-18-Wahl fest, die Fach- und Berufsoberschule Freising sowie die Realschule Moosburg rufen diese Woche zur Stimmabgabe auf. Sie machen bei der Juniorwahl mit.

Nachdem sie die Wahlzettel am Freitag ausgezählt hatten, konnten das Gymnasium Moosburg und die Mittelschule Neustift ihre Ergebnisse der U-18-Wahl bereits verkünden. Groß war die Überraschung in Neustift: Der Wahlsieger ist rot und heißt nicht etwa SPD. Mit 33,9 Prozent haben 56 Mittelschüler der siebten bis neunten Klassen die Linke als stärkste Kraft in den Bundestag gewählt. Und Guido Hoyer als Direktkandidaten gleich dazu. Die Grünen folgen als zweitstärkste Partei, die CSU schafft es nur auf Platz drei. Die AfD sitzt mit 1,7 Prozent der Stimmen nicht im Neustifter Bundestag. Rektorin Renate Bruckmeier ist insgesamt erstaunt: "Ich habe mir schon den Kopf über das Ergebnis zerbrochen. Manches kann ich mir erklären, vieles aber gar nicht", erzählt sie lachend. In Moosburg liegt das Wahlergebnis eher im erwartbaren Bereich. Die 140 Gymnasiasten wählten Erich Irlstorfer (CSU) in den Bundestag. Auch seine Partei gewann mit 26,4 Prozent, Grüne und FDP folgen. Überraschend ist hier: Im Bundestag des Gymnasiums sitzt die Satirepartei "Die Partei". Die SPD schafft es mit fünf Prozent gerade so, die AfD mit 5,7 etwas weniger knapp.

U-18-Wahl und Juniorwahl? Das klingt nicht nur ähnlich, sondern ist es auch. Beide Aktionen bieten Jugendlichen in einer Spielwahl die Möglichkeit, den Gang zur Urne bereits vor ihrer Volljährigkeit zu machen. Die einen klagen dabei dieses Jahr über eine rückläufige Teilnahme, die anderen freuen sich über Rekordzahlen: 2013 nahmen noch zehn Freisinger Schulen an der U-18-Wahl teil, jetzt waren es nur zwei. Die Ausrichter der Juniorwahl rechnen dagegen bundesweit mit einer Million Teilnehmer, an den zwei Schulen im Landkreis sind es immerhin über 1000. Dennoch: Konkurrenz wollen sich beide Initiativen nicht machen, betont Michael Scholl vom Bundesjugendring, der die U-18-Wahl initiiert. "Beide Wahlen arbeiten mit anderen Konzepten: Wir zielen auf offene Jugendarbeit, die Juniorwahl setzt direkt an Schulen an", erklärt er den Unterschied. "Die Juniorwahl gibt einen genaueren Rahmen vor, bei uns sollen die Jugendlichen das weitgehend selbst organisieren - von U 18 für U 18."

In der Realschule Moosburg kennt man das Ergebnis noch nicht: Dort haben am Montag erst 500 Probewähler zum ersten Mal ihr Kreuzchen gemacht. Sozialkundelehrer Michael Steckenbiller hat die Schule bei der Juniorwahl angemeldet. Wie die Freisinger Initiatoren der U-18-Wahl bemängelt er die kurze Vorbereitungszeit, konnte den Fokus dadurch weniger auf Inhalte als auf den generellen Ablauf legen. Gerade das sei ihm aber wichtig, er befürwortet die Aktion: "Bis manche Schüler tatsächlich wählen, gibt es vielleicht andere Parteien als heute. Gleich bleibt aber der Ablauf. Den sollten sie kennen, mal Wahlzettel und Urne gesehen haben." Die haben die Realschüler am Montag mit ihren Stimmzetteln gefüllt, Steckenbiller beginnt jetzt mit den Schülern die Auszählung. An der Fach- und Berufsoberschule Freising laufen die Vorbereitungen derweil auf Hochtouren. Am Mittwoch werden 580 Schüler zur Urne gebeten. Besonders die Berufsintegrationsklassen freuen sich: "Für viele der Migranten ist es die erste demokratische Wahl überhaupt", weiß Studienrat Simon Schmidt. Er blickt gespannt auf das Ergebnis, rechnet ebenfalls mit Überraschungen wie in Neustift.

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Quelle:
SZ vom 19.09.2017
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