Politisches Kabarett zum Zungeschnalzen:Ins Schwarze getroffen

Die Grünen entführen das Publikum im Singspiel der "Gründonnerstagung" ins Zentralarchiv der Staatskanzlei, wo schließlich auch König Söder einmarschiert - samt Adjutant Flo, der seine Künste der Enthaltung anpreist

Von Johann Kirchberger, Freising

Politisches Kabarett zum Zungeschnalzen, kämpferische Reden, eine vorzüglich schmeckende Grüne Suppe und mit Apollon's Smile ein Musikerduo vom Feinsten. Die Freisinger Grünen haben mit ihrer Gründonnerstagung im wahrsten Sinne des Wortes ins Schwarze getroffen. Die Zuhörer - darunter drei Landtagsabgeordnete und zwei Landesvorsitzende - im rappelvollen Lindenkeller wurden heuer mit einem Singspiel nach Nockherberg-Vorbild in das verstaubte Zentralarchiv der Staatskanzlei geführt, wo der Archivar (Toni Wollschläger) die Digitalisierung vorbereitet.

Nach dem Motto "unser Archiv weiß alles, über jeden haben wir was" beschäftigte er sich erst mit den Grünen, ehe "er" zu den Klängen des Defiliermarsches, eingesäumt von Cheerleadern, einmarschierte: Markus Söder (Johannes Becher) mit Krone, Zepter und Königsmantel, strotzend vor Selbstgefälligkeit. "Ich bin der Mann, dem ich die Treue halte, weil ich so schön bin aus dem Frankenland", sang er und setzte sich auf den Thron, vier aufeinandergestellte Stühle. Und schon rief er seinen ergebensten Diener in die Zirbelstube, seinen neuen Adjutanten Flo (Franz Spitzenberger), der unterwürfig buckelte um seinem Herrn und Meister zu gefallen. "Ich kann mich super enthalten", sagte er, von Söder nach seinen Fähigkeiten befragt, "das ist meine Schlüsselqualifikation". Überaus vorsichtig versuchte Flo den Ministerpräsidenten darauf vorzubereiten, dass es womöglich nicht mehr zur absoluten Mehrheit reichen könnte, "wenn wir die eventuell verpassen dadaten", und empfahl Sondierungsgespräche schon im Vorfeld. Als erstes rief er Alice Weidel (Susanne Hehnen), die für Reinrassigkeit und Ausländer-Raus eintrat und ihre Vorstellungen verpackt in fünf Nationalhymnen sang. Hubert Aiwanger (Sebastian Habermeyer) sprach Söder die Existenzberechtigung ab, weil der kein anderes Thema als die Straßenausbaubeitragssatzung habe. Der Hubsi sah das anders und forderte, alle Steuern abzuschaffen und stattdessen ein bayerisches Digitalgeld, den Baycoin, einzuführen. Christian Lindner (Björn Láczay), der sich als bestaussehenster Politiker bezeichnete, beschimpfte die Freisinger als Deppen, weil sie sich dagegen wehrten, wenn ihnen mit der dritten Startbahn das Geld in den Hintern gesteckt werde. Eine Koalition mit der SPD lehnte Söder ab, weil die zu viele Minister forderten und mit der Grünen Katharina Schulze (Carolin Hofer) wollte er nicht, da die "Spezi statt Bier" forderte und auf die Nachbarn verwies: "Von Baden-Württemberg lernen, heißt siegen lernen".

Gründonnerstagung der Grünen

"Ich kann mich super enthalten", sagt Flo alias Franz Spitzenberger (rechts) seinem Herrn und Meister Söder (Johannes Becher).

(Foto: Lukas Barth)

Nachdenklich wurde der Archivar am Ende des Singspiels. Die Digitalisierung kommt von ganz allein", sagte er und deutete auf das Publikum: "Wegen eurer maßlosen Gier und eurer grenzenlosen Dummheit." Man könnte mit der Digitalisierung die Welt retten, meinte er, "aber wer will die Welt retten, wenn man sich auch besitzen kann". Und der Chor der Grünen sang dazu: "Schöne neue Welt, was draus wird, ist doch egal, Hauptsache wir sind digital."

Besser als am Donnerstag kann man Kabarett nicht machen, es sei denn, die Akteure würden ihre Texte besser lernen. Will man jemand herausheben, dann Jojo Becher, der bis zum Ende im fränkischen Dialekt sprach und Franz Spitzenberger, der sich als Flo gar nicht mehr einkriegte, als es um die dritte Startbahn ging: "Stets zu Diensten Herr Ministerpräsident, wenn sie wieder mal eine Enthaltung brauchen . . ." Verantwortlich für den Inhalt des Singspiels waren Becher und Wollschäger, im zehnten Jahr hintereinander.

Gründonnerstagung der Grünen

Hubert Aiwanger (Sebastian Habermeyer) fordert den Baycoin.

(Foto: Lukas Barth)

Zu Beginn gab es einige kampfbetonte Reden. Christian Magerl machte den Anfang mit "einer Lesung aus dem Bericht der Flugsicherung", wonach in den ersten zwölf Wochen des Jahres die Flugbewegungen nur um 0,3 Prozent zugenommen hätten. Es sei gespannt, so Magerl, wann der "Fake-News-Verbreiter Kerkloh" angesichts dieser Zahlen endlich aufhöre, von Wachstum zu faseln. "Es gab nie ein Wachstum, und es wird nie ein Wachstum geben". Johannes Becher, sein möglicher Nachfolger im Landtag, sah ebenfalls keinen Bedarf für eine dritte Startbahn und versprach, so lange weiterzukämpfen, "bis die Pläne beerdigt sind". Er kündigte auch an, im Wahlkampf in acht Tagen durch alle 24 Gemeinden des Landkreises zu wandern. Katharina Schulze, die Fraktionsvorsitzende im Landtag, will Heimat und Natur schützen, das Volksbegehren gegen den Flächenfraß voranbringen und Zeichen setzen für Menschlichkeit, Demokratie und Solidarität. Die sicherte sie den Freisingern auch im Kampf gegen die Flughafenerweiterung zu.

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