Süddeutsche Zeitung

Politische Schmutzeleien:Wie der Flughafen statt in Münchens Süden ins Erdinger Moos kam

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"Es schien so, als sollte die Region vom Flughafen wach geküsst werden." Die Schutzgemeinschaft erinnert zum 50-jährigen Bestehen daran, wie die ansässigen Bauern einst allein gegen den Bau kämpften.

Von Peter Becker, Freising

Streng genommen müsste der Flughafen statt im Erdinger Moos eigentlich im Hofoldinger Forst stehen. Politische Schmutzeleien und der gewiefte Widerstand der Bürger im Oberland haben aber dazu geführt, dass er sich jetzt vor den Toren Freisings erstreckt. Radiomoderator Ernest Lang ließ während des Festakts zum 50-jährigen Bestehens der Schutzgemeinschaft Erding Nord, Freising und Umgebung die Entstehungsgeschichte des Flughafens sowie den Abwehrkampf der Bürger noch einmal Revue passieren.

Lang erinnerte daran, wie eine Broschüre im Jahr 1970 die Zukunft "in leuchtenden Farben" darstellte. "Es schien so, als sollte die Region geradezu vom Flughafen wach geküsst werden", sagte Lang. Er für seinen Teil könne aber nur feststellen, dass er jeden Morgen um sechs Uhr nicht von einem sanften Kuss, sondern von Lärm geweckt werde. Lang wohnt in Neufahrn und hat seinerzeit seine Magisterarbeit über Bürgerinitiativen anhand des Beispiels der Schutzgemeinschaft geschrieben.

Kuriose Persönlichkeiten brachten das Erdinger Moos ins Spiel. Dessen Vorteile betonten sie - teils mit List und Tücke

Ursprünglich war das Erdinger Moos als Standort für den Flughafen nicht vorgesehen. Einer der Gründe für die Ablehnung waren die häufigen Nebeltage. Im Hofoldinger Forst sollten die Planierraupen anrücken. Doch es formierte sich dort rasch in Form einer Schutzgemeinschaft starker Widerstand gegen die Baupläne. Ranghohe Politiker aus dieser Region sowie manch kuriose Person brachten das Erdinger Moos ins Spiel. Um dessen Vorteile herauszustreichen, war ihnen List und Tücke nicht zu schade.

Die Menschen in den großen Kommunen rund um das Moos scherten sich indes wenig um die Flughafenpläne, obwohl sich dort im Dezember 1967 auch eine Schutzgemeinschaft gebildet hatte. Mitglieder waren hauptsächlich Bauern. "Der Protest blieb im Moos stecken", sagte Lang. Da war kein hochrangiger Politiker, der den Widerstand angeführt hätte. Philipp Held, ehemaliger Freisinger Landrat und Justizminister, sah sich selbst eher als honorige Persönlichkeit und nicht als Aufwiegler, wie er einst Lang gegenüber sagte. Und die Freisinger Bürgermeister Max Lehner und Adolf Schäfer begegneten den in der Schutzgemeinschaft organisierten Menschen mit Argwohn. Zwischenzeitlich traten sogar Gemeinden aus der Schutzgemeinschaft aus. Als dann die Lärmkorridore veröffentlicht wurden, erhielt diese wieder großen Zulauf. Die heutigen Flughafenanrainer wurden aus ihrer Lethargie aufgeschreckt, doch aller Protest kam zu spät. Der Schutzgemeinschaft gelang es immerhin, die Inbetriebnahme des Flughafens hinauszuzögern und Einiges an Lärmschutzmaßnahmen herauszuholen.

Landrat Josef Hauner wies darauf hin, dass die Region eine dritte Startbahn mit einem Zuzug von 400 000 Einwohnern nicht mehr verkrafte. Außerdem sei der Zeitgeist ein anderer als vor 50 Jahren. "Die Bevölkerung will mit Ressourcen sparsam umgehen", sagte er. Hauner und der wiedergewählte Schutzgemeinschafts-Vorsitzende Manfred Pointner hoffen auf die Zusagen von Seehofer und Söder, nicht ohne einen erneuten Bürgerentscheid mit der Erweiterung des Flughafens zu beginnen.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2017
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