Planen Bergmann:Nach 98 Jahren ist Schluss

Udo und Ute Bergmann schließen zum Jahresende die traditionsreiche Säcke- und Planenfabrik, denn sie haben keinen Nachfolger gefunden. An der Haindlfinger Straße in Freising werden neue Wohnungen entstehen

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Udo Bergmann, 65, blickt mit Wehmut von seinem Bürofenster aus auf das Firmengelände an der Haindlfinger Straße. Er ist dort aufgewachsen, sein Elternhaus versteckt sich klein und verschachtelt neben den größeren Bürogebäuden. Dort, wo der Bau an der Straße aus dem Jahr 1994 steht, war früher eine Wiese. "Da habe ich als Junge Fußball gespielt", erzählt er. Seit 60 Jahren steht dort die Säcke- und Planenfabrik Bergmann. Zum Jahresende ist Schluss, der Betrieb schließt.

Den verbliebenen 14 Mitarbeitern ist im Mai gekündigt worden, viele haben schon einen neuen Job, einer will sich mit einer kleinen Planenfabrik im "Bergmann-Miniformat" selbständig machen, sucht aber noch Räume. Die Auftragsbücher wären zwar voll. Doch Udo Bergmann, der das Geschäft zusammen mit seiner Frau Ute betreibt, hat keinen Nachfolger für den Betrieb gefunden. "Meine Kinder gehen eigene Wege, das ist ja auch gut so", sagt er. Der Mitarbeiterstab sei immer kleiner geworden, viele langjährige Angestellte seien in Rente gegangen. "Wir haben auch ausgebildet, aber die jungen Leute sind nicht geblieben. Irgendwann mussten wir die Reißleine ziehen, sonst wären wir nicht mehr heil aus der Sache rauskommen", sagt Udo Bergmann.

Planen Bergmann: Ute und Udo Bergmann neben der alten Eingangstür aus dem früheren Firmengebäude. Auch sie soll in dem neuen Wohnareal einen Platz finden.

Ute und Udo Bergmann neben der alten Eingangstür aus dem früheren Firmengebäude. Auch sie soll in dem neuen Wohnareal einen Platz finden.

(Foto: Marco Einfeldt)

Das Gelände hat er jetzt an einen Investor verkauft, Wohnungen sollen dort entstehen. Die direkt angrenzenden Nachbarn seien alle informiert und mit den Pläne einverstanden. "Sie freuen sich, dass sie später einmal einen schöneren Blick aus dem Fenster haben", berichtet Bergmann. Wichtig sei ihnen gewesen, dass das Areal an der Haindlfinger Straße nicht bis an die Grenze des Erlaubten zugebaut werde, erzählen Udo und Ute Bergmann. "Wir wollen etwas Schönes, etwas Nachhaltiges, mit viel Grün, das war uns wichtig." Es soll auch nicht vergessen werden, was an dieser Stelle einmal stand. So soll der Freisinger Bär mit dem Namen "Bärgmann", der mit Fliegerbrille und Planenrucksack zum Maskottchen des Unternehmens geworden ist, in das Gelände integriert werden. Ebenso wie die alte massive Eingangstür aus Holz, durch die unzählige Kunden gingen, bevor der alte Firmenbau durch einen modernen mit Glastüren ersetzt wurde.

Die Holztür ist jetzt im Bürotrakt integriert. "Erst die Heimat, dann die Ferne, erst die Erde, dann die Sterne", ist darauf zu lesen. Stets der Leitsatz der Firma, versichert Udo Bergmann. Er kann sich vorstellen, dass die Tür einmal als schmückendes Wandpaneel in den Neubau einbezogen wird, zusammen mit dem alten Emaille-Schild mit der Aufschrift "Waldemar Bergmann, Säcke- und Planenfabrik". Das war Udo Bergmanns Großvater, der 1920 in Breslau die erste Säcke- und Planenfabrik gegründet hat und sie führte, bis der Zweite Weltkrieg Breslau erreicht und die Familie zur Flucht zwingt. Waldemar Bergmann ist 67 Jahre alt, als er nach den Kriegswirren den Neuanfang in Freising wagt, zunächst in Neustift, danach in der Malzfabrik Schwaiger an der Erdinger Straße. 1951 erwirbt er das Grundstück an der Haindlfinger Straße.

Planen Bergmann: Das Bär, genannt "Bärgmann" ,soll bleiben, auch wenn die Firma Bergmann zum Jahresende schließt und dort ein Investor Wohnungen errichten will. Die Bärenfigur soll dann irgendwo auf dem Gelände einen neuen Platz finden.

Das Bär, genannt "Bärgmann" ,soll bleiben, auch wenn die Firma Bergmann zum Jahresende schließt und dort ein Investor Wohnungen errichten will. Die Bärenfigur soll dann irgendwo auf dem Gelände einen neuen Platz finden.

(Foto: Marco Einfeldt)

Das Wirtschaftswunder beginnt und damit auch der Aufstieg der Firma Bergmann in Freising. Säcke werden gebraucht, speziell für die Hopfenernte. Mittlerweile führt Waldemar Bergmanns Sohn Gerhard das Unternehmen und er hat neue Ideen. Er entwickelt Spezialsäcke für die besonderen Anforderungen des Hopfens bei Verpackung, Lagerung und Transport. Der alte Jute- wird vom Kunststoffsack abgelöst. Bald geht der Säcke-Handel über Landesgrenzen hinaus. Die Geschäftsbereiche erweitern sich. Auch Lastwagen-Planen produzieren die Bergmanns. In den 60er Jahren entstehen die ersten Tankinnenhüllen. 1980 tritt Udo Bergmann in das Unternehmen ein. Er baut die Abteilungen Tankschutz und Tankinnenraumauskleidung weiter aus. Die Beschriftungsabteilung wird modernisiert. Wurden bisher die Planen noch mit Schablone, Pinsel und Farbe, teilweise sogar freihändig, beschriftet, steigt Udo Bergmann nun auf ein EDV-gesteuertes Beschriftungssystem um, führt einen Siebdruck für Großaufträge ein und löst diesen schließlich durch Digitaldruck mit umweltfreundlichem Latexdrucksystem ab. Ein wichtiges Geschäftsfeld war zuletzt die Fertigung von Biogasspeicherhüllen. Und wer durch die Freisinger Innenstadt geht, dem fallen die Wanderbäume mit den roten Umhüllungen auf, auch die stammen von der Firma Bergmann.

Wenn sie zum Jahresende schließt, dann ist die Arbeit für Udo und Ute Bergmann nicht vorbei. Die Gebäude müssen geräumt werden, in 60 Jahren hat sich so einiges angesammelt. Meterweise Buchhaltungsunterlagen müssen eingelagert und zehn Jahre aufbewahrt werden. So will es das Finanzamt. "Dafür müssen wir extra einen Lagerraum anmieten", berichtet Ute Bergmann. Einige der großen Nähmaschinen konnten verkauft werden, doch die Arbeitsräume mit den langen Nähtischen und der Keller sind noch voll. Im Frühjahr wollen die Bergmanns einen Lagerverkauf starten.

Der Investor, der das Gelände erworben hat, habe bereits eine Vorentwurfsplanung bei der Stadt eingereicht, genehmigt worden sei aber noch nichts, erzählt Udo Bergmann, der nicht damit rechnet, dass vor 2020 mit dem Bau begonnen wird. Was macht man nun nach so einem langen Arbeitsleben im eigenen Betrieb, in dem so viel Herzblut steckt? "Keine teure Weltreise, das ist nicht unsers", meint er. Jazz ist schon immer die große Leidenschaft von seiner Frau und ihm. Und da steht auch noch der große Wohnwagen in einer Garage auf dem Firmengelände. "Wir sind Camper, schon als Kind war ich mit meinen Eltern im Wohnwagen unterwegs", erzählt er. In den vergangenen zehn Jahren war nie mehr Zeit als eine Woche am Stück für einen Urlaub. Jetzt könnten es vielleicht doch mal drei Wochen sein.

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