Pläne von Ursula von der Leyen:Diskriminierung per Chipkarte

Vielen Freisinger Kindern bleiben Bildungs- und Freizeitangebote verwehr. Ursula von der Leyens Pläne, benachteiligte Kinder mehr zu fördern, sehen viele dennoch eher skeptisch.

Sabina Dannoura

Mit den Schulkameraden im Sportverein zu trainieren, ein Musikinstrument zu erlernen, ein Museum oder Theater zu besuchen: Vielen Kindern bleiben solche Bildungs- und Freizeitangebote verwehrt, weil ihre Eltern von Hartz IV leben. Auch im Landkreis Freising machen Sozialverbände und Beratungsstellen diese Erfahrung.

Familiencard in Stuttgart

In Stuttgart gibt es die Familiencard bereits.

(Foto: ddp)

Die Überlegung von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), diesen Kindern mit Hilfe einer Chipkarte mehr Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zukommen zu lassen, wird aber eher skeptisch gesehen: Die Absicht sei gut, sagen die Fachleute, das System aber eher ungeeignet, weil der bürokratische Aufwand immens sei und Kinder stigmatisiert würden.

Das Bundesverfassungsgericht hat gerügt, dass der Regelsatz für Kinder aus Hartz-IV-Familien unzureichend sei. Nun soll dieser Basissatz angehoben werden, ein Teil könnte allerdings als Sachleistung zur Auszahlung kommen: Von der Leyen plant eine Geldkarte für Kinder von Langzeitarbeitslosen, von der die Kosten für den Besuch einer Musikschule, eines Sportvereins oder für die Sprachförderung ganz oder teilweise abgebucht würden.

Eva Bönig, Vorsitzende des Freisinger Kinderschutzbunds, hält von diesem Modell jedoch nichts: "Das läuft auf eine Diskriminierung der Kinder heraus", sagt sie. Unabhängig von besseren Bildungschancen müssten die Geldleistungen für Hartz-IV-Kinder erhöht werden. "Weitere Angebote sollen die zuständigen Ämter direkt übernehmen", fordert sie. Wobei der Kinderschutzbund erlebe, dass sich auch Freisinger Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen die Mitgliedschaft in einem Verein, den Schwimmbadbesuch oder Nachhilfe nicht leisten könnten.

Befürworter des Chipkarten-Systems sehen darin den Vorteil, dass das Geld auch tatsächlich bei den Kindern ankomme. Bönig weist den indirekten Vorwurf, Eltern würden das Geld anderweitig ausgeben, zurück: "Es gibt sicherlich Ausnahmen, aber das lässt sich doch nicht grundsätzlich unterstellen."

Auch Reinhold Henninger, Vorsitzender des Diakonischen Werks Freising, findet es falsch, "alle Eltern zu bestrafen, nur weil einzelne Missbrauch treiben". Henninger lehnt es außerdem ab, wenn die Gutschein-Karte "ein Umweg sein soll, um keine kindgerechten Harzt-IV-Sätze zahlen zu müssen". Er würde ein Modell bevorzugen, bei dem die zuständigen Ämter die Familien über Bildungsangebote informieren und diese dann direkt übernehmen oder bezuschussen.

Bönig, Henninger und auch Peter Spanrad vom Familienforum Freising schreckt außerdem der bürokratische und logistische Aufwand ab, der mit Einführung einer solchen Geldkarte verbunden ist. Vereine, Musikschulen und weitere Institutionen müssten mit einem Lesegerät ausgestattet werden. Besser wäre es, dieses Geld in "Manpower" zu stecken, findet Spanrad, also in mehr persönliche Zuwendung und Unterstützung sozial benachteiligter Kinder.

Innerhalb einer Kommune hält das Familienforum ein Vergünstigungsprogramm dagegen für praktikabel - mit der Initiative einer "Familienkarte", die kinderreichen Familien Rabatte beim Einkauf, Museums- oder Schwimmbadbesuch eröffnen sollte, sei man aber "schon im Planungsstadium am Widerstand der Geschäftsleute gescheitert", berichtet Spanrad.

Die Idee einer Bildungscard sieht Bärbel Schenk von der Caritas-Erziehungsberatung in Freising "eher positiv", wobei sie die Frage der Umsetzbarkeit nicht beurteilen möchte. "Unsere Hoffnung wäre es, dass bei diesem Modell jedes Kind in seinen Neigungen und Bedürfnissen individueller gefördert werden kann."

Auch könne die Geldkarte "bei Eltern die Idee transportieren, dass Bildung wichtig ist", glaubt Schenk.

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