"Das fühlt sich an wie die Kissen auf Omas Sofa", sagt Markus Blaschke. Nein, hier versucht kein eifriger Verkäufer die Vorzüge einer besonders bequemen Sitzlandschaft anzupreisen. Man befindet sich nicht einmal in den vier Wänden eines Möbelhauses, sondern auf dem Walderlebnispfad an der Plantage in Freising. Blaschke ist Pilzexperte und an der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) zuständig für Naturwaldreservate. "Wer will noch streicheln?", fragt er in die Runde, spätestens jetzt ist klar, worum es gehen muss: die Striegelige Tramete.
Wer befürchtet, dabei handele es sich um eine unflätige Bezeichnung für besagte Großmutter, der sei unbesorgt. Trametes hirsuta, so ihr lateinischer Name, gehört zur Familie der Stielporlingsverwandten und hat eine gräuliche, weiche Oberfläche. Dass der Pilz auf Laubgehölz wächst und dort Weißfäule verursacht, lernt man neben vielem anderen an diesem milden Donnerstagvormittag. Eingebunden ist die Exkursion zu den Frühlingspilzen in die Biodiversitätswoche an der TU München am Campus in Weihenstephan.
Mit im Wald unterwegs ist auch Tsveta Davidkova, eine der Mitorganisatorinnen der Biodiversitätswoche. Die Masterstudentin der Biologie hat mit ihren Kolleginnen des Green Office und beteiligten Professorinnen und Professoren rund 20 Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Sie versteht es als großes Privileg, die Expertise zum Thema Umweltschutz in einer Woche bündeln und Interessierten die Chance bieten zu können, Neues über die Natur zu lernen.
Zufrieden zeigt sie sich auch mit der Resonanz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, deren Zahl im Laufe der Woche zunahm, nachdem sie auf die weiteren Veranstaltungen aufmerksam geworden waren. Das Angebot richtete sich nicht nur an das universitäre Umfeld. Es sollte auch "Menschen ohne Fachwissen für diese Themen sensibilisieren und verdeutlichen, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, Studierende, Initiativen und Organisationen in Freising einen positiven Beitrag zum Naturschutz leisten", wie es auf der Webseite des Green Office heißt.
Unter den Blätterdächern im Wald hat Exkursionsleiter Blaschke derweil einen Feuerschwamm entdeckt. Der Pilz ist in der Lage, Bäume anzugreifen und deren Holz zu zersetzen. Damit beeinflusst er auch das Leben anderer Lebewesen: Spechte nisten nur in bereits geschwächten Bäumen. Den Fruchtkörper, also den sichtbaren Bestandteil des Feuerschwamms, nutzen die Vögel als "Vordach", wie Blaschke erzählt. Überhaupt liegt der Fokus der Exkursion saisonbedingt auf den Holz zersetzenden Pilzen.
Diese sind anders als viele im Sommer und Herbst wachsende Arten selten genießbar. Manche übernehmen für den Lebensraum Wald eine wichtige Rolle, weil sie als Saprophyten Totholz abbauen können und somit den Stoffkreislauf unterstützen. Andere befallen als Parasiten auch lebende Bäume, was zu deren Absterben führen kann. Aus Sicherheitsgründen müssen deshalb immer wieder Bäume gefällt werden.
Anders als man vermuten würde, glimmt der Zunderschwamm nur
Nächster Halt: Kohlenbeeren. Die wachsen als schwarze Kügelchen an einem langen Ast und wandern durch die Hände der rund 20 Exkursionsteilnehmer, unter ihnen viele Studierende. Mit einem seitlichen Blick auf Hopfenstangen geht es noch tiefer in den Wald, rechts lugt ein Tipi aus dem Gebüsch. Die Gruppe stößt auf Tintlinge, die sich selbst verdauen, damit für den Menschen aber leider ungenießbar werden. Dann auf die Hexenbutter, unscheinbar bei Trockenheit, dafür umso lebendiger bei Nässe. Um dieses Aufblühen später beobachten zu können, wird sie vorsichtig "gegossen". Einer der häufigsten Totholzpilze ist der Grünblättrige Schwefelkopf. Der üblicherweise büschelig auftretende Lamellenpilz hat die Fähigkeit, auch abgestorbenes Holz unter der Erde aufzulösen. Gleichzeitig richtet er an Gewächsen an der Oberfläche keinen Schaden an, wie der Experte erklärt.
Auf immer schmaleren Pfaden gelangt die Gruppe auf eine Anhöhe und trifft dort auf den Zunderschwamm. Dieser wächst hier mit anderen Pilzen an einem auf dem Boden liegenden, dicken Ast, mindestens sechs Arten entdecken die Teilnehmenden. Zwar wurde der dunkle, gedrungene Pilz früher auch als Zunder zum Entfachen von Feuer verwendet. Der Ausdruck, "das brennt wie Zunder", trifft aber auf den Zunderschwamm nicht zu, da dieser laut Markus Blaschke nur glimmt und zum Transport der Glut genutzt wurde. Selbst Kleidung kann aus ihm gefertigt werden. Blaschke erzählt, er besitze einen Hut daraus. Leider hat er ihn nicht dabei.
Dass der Brandkrustenpilz, nach seinem verkohlt aussehenden Äußeren benannt, zum Umstürzen von Bäumen führen kann, lernt man an der nächsten Station. Deshalb sei er in der Verkehrssicherung besonders gefürchtet. Auch der Wilde Hausschwamm kann zum Problem für den Menschen werden: Das zeigt ein auf dem Boden liegender Baumstamm, dessen mittlerer Teil fast vollständig von dem Pilz zersetzt wurde. "Da kann man sich vorstellen, wie ein befallenes Haus aussieht", meint Blaschke. Kameras werden gezückt, ein Raunen geht durch die Gruppe, als ein Grauer Wulstling sich am Wegesrand zeigt. Der stattliche Ständerpilz ist selbst nicht schädlich, aber leicht zu verwechseln mit dem stark giftigen Pantherpilz. Seine Verwandtschaft mit dem Fliegenpilz lässt sich selbst für das ungeübte Auge leicht nachvollziehen.
Als schließlich nach etwa zwei Stunden Wanderung und fast 40 gefundenen Pilzarten die Waldgaststätte der Plantage erreicht ist, stellt Blaschke noch den Flachen Lackporling vor. Im Englischen als artist funghi bezeichnet, kann auf der Porenseite dieses Pilzes gemalt werden. Ein Blick zurück auf die Hexenbutter: Vom kühlen Nass beflügelt, hat sie nun eine wenig angenehme, glibberige Konsistenz. Sie ist damit ein Beispiel dafür, "warum Pilzen früher Zauberkräfte zugeschrieben wurden", so Blaschke.
Wer auf den Geschmack gekommen ist, dem sei die für Ende September geplante Pilzausstellung der LWF ans Herz gelegt. Dort gibt es bis zu 200 Arten zu bestaunen. Zudem sollten die Teilnehmer der Exkursion die jetzt gegangene Strecke nochmals nach (Speise-)Pilzen absuchen. "Dann kommen dicke Körbe voll zurück", verspricht Markus Blaschke.