Süddeutsche Zeitung

Pilzberaterin im Interview:Die gefährliche Welt der Pilze

Christiane Baumgartner ist seit ihrer Jugend im Wald unterwegs und beschäftigt sich mit Pilzen. Weit mehr als 200 Arten sind ihr geläufig. Mittlerweile ist die Moosburgerin geprüfte Pilzberaterin und Pilzcoach. Sie selbst isst Pilze nicht nur, sondern bastelt und färbt auch Stoffe damit.

Interview von Sara Livadas, Moosburg

Als professionelle Pilzberaterin muss sich Christiane Baumgartner wie keine andere in der artenreichen und teilweise auch gefährlichen Welt der Pilze auskennen. Wie sie zu dieser besonderen Beschäftigung gekommen ist, und was ein guter Pilzberater alles wissen muss, erzählt sie der SZ im Interview.

SZ: Frau Baumgartner, Sie sind gleichzeitig Pilzberaterin und Pilzcoach. Was ist der Unterschied?

Christiane Baumgartner: Beim Pilzcoach steht nicht die grundsätzliche Artenkenntnis im Vordergrund. Hier kommt es eher darauf an, die Pilzwelt zum Beispiel Schulkindern spielerisch nahe zu bringen. Manchmal führe ich natürlich auch Erwachsene durch den Wald. Ich möchte den Leuten einfach bewusst machen, was die Pilze alles leisten. Wenn es sie nicht gäbe, würden wir meterhoch in Laub, Ästen und Baumresten versinken. Die Pilze zersetzen das alles. Es gibt fast nichts, was ein Pilz nicht zersetzen kann. Außerdem sind sie wichtige Symbiose-Partner für Pflanzen, speziell auch für Bäume. Das ist auch die Hauptaufgabe des Coaches: Zu zeigen, wie wichtig Pilze für unser Ökosystem sind. All das sollte ein Pilzberater natürlich auch wissen, aber im Gegensatz zum Pilzcoach ist hier die Artenkenntnis das wichtigste Element. Das heißt, dass man am Ende einer Pilzexkursion oder einer Pilzberatung eine sogenannte "Korbkontrolle" durchführen darf, bei der ungenießbare oder sogar giftige Pilze von den Essbaren getrennt werden. Denn der Berater ist dafür da, um bei einer Pilzwanderung die gefundenen Pilze ganz genau mit ihren Merkmalen zu erklären. Sodass dann jeder zum Beispiel einen Champignon von einem giftigen Knollenblätterpilz unterscheiden kann.

Wie wird man denn offizielle Pilzberaterin?

Das ist eine Ausbildung bei der Bayrischen Mykologischen Gesellschaft. Bevor man diese jedoch antritt, sollte man schon eine sehr gute Artenkenntnis besitzen. Schätzungsweise etwas mehr als 200 Arten sollte man am Ende kennen. Für einen Anfänger ist das erst einmal nichts. Ich bin bereits als Kind schon immer gerne in den Wald gegangen und habe später versucht, mich selbst ein bisschen fortzubilden. Aber irgendwann ist auch da Schluss. Dann geht man halt bei Führungen mit und letzten Endes habe ich mich dann dem Landshuter Pilzverein angeschlossen. Irgendwann meinten sie zu mir, ich wüsste genug, um mich für die Ausbildung zur Pilzberaterin anzumelden. Dazu bekommt man dann die Lernunterlagen und macht eine Woche Praktische Fortbildung mit einer abschließenden Prüfung. Am Ende bekommt man ein Zertifikat und ist offizieller Pilzberater oder Pilzberaterin.

Haben Sie ein paar professionelle Tipps für das Pilzesammeln?

Ja, das fängt schon einmal damit an, dass man mit einem Korb sammeln sollte und nicht mit einer Plastiktüte, weil Pilze zum Großteil aus Wasser und Eiweiß bestehen und daher sehr leicht verderblich sind. Wenn man einen verdorbenen Pilz isst, kann es unter Umständen sogar zu einer "unechten Pilzvergiftung" kommen.

Was genau ist eine "unechte Pilzvergiftung"?

Das ist, wenn nicht das Pilzgift die Vergiftung verursacht, sondern einfach der verdorbene Pilz, der innerlich oder an einer anderen Stelle schimmelt. Zurück zu den Sammel-Tipps: Falls man den Pilz nicht kennt und zu einer Pilzberatung geht, sollte man alle Teile aus dem Boden entnehmen, sodass der Berater den kompletten Pilz samt Stielbasis untersuchen kann, weil dort eventuell wichtige Unterscheidungsmerkmale zu erkennen sind. Auch ist es sehr wichtig, den unbekannten Pilz separat in einem kleinen Döschen oder ähnlichem zu verwahren. Ein Pilzberater darf auch keine Beratung nur anhand von Fotos machen. Da sind wir gleich beim Thema Pilzbestimmungs-Apps. Das ist oft ein Problem. Ich verurteile keine Pilz-Apps generell. Wenn man sich auskennt, kann eine gute Pilz-App einem das Mitschleppen des schweren Pilz-Buchs ersparen. Doch als Anfänger mit Hilfe einer App sammeln zu gehen, kurz ein Bild zu schießen und dann zu erwarten, dass es hundert prozentig die angezeigte Art ist, hat schon zu schwersten Vergiftungen geführt.

Woran erkennt man eine Pilzvergiftung?

Das ist schwierig, denn da kommt es ganz auf den Pilz an. Bei manchen gibt es keine Latenzzeit und man merkt die Auswirkungen relativ schnell. Dann wiederum gibt es Arten, da erbricht man sofort, es wird zwischenzeitlich besser und nach vierzehn Tagen merkt man aber, die Leber oder Niere ist kaputt. Beispielsweise wenn man statt dem Pfifferling einen Raukopf im Essen hat. Oder der Gift-Häubling, der sieht ähnlich aus wie ein Stockschwämmchen, hat aber das Knollenblätterpilzgift in sich. Die Folgen können gefährlich sein, in diesen Fällen sogar tödlich.

Sie stellen viel Unterschiedliches aus Pilzen her. Was ist alles möglich?

Ich habe aus Schmetterlings-Trameten Schmuck hergestellt, aus Porlingen Papier gemacht und Seidentücher mit Hilfe von Hautköpfen oder Röhrlingen eingefärbt. Das Färben ist schon ein wenig aufwendiger, weil man eine große Menge der Färbepilze benötigt. Die Menge richtet sich nach dem Gewicht der Ware. Seidentücher sind sehr leicht und brauchen daher nicht so viele Pilze. Nach dem Sammeln trockne ich sie und mache oft Pulver daraus. Dann wird alles eine Stunde gekocht und fein abgeseiht. Die Seidentücher müssen vorbehandelt sein, um leichter die Farbe aufzunehmen. Die Tücher werden ebenfalls ein Stündchen leicht gekocht. Nach dem Auswaschen müssen sie nur noch trocknen und fertig sind die pilzgefärbten Stoffe. Das mögliche Farbspektrum reicht von hellgelb bis grünlich, hinzu orange und rot. Ein Bekannter von mir hat es sogar geschafft, blau zu färben. Allerdings schreibt er gerade noch an seinem Buch über das Pilze färben und ich muss noch auf die Veröffentlichung warten, um zu erfahren, wie er das hinbekommen hat.

Haben Sie ein Lieblings-Pilz-Rezept für unsere Leser?

Ich mache mir am liebsten Pfifferlings-Risotto. Das ist eigentlich eines meiner Lieblingsrezepte. Aber oft findet man ja gar nicht so viele Pilze oder hat am Ende viele unterschiedliche Arten. Was dann immer ganz gut funktioniert: Die Pilze einfach nur mit ein bisschen Zwiebeln rausbraten, etwas Salz und Pfeffer und eventuell noch Thymian oder ähnliches hinzugeben. Das Ganze anschließend zu einem Stück Fleisch oder für Vegetarier zum Bratling servieren. Auch wenn man nur wenig Pilze zur Verfügung hat, erhält man mit diesem Rezept den leckeren Pilz-Geschmack.

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