Pandemie-Hunde:"Spielzeug" für ein paar Wochen

Pandemie-Hunde: Joseph Popp, Vorsitzender des Tierschutzvereins, geht davon aus, dass jetzt immer mehr Haustiere im Tierheim landen werden. "So wie wir es erwartet haben, so passiert es auch", sagt er.

Joseph Popp, Vorsitzender des Tierschutzvereins, geht davon aus, dass jetzt immer mehr Haustiere im Tierheim landen werden. "So wie wir es erwartet haben, so passiert es auch", sagt er.

(Foto: Marco Einfeldt)

Viele haben sich während des Lockdowns Haustiere zugelegt. Die könnten ihnen bald lästig werden, fürchten Tierschützer

Von Melanie Glienicke, Freising

In Zeiten von Homeoffice, Einsamkeit und Langeweile haben sich viele Menschen ein Haustier angeschafft. So berichtete das Tierheim des Freisinger Tierschutzvereins in Mintraching zu Beginn des Jahres von einer erhöhten Nachfrage, besonders Hunde waren beliebt. Begleitet war das stets mit der Sorge, dass einige der Tiere nach Ende der Pandemie im Tierheim landen könnten. Mit der sinkenden Inzidenz in Freising und somit weiteren Freiheiten werden diese Sorge präsenter und die Problematik sichtbar.

Joseph Popp, Vorsitzender des Tierschutzvereins Freising, berichtet, dass es langsam mit der Abgabe von Tieren losgehe. Bis jetzt seien drei Hunde bei ihnen abgegeben worden. "Während Corona meinten die Leute, sie brauchen unbedingt einen Hund - und dann nach ein paar Wochen hat es sich wieder erledigt", sagt Popp. Ein Grund für die Abgabe sei die Überforderung. "Man merkt dann wohl doch, dass ein Hund ein Lebewesen ist, das Bedürfnisse hat und um das man sich kümmern muss." Joseph Popp geht davon aus, dass das erst der Anfang ist und weitere Hunde folgen werden. "So wie wir es erwartet haben, so passiert es auch." Er sieht das Problem nicht nur fürs Tierheim im Kreis Freising, sondern für ganz Deutschland.

Die Hunde, die jetzt im Tierheim auf ein neues Zuhause warten müssen, seien "null erzogen". Grund dafür ist auch, dass die Hundeschulen Pandemie-bedingt schließen mussten. Also gerade in der Zeit, als Hunde für viele der ideale Zeitvertreib geworden sind. Seit ungefähr zwei Wochen haben Hundeschulen nun wieder geöffnet. "Der Andrang ist wirklich enorm", berichtet Nicole Gruber, Leiterin der Hundeschule Gruber in Freising und Leiterin des Tierheims in Mintraching. "Die Leute brauchen dringend Hilfe und Unterstützung." Viele könnten ihren Hund kaum bändigen, was aufgrund der fehlenden Hilfe aber eine logische Konsequenz sei. Gerade im Welpenalter wäre die Hundeschule besonders wichtig. "Welpen, die als Spielzeug für Kinder oder als Partnerersatz während Corona geholt wurden, diesen Eindruck hatte ich zumindest ganz oft, werden eben doch zu einem größeren wilden Hund." Sie kennt sogar einen Fall, bei dem ein Hund nur zwei Tage in einer Familie war, bis er wieder abgegeben wurde. Man habe sich Pandemie-bedingt einfach zu wenig Gedanken gemacht, ob man wirklich als Hundebesitzer geeignet ist.

Nicole Gruber kritisiert, dass viele der "Pandemie-Hunde" aus dem Ausland gekauft wurden, bei denen falsche Informationen über die Rasse angegeben worden waren. Verkauft wurden sie zum Beispiel als Goldenretriever-Mischling, was allerdings nicht der Realität entspricht. "Die Leute wollten eben einfach unbedingt einen Hund, dann war es egal, welcher", sagt sie. Die Rasse sei aber ein wesentlicher Faktor für die Erziehung und das Benehmen von Hunden. Gerade für die Hunde aus dem Ausland, die ohnehin schon eine schwierige Vorgeschichte haben, hätte es eigentlich Besitzer gebraucht, die sich mit Hunden auskennen. In der Hundeschule versucht Nicole Gruber nun das auszubaden, was versäumt wurde. "Als Hundetrainerin werde ich alles tun, was ich kann." Allerdings befürchtet sie trotzdem, dass einige der Hunde, die sie jetzt trainiert, bald im Tierheim landen werden. Eine Überflutung des Tierheims sieht auch sie noch kommen. "Es wird mit Sicherheit rappelvoll werden", sagt sie.

Neben der Überforderung mit den Hunden werden nun auch Reisen und die Rückkehr in den gewohnten Arbeitsalltag eine Rolle spielen. Nicole Gruber äußert auch die Angst, dass viele Hunde einfach im Internet auf Ebay angeboten werden. Bei der Abgabe im Tierheim ist eine Gebühr zu zahlen, worüber sich einige Leute aufregen. "Die Hunde werden dann einfach weitergereicht und kommen vielleicht in die nächste Familie, die der Aufgabe nicht gewachsen ist."

Auch auf finanzielle Unterstützung wird im Tierheim noch gewartet. Laut Popp kann man darüber noch nichts Konkretes sagen, frühestens im Herbst. Auch Spendenveranstaltungen für das Tierheim seien bislang nicht möglich. Die sinkende Inzidenz ist für ihn auch noch kein Anlass zur Entspannung: "Letzten Sommer war es ja auch so, es gab kaum Fälle und dann ging es wieder richtig los."Seit der Corona-Pandemie möchte er keine Prognosen mehr abgeben, man könne nie wissen, was kommt. "Es ist alles sehr ungewiss", sagt Joseph Popp, "aber wir machen im Tierheim einfach weiter wie gewohnt".

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