Süddeutsche Zeitung

Stau, Lärm und Abgase:Schlaflos in Palzing

Weil aktuell der Verkehr von gleich zwei viel befahrenen Straßen im Landkreis durch die kleine Ortschaft umgeleitet wird, herrscht dort rund um die Uhr das Chaos. Die Anwohner fordern jetzt Unterstützung ein.

Von Alexandra Vettori, Zolling

Für die Nächte sind sie längst vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer umgezogen. Dort können sie wenigstens das Fenster öffnen, weil es nicht zur Haindlfinger und Ampertalstraße hin liegt. Denn das Brummen, Hupen, Motor starten und Anfahren raubt ihnen bis spät in die Nacht und schon früh am Morgen den Schlaf. Das Haus von Ulrich und Marianne Hösl in Palzing liegt direkt an der Kreuzung dieser beiden Straßen. Lebhafter Verkehr herrscht dort immer, wiewohl es sich um kleine, kurvige Straßen handelt, doch das, was hier seit ein paar Wochen los ist, hätte sich niemand träumen lassen.

"Autoschlangen von allen Seiten von 6.30 bis 9.30 Uhr - und abends wieder zurück", sagt Marianne Hösl. Eine Nachbarin hat gezählt: Sie kam auf 100 Fahrzeuge in fünf Minuten. Es seien auch nicht nur Autos, "viele Lastwagen sind unterwegs und am Wochenende kommen die Motorradfahrer mit ihren aufgemotzten Auspuffanlagen dazu, abends dann die Autodiscos. Wenn die jungen Leute aufdrehen, sitzt du auf der Couch und fühlst den Bass im Bauch." Was die Sache so desaströs macht, ist, dass aktuell gleich zwei befahrene Straßen durch Palzing und Haindlfing umgeleitet werden - und das noch bis Ende des Jahres. Von Osten kommt seit Mitte Mai der Verkehr aus dem Zollinger Raum in Richtung Freising, weil dort die Bundesstraße B 301 wegen des Baus der neuen Nordosttangente gesperrt ist. Und von Westen kommt seit Pfingsten nun auch der Verkehr aus Allershausen, Stauflüchter von der Autobahn A 9 und Maut-sparende Laster inklusive. Denn zwischen Kirchdorf und Burghausen wird die Kreisstraße FS 8 saniert und ist komplett gesperrt, weil auch eine Amperbrücke erneuert wird.

Für den Besuch der Zeitung haben die Hösl Stimmen gesammelt, von anderen betroffenen Palzingern. Ein Mann sagt, "es ist eine Zumutung, die vielen Laster und Motorräder sind nicht zu ertragen". Eine Frau kann nicht mehr schlafen, weil sie im ersten Stock neben der Behelfsampel wohnt, die aufgestellt wurde, damit überhaupt noch nicht-vorfahrtsberechtigte Fahrzeuge an der Kreuzung abbiegen können. Nachts leuchtet das gelbe Blinklicht in ihr Schlafzimmer. Ihre Forderung: Wenigstens nachts sollte die Ampel ausgeschaltet werden. Eine andere Frau spricht davon, wie es ist, wenn man nicht mehr auf der Terrasse sitzen kann vor lauter Lärm und Abgasen. Viele Mütter bringen ihre Kinder jetzt morgens zur Schulbushaltestelle, weil sie Angst haben, sie alleine die Straßen überqueren zu lassen.

Warum es dazu kam, dass die Umleitungen von zwei viel befahrenen Straßen gleichzeitig durch kleine Straßen und Dörfer laufen, verstehen die Hösls nicht so recht. Für die Kreisstraße FS 8 ist das Landratsamt Freising zuständig, von dort heißt es, man habe nicht gewusst, dass das Staatliche Bauamt, das für die B 301 zuständig ist, so lange sperren würde. Im Staatlichen Bauamt beruft man sich darauf, dass die Umleitungen schon im nördlichen Landkreis begännen, sich die Autofahrer aber nicht daran hielten. Ein Wunder ist das nicht, die Umfahrung über Au, Nandlstadt und Moosburg ist weit. Sie seien sie extra abgefahren, erzählen die Hösls, "da fährt kein Mensch. Jeder, der sich auskennt, weiß, es gibt von Zolling durch Palzing eine Straße, obwohl sie eng und kurvig ist", sagt Marianne Hösl.

Was das Paar ärgert ist, dass sie jetzt mit ihren Klagen auf so viel Desinteresse seitens der Behörden stoßen. Den Bürgermeister von Zolling, der auch für den Ortsteil Palzing zuständig ist, Helmut Priller, nehmen sie davon ausdrücklich aus. "Er gibt sich viel Mühe", sagt Marianne Hösl. Doch der Bürgermeister hat in der Sache nicht viel zu sagen. Ulrich Hösl ist Raumausstatter: "Wenn ich eine Couch schief polstere, kann ich auch nicht sagen, ja mei, blöd gelaufen." Marianne Hösl fügt hinzu: "Ich nehme das nicht so hin, dass man nichts machen kann." Die Anwohner erwarten jetzt Maßnahmen zur Linderung. Dazu gehören innerorts Tempo 30, das Ausschalten der Behelfsampel wenigstens nachts und am Wochenende, die Einrichtung einer dritten Umleitung über Langenbach und mehr Polizeipräsenz.

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Quelle:
SZ vom 06.07.2020
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