Ostendorf übernimmt Müller-Brot:Mann mit Handicap

Unter ihm ist Müller-Brot erst in die Kakerlaken-Krise und dann in die Insolvenz geschlittert - nun ist Klaus Ostendorf wieder da. Eine Entscheidung, die Fragen aufwirft und Raum für Spekulationen bietet. Warum entschieden sich die Gläubiger, vor allem die Banken und allen voran die Commerzbank, für ihn?

Nina Bovensiepen und Katja Riedel

Zum "Tag der Entscheidung" oder auch "Schicksalstag" war der Donnerstag im Vorhinein stilisiert worden. An diesem Tag, so war es angekündigt, bekämen die Beschäftigten von Müller-Brot endlich Klarheit. Klarheit darüber, ob die angeschlagene Bäckerei-Kette eine Zukunft hat. Ob sie ein Investor kauft. Und vor allem, ob die Mitarbeiter allesamt entlassen werden oder ob sie ihre Jobs behalten.

Aus dem Tag der Entscheidung, so viel zeichnete sich bereits am Morgen ab, wurde auch ein Tag der Verwirrung. Denn der Name des Investors, der bei Müller-Brot einsteigt, wirft eher mehr Fragen auf, als dass er Klarheit schafft.

Klaus Ostendorf lautet der Name. Der alte Mehrheitseigentümer, unter dem Müller-Brot in die Kakerlaken-Krise und in die Insolvenz geschlittert ist, soll auch der neue Eigentümer sein. So haben es die Gläubiger entschieden. Obwohl sie Alternativen hatten, wollen sie jenem Mann noch einmal eine Chance geben, der die erste vergeben hat.

Wie kam es dazu? Was trieb die Gläubiger an, Ostendorf zu vertrauen? Wer ist dieser Mann? Warum handelt er, wie er handelt? Das sind einige der Fragen, die sich nach dieser für die meisten Beobachter unerwarteten Entscheidung nun stellen.

"Wir sind überzeugt, dass wir das bessere Konzept hatten"

Dem vorläufigen Insolvenzverwalter Hubert Ampferl lagen zuletzt drei Angebote für eine Übernahme zumindest von Teilen der Bäckerei-Kette vor. Eines stammte aus dem Kreis der Pächter. Diese hatten einen Investor, der allerdings nur die Filialen haben wollte. Daher fiel er früh aus der Auswahl heraus.

Das zweite Gebot kam von dem Münchner Bäcker Höflinger gemeinsam mit Evi Müller, der Tochter des früheren Eigentümers, und weiteren Investoren. Höflinger ist ein Familienbetrieb in dritter Generation, der 17 Filialen in München betreibt und außerdem Hotels, Schulen, gastronomische und andere Betriebe beliefert. Für sein Konzept soll es anfangs einige Sympathien gegeben haben. Es hätte insofern Charme gehabt, als die frühere Eigentümerfamilie gemeinsam mit einem etablierten Betrieb dafür eingestanden wäre. "Wir sind keine schlechten Verlierer", sagte Geschäftsführer Franz Höflinger am Donnerstag der SZ. "Aber wir sind überzeugt, dass wir das bessere Konzept hatten."

Dennoch entschieden sich die Gläubiger, also vor allem die Banken und allen voran die Commerzbank, für Ostendorf. Über deren Erwartungen war der alte neue Investor wohl recht gut informiert. Ein Vertrauter von ihm, der Müller-Brot-Geschäftsführer Stefan Huhn, war die vergangenen Wochen intensiv mit dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern in Kontakt. Es könnte sein, dass Huhn auch in Zukunft eine wichtige Rolle als Geschäftsführer oder sogar als Mitgesellschafter spielen wird.

Über die nötigen Mittel für den erneuten Einstieg bei Müller-Brot dürfte Ostendorf verfügen. Das führt zu der Frage, wer dieser Mann ist, von dem bis vor einiger Zeit nur Kenner schon einmal gehört hatten: Experten der Backindustrie, Golfer und Pferdesportler etwa. Seit dem Skandal um Müller-Brot wollen alle mehr wissen über den groß gewachsenen Herrn mit dem dunklen Teint, von dem zumindest bekannt ist, dass er ein Millionenvermögen besitzt.

Im Februar, nachdem der Produktionsbetrieb von Müller-Brot in Neufahrn dicht gemacht worden war, gab Ostendorf der Süddeutschen Zeitung das einzige Interview, das er je gegeben hat. Darin präsentierte er sich als reuiger Sünder, als Kämpfer für Mitarbeiter und das Unternehmen. Nur fünf Tage nach dem Erscheinen meldete Müller-Brot Insolvenz an.

Insolvenz billigend in Kauf genommen?

Der Antrag soll mehrere hundert Seiten lang und nicht über Nacht verfasst worden sein, heißt es aus Justizkreisen. Das würde bedeuten, dass die Eigentümer schon länger wussten, auf welches Drama die Firma Müller-Brot zuschlitterte. Das lässt einige Spekulationen zu. Etwa jene, dass sie die Insolvenz billigend in Kauf nahmen, um dann genau das zu tun, was jetzt passiert: erneut einzusteigen.

Aber wozu das Ganze? Vielleicht, um das Unternehmen zurechtzuschrumpfen. Um sich von Firmenteilen und Mitarbeitern trennen zu können, so wie es nun ja geschehen soll. Um Rentables von Unrentablem zu trennen. Mit den Prinzipien, nach denen ehrbare Kaufleute handeln, hätte das wenig zu tun. Aber beileibe nicht alle Unternehmer halten sich an Devisen wie: "Eigentum verpflichtet". Da wäre Ostendorf nicht der erste.

Es können aber auch noch andere Gründe im Spiel gewesen sein. Etwa die Angst vor dem Eingeständnis, als Unternehmer gescheitert zu sein. Als mögliche Käufer von Müller-Brot wurden zeitweise verschiedene Konkurrenten genannt. Es könnte den Patriarchen Ostendorf geschmerzt haben, dass ungeliebte Kontrahenten sich womöglich anschickten, sein Firmenreich zu schlucken und seiner geschäftlichen Laufbahn einen erheblichen Dämpfer zu versetzen.

Denn das Geschäft ist für Ostendorf, so wie sich seine Vita liest, seit Jahrzehnten wesentlicher Bestandteil des Lebens. Das Handelsregister verzeichnet seit 1986 fast 120 Einträge für den Geschäftsführer Klaus Ostendorf, meistens in Firmen, die er selbst als Gesellschafter gegründet oder übernommen und dann häufig auch wieder liquidiert hat.

Verschachtelt und schwer durchschaubar

Am Anfang seines Aufstiegs, in den 80er und frühen 90er Jahren, verwaltete der gelernte Bankkaufmann zunächst den Besitz anderer. 1986 wurde er erstmals Geschäftsführer - bei der Wendeln-Gruppe, zu der die Marken Lieken Urkorn und Golden Toast gehören. Stück für Stück übernahm er mehr Verantwortung und Firmenanteile.

Als die Unternehmensgruppe Ende der 90er Jahre an Heiner Kamps verkauft wurde, gehörten Ostendorf 17 Prozent sowie, dem Vernehmen nach, 200 Millionen Euro. Dies bildete den Grundstock seines Vermögens, das er in den folgenden Jahren in zahlreiche Firmen der Backindustrie steckte. Außerdem gab er das Geld für teure Sportpferde aus.

Ostendorfs Firmenwelt ist verschachtelt und schwer durchschaubar. Zur Neufahrner Großbäckerei kam er über den Senior-Chef Hans Müller. Dieser hat es inzwischen bereut, Ostendorf vertraut zu haben. Ihre Beziehung, die zu Beginn als freundschaftlich galt, mündete in einen Rechtsstreit um die Mehrheit bei Müller-Brot. Gemeinsam mit einem langjährigen Weggefährten und Mitinvestor sicherte sich Ostendorf schließlich die Großbäckerei. Er soll sie mit einer hohen zweistelligen Millionensumme an Schulden übernommen haben - zu welchem Kaufpreis, darüber wurde Stillschweigen vereinbart.

Die wenigen Fotos, die von Klaus Ostendorf zu finden sind, zeigen ihn meist mit Golfschläger in der Hand. In seinem einzigen Interview beteuerte er, sehr oft in Neufahrn gewesen zu sein und die Brezen von dort zu lieben. Die Mitarbeiter hingegen sagen, dass sie den Mann selten in der Bäckerei gesehen haben. Sie wollten ihn nicht zurück. Aber ihre Wünsche waren nicht entscheidend am "Tag der Entscheidung".

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