Ortstermin im Asamkomplex:Der Geruch des Verfalls

Risse in den Wänden, ein maroder Dachstuhl - und überall riecht es nach üblen Ausdünstungen

Kerstin Vogel

Architekt Anton Mang hat schon Visionen. "Hier kommt die große Treppe hin", sagt er - und beschreibt mit einer ausladenden Bewegung den breiten Flur im ersten Stock des Asamgebäudes. Unten, im Erdgeschoss, materialisiert sich für ihn schon die künftige Bürgerinformation, wo jetzt noch schnöde Garderobentische Platz wegnehmen. Ob die Stadträte, die an der Besichtigung des maroden Asamkomplexes teilgenommen haben, das auch gesehen haben?

Deutlicher stand ihnen wohl vor Augen, was für eine Hypothek das denkmalgeschützte Gebäudeensemble am Marienplatz eigentlich ist. Geschätzt 40 bis 50 Millionen Euro soll die Sanierung kosten - dass sie unumgänglich ist, dürfte auch der letzte Zweifler gesehen haben. Von der Bühne im Asamsaal geht es in Richtung Künstlergarderobe, vorbei an schiefen Wänden, an denen Bilder die verschiedenen Ensembles der Laienbühne zeigen. Dass der Brandschutz unter der Bühne nicht optimal ist, ist bekannt - auch, dass beispielsweise die Deckenkonstruktionen in der Registratur nicht mehr halten, sie müssen abgestützt werden.

Abblätternder Putz ist neben all den Rissen in den Wänden fast ein beiläufiger Schaden. 2009 hat sich jemand die Mühe gemacht, die fortschreitende Länge der Risse säuberlich mit Kugelschreiber zu notieren; viele Daten stehen da untereinander und dokumentieren den Verfall. Kein Wunder, kommentiert Stadtrat Benno Zierer (FW): "Wenn hundert Jahre lang nichts gemacht wird, was erwartet man?" Die Büros sind hier schon ausgeräumt, in den Gängen stapeln sich alte Schreibtische, ein fast antikes Modell von einer geplanten Erweiterung für das "Haus der Jugend" steht rum, auf einer Fensterbank liegt eine leere Plastikhülle mit der Aufschrift "Bauanträge".

Weiter nach oben wird es eher schlimmer. Weitere abgestützte Decken, Bauschutt auf dem Dach, der Dachstuhl in Teilen marode. Gespreizt wie bei einem Spagat habe der sich, wird Wolfgang Brandl vom beauftragten Ingenieurbüro Brandl & Eltschig in der Sitzung des Hauptausschusses erklären, "als ob es ihm die Beine wegzieht". Deshalb habe man schon "Notsicherungsmaßnahmen" ergriffen. Vor dem Winter müsse auf jeden Fall noch etwas geschehen, mahnte auch Architekt Mang bei dem Rundgang.

Der Geruch in dem Gebäudekomplex verändert sich von Stockwerk zu Stockwerk, manchmal von Raum zu Raum - nur gut ist er nirgends. Mal liegt es an der Feuchte, am Schimmel; im Erdgeschoss, auf der anderen Seite vom Innenhof, ist es am schlimmsten, weil hier einst Toiletten waren; die Nase nimmt das heute noch wahr. Unter anderem hier haben die Mitarbeiter von Brandl das Fundament sondiert, die Ergebnisse ihrer 240 000 Euro teuren Voruntersuchungen im Ensemble fasste der Ingenieur für die Stadträte in einem Satz zusammen: "Der ungünstigste Baugrund, den man sich vorstellen kann."

Weil das so ist, ist der Asamkomplex auf Pfähle gebaut - und die gute Nachricht, die Brandl überbrachte, ist, dass die Gründung nicht überall gleich schlecht ist. Zum Marienplatz hin steht das Ensemble recht sicher, im Osten ist es schlechter und auf der Dombergseite handelt es sich laut Brandl eigentlich um eine "Gründung in nicht tragfähigem Boden". Entsprechend sieht der Experte die Ursache für die Risse in dem Gebäude nicht in den erfreulicherweise "voll durchgemauerten" Wänden, sondern eben in der Gründung.

Punktuell schwerwiegende Probleme" hat Brandls Untersuchung zudem im Dachtragwerk zutage gefördert. Der Dachstuhl im Südflügel ist schlicht einsturzgefährdet und vor allem der Gedanke an mögliche Schneelast im bevorstehenden Winter macht den Verantwortlichen Sorgen. Hier wird man nicht umhin kommen, vor der Generalsanierung Maßnahmen zu ergreifen. Kaum zu helfen ist nach Einschätzung von Brandl wohl dem großen Deckengemälde im Asamsaal. Den Riss, der sich durch das Bild zieht, nannte er "fast irreparabel".

Die frohe Botschaft, dass wenigstens der Hausschwamm im Asamgebäude inzwischen tot sei, konnte da wenig trösten, ebenso wenig der Unkenruf von Freisings Hochbauamtsleiter Wolfgang Jobst, der mit Blick auf die ohnehin enormen Kosten der Generalsanierung düster warnte, "die eine oder andere Überraschung" könne die Stadt da immer noch ereilen. Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher folgerte aus den Erkenntnissen des Dienstagnachmittags unwidersprochen, es sei "mehr als offensichtlich, dass es dieser Sanierung bedarf - speziell hinter dem Potemkin'schen Flügel".

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