Streetdance an der Isar:Wie einst in der Bronx

Beim "Streetdance-Festivaltag" lernen Jugendliche, wie Hip-Hop in den Siebzigerjahren auf den Straßen des New Yorker Stadtteils entstanden ist. Im Freisinger Tollhaus tanzen auch Mitglieder der Rocksteady-Crew.

Von Jenny Schößler, Freising

"Back to the roots" - Hip-Hop wie man ihn in seiner Entstehungszeit gelebt hat. Das wollte der Organisator "Mato" Kindern und Jugendlichen bei seinem "Streetdance-Festivaltag" im Jugendtreff Tollhaus an der Isarstraße in Lerchenfeld zeigen. "Ich will, dass die ganzen jungen Kids, die ich eingeladen habe, die Wurzeln vom Tanzen verstehen, dass es so, wie es hier ist, entstanden ist", erklärte Mato. Er heißt eigentlich Matijas Jelica, ist ein jung gebliebener Hip-Hop-Tanzlehrer, 37 Jahre alt, ziemlich ruhig und Held für seine ganzen kleinen Schützlinge.

Seit seiner Kindheit ist Mato in der Hip-Hop-Szene unterwegs und lebt die "Oldschool"-Werte der Musik. Es gehe dabei um Gemeinschaft, auf die Straße zu gehen und sich den Zorn und Frust von der Seele zu tanzen, statt ihn in Gewalt zu kanalisieren, wie er erklärt. Es gehe darum, sich einen Karton zum Sprayen, einen Ghettoblaster und Freunde mitzunehmen, um zwei, drei Stunden aus dem Haus zu kommen und was zu unternehmen.

Der gebürtige Freisinger hat sich zum Ziel gesetzt, diese Werte weiterzugeben und kurzerhand eine "Hip-Hop-Jam" auf die Beine gestellt. Zusammen mit dem Tollhaus/Actionhall-Team der Stadtjugendpflege, einem Stuttgarter DJ namens "Fayme", der Freisinger Streetdance-Gruppe "Souljahz of Style" und an die 60 Kinder und Jugendliche ließ er seine Jugendzeit wieder aufleben. Und zwischen all den deutschen Hip-Hoppern hatte er noch ein "klitzekleines" amerikanisches Highlight in petto: Mr. Wiggles und Sugar Pop, zwei der erfolgreichsten Streetdancer der Welt, landeten während ihrer derzeitigen Europatour direkt in Freising auf dem Streetdance-Fest. In den Siebzigerjahren machten die beiden Tanzurgesteine mit ihrer "Rocksteady Crew" aus New York den Break- und Streetdance erstmals in der Welt bekannt und bildeten damit die Grundlage für den heutigen Breakdance.

Dass sie einen Zwischenstopp in Freising oder überhaupt in Deutschland machen, war laut Organisator Mato gar nicht geplant. Erst auf seine Einladung hin ließen sich die gefeierten Tänzer dazu überreden, an der "Hip-Hop-Jam" teilzunehmen und für die Jugendlichen vorzutanzen.

Gegen halb sieben war es so weit. Der Leiter der Jam tauchte auf. Umringt von ehemaligen Kursteilnehmern von ihm, die ihm alle zu seinem 37. Geburtstag gratulierten, wurde er begrüßt. Es ist seine Veranstaltung, und was er sah, ließ ihn zufrieden nicken. Es waren nicht nur Jugendliche und Kinder, sondern auch Eltern mit ihren Kleinkindern gekommen. "Das hier ist halt eine Familienveranstaltung", rief er im Laufe des Abends lachend seiner Frau zu. Entgegen aller Hip-Hop-Vorurteile strahlte die ganze Veranstaltung wirklich etwas Familiäres aus: Sowohl die Männer der Streetdance-Gruppe als auch Mato wirkten wie Ersatzväter an diesem Abend. Mit einer Selbstverständlichkeit liefen die Kinder ihren Lehrern und Vorbildern in die Arme und redeten mit ihnen ohne einen Hauch von Scheu, jedoch immer mit einer Spur von Respekt in der Stimme.

Wirklich getanzt wurde in den ersten Stunden der Jam erst nur spärlich. Ab und an zeigten die ersten Tänzer auf dem Laminatboden vor dem DJ-Pult im Takt der Musik, was sie können. Gegen 20 Uhr aber sammelte sich so langsam eine Gruppe um die viereckige Tanzfläche herum an, die besonders guten Tänzern anerkennend zuklatschten. Anders als bei Battles, wie Mato erklärte, hat dort jeder die Möglichkeit, auch 20 mal in die Mitte zu gehen und zu tanzen, ohne Angst zu haben, nicht gut genug zu sein.

Das sein Vorhaben zieht, war an der Fülle von Menschen zu sehen, die zur Jam gekommen war. Ein Mädchen war aus Regensburg angereist, eine Gruppe Jugendlicher kam aus München. Die Frage, ob der eigentliche Gedanke des Organisators überhaupt bei den jungen Leuten angekommen ist, beantwortet der 14-jährige Ali mit "Ja". Er und seine Freunde wussten, dass es bei der Jam darum ging, Spaß zu haben und zu erfahren, wie die Ursprünge der Tanzszene aussahen. Deshalb seien sie auch extra nach Freising gefahren. Beim Fazit über die Veranstaltung sind sich Ali und sein 15-jähriger Freund Ozan einig: Die Atmosphäre sei angenehm, die Leute seien alle nett und die ganz große Stimmung komme hoffentlich noch - wahrscheinlich dann, wenn Mr. Wiggles und Sugar Pop die Tanzfläche betreten. "Hip-Hop verbindet einfach", wie Ali mit Blick über das Gelände noch hinzufügte.

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