Süddeutsche Zeitung

Videokonferenz zum Klimaschutz:Ein radikaler Wandel muss her

Biobauer Sepp Braun aus Freising und ein konventioneller Landwirt aus der Rhön fordern besseren Klimaschutz

Von Thilo Schröder, Freising/Nürnberg

Dass Landwirte sich mit Klimaaktivisten von "Fridays for Future" solidarisieren, wirkt eher ungewöhnlich. Die beiden Vertreter, die der Bund Naturschutz (BN) Bayern am Freitag zum Gespräch geladen hat, können daher als Pioniere ihrer Branche gelten. Vor dem Globalen Klimastreik diskutierten der Freisinger Biobauer Sepp Braun und sein konventionell arbeitender Kollege Mathias Klöffel vom Bauernverband aus dem Kreis Rhön-Grabfeld über stärkere Bemühungen im Klimaschutz. Einig waren sich beide, dass die Landwirtschaft einen "radikalen Wandel" forcieren müsse, angesichts ausgedörrter Felder und Monokulturen. Die Pressekonferenz fand als Videokonferenz per Zoom statt.

"Die Situation in der Land- und Forstwirtschaft ist dramatisch", sagte BN-Vorsitzender Richard Mergner. Es habe in vielen Regionen Bayerns seit Beginn der Corona-Beschränkungen kaum geregnet. Die sich abzeichnende Frühjahrstrockenheit - die dritte innerhalb von drei Jahren - zeige: "Der Klimaschutz muss nach dieser Krise an erster Stelle rücken." Die Staatsregierung und der Landtag müssten mehr investieren. "Wir sind noch weit von einem erneuerbaren Bayern entfernt." Wirtschaftsverbände forderten gar weniger Maßnahmen vor dem Hintergrund der Corona-Krise.

Es weht ein extrem kalter Ostwind

Die Folgen des Klimawandels spüren die Landwirte ganz konkret: Ein Drittel seiner Winteraussaaten sei erfroren, sagt Klöffel, auch derzeit wisse er nicht, ob die Saat aufgehe. "So ein Frühjahr wie heuer habe ich noch nicht erlebt, so unfruchtbare Böden, ausgedörrt durch den extrem kalten Ostwind." Es brauche deshalb innovative landwirtschaftliche Konzepte, fordert der Unterfranke. "Wir sind eine der wenigen, die das große Ganze im Blick haben - und sind dabei relativ erfolgreich. Aber wir stoßen bei dem Wetter momentan an unsere Grenzen."

Braun geht noch weiter, sieht nur im Systemwandel eine Chance, weiter Landwirtschaft zu betreiben. Die großflächige Agrarindustrie zerstöre die Erde. Es brauche eine partnerschaftliche, kleinteilige Flächennutzung. Dazu müssten Hecken und Wälder aufgeforstet werden, um wertvollen Humus aufzubauen. Vor allem aber, "um den Wasserkreislauf wieder in Gang zu bringen". Freising liegt auf der Münchner Schotterebene, erklärte er. Ab 20 Zentimetern Tiefe ende hier der Nährboden. "Da merkt man jetzt bereits, dass das Gras abstirbt." Denn zuletzt seien jährlich nur 800 Millimeter Regen gefallen. In Unterfranken gar nur 400 Millimeter, sagte Klöffel.

Vielerorts in Bayern ist der Grundwasserspiegel in den vergangen Jahren stark gesunken, Flächen sind zum Teil nicht mehr bewirtschaftbar. Andernorts werden Niedermoore trockengelegt, um sie für andere Zwecke zu erschließen. Auch das kritisieren Braun und Klöffel und fordern von Staat wie Bürgern, klimapolitisch an einem Strang zu ziehen. Sei es etwa beim geplanten Ausbau des Flughafens im Erdinger Moos oder eben der Vielfliegerei. Und, erinnert Braun: Auch Hochschulen, die sich auf Agrar- und Forstwissenschaften fokussieren, wie jene in Weihenstephan, stünden in der Verantwortung.

Klöffel erzählte, wie er in den vergangen Jahren von seinen 180 Hektar Land "über 100 Hektar mit einer Wildpflanzenmischung bepflanzt" habe. Das Projekt "Blühkulturen statt Mais" hat der Bauernverband mit dem BN vergangenes Jahr gestartet; die Pflanzen werden frühestens Ende Juli für die Biogasnutzung geerntet. Zudem habe er in Gewässerschutz und Nitratrückhaltevermögen investiert. Jetzt müsse er nur noch einmal im Jahr düngen. Das Projekt sei "bundesweit einzigartig", sagte er. Und genau darin sehen alle Beteiligten das Problem: dass zu wenig passiert. Nach der Corona-Krise, mahnen sie, dürfe man diesbezüglich nicht zurückfallen.

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SZ vom 25.04.2020/beb
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