Noch vor der offiziellen Eröffnung hat die „O₂ Surftown Muc“ einen ersten Bewährungstest bestanden. Die beiden Olympioniken Camilla Kemp und Tim Elter zeigten sich nach einem ersten Ritt über die Wellen begeistert von der Anlage in Hallbergmoos, ebenso der Deutsche Wellenreitverband, der das Becken künftig für Trainingszwecke nutzen will. Vielleicht finden dort sogar Wettkämpfe statt. Tom Kronenbürger, Vizepräsident des Verbands, hält das durchaus für möglich. Bis der Betrieb in der Surftown richtig losgeht, werden aber noch mehrere Wochen vergehen.
Einen genauen Termin wollten die Betreiber bei einem Pressetermin am Dienstag nicht bekanntgeben. Chris Boehm-Tettelbach, einer der Initiatoren, blieb vorsichtig. Ziel sei eine Eröffnung Ende Juli, bis zum Beginn der Olympischen Spiele in Paris. Das hieße: bis spätestens 26. Juli. Noch gibt es jede Menge zu tun, Handwerker sind mit dem Ausbau des wellenförmigen Gebäudes beschäftigt, in dem Gastronomie, Surfshop und Kursräume untergebracht werden. Von den Liegewiesen ist noch gar nichts zu sehen. „Die Bauzeitenplanung ist ein riesengroßes Mosaik“, sagte Boehm-Tettelbach. Im Becken aber schimmert schon türkisblaues Wasser – und wenn die Wellen rauschen, fühlte man sich fast ans Meer versetzt, wenn da die Bürogebäude in der Nachbarschaft nicht wären und die startenden Flugzeuge.
Einige Zahlen nannte Boehm-Tettelbach dann doch. Die Investitionskosten bezifferte er auf „gut über 40 Millionen Euro“. Finanziert werde die Surftown überwiegend von privater Seite, viele Surfer hätten sich beteiligt. In der Surfanlage selbst werden 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter Surflehrer und Rettungsschwimmer, tätig sein, inklusive Gastronomie werden es etwa 150 sein.
Im Becken können sich gleichzeitig bis zu 62 Surfer und über den Tag verteilt bis zu 700 Sportler aufhalten. Die Betreiber rechnen, bei entsprechendem Wetter, mit mehreren Hundert Besucherinnen und Besuchern am Tag. Geöffnet ist die Anlage das ganze Jahr. Bei Veranstaltungen ist die Surftown für bis zu 4000 Menschen ausgelegt, allein 600 finden auf der Tribüne am begehbaren Dach des Restaurants Platz.
Das bis zu 2,65 Meter tiefe und 180 Meter lange Becken wird nicht beheizt. Das wäre bei der Wassermenge gar nicht möglich, erklärte Boehm-Tettelbach. An diesem durchwachsenen Dienstag beträgt die Wassertemperatur 18 Grad. Nachhaltigkeit sei für ihn ein wichtiges Thema. Das Ziel sei eine komplette Versorgung mit erneuerbaren Energien durch eigene Photovoltaik-Module und eine Freiflächenanlage auf der anderen Seite der B301.
Zielgruppe der Surftown sind nicht nur gute Surfer, sondern auch Anfänger und Familien, das betonte Boehm-Tettelbach mehrmals. Ganz billig ist der Sport nicht. Eine „Session“ mit Equipment, Surflehrer, Einweisung und Nachbereitung, insgesamt etwa zwei Stunden, kostet 69 Euro.



Interessant ist die Anlage an der Lilienthalstraße im Munich Airport Business Park aber auch für Profis. In Hallbergmoos sollen künftig Trainingslager stattfinden. Tom Kronenbürger bezeichnete die Surftown als Eingangsweg in den Surfsport. Der sei in Deutschland ohnehin im Aufwind, viele Vereine gründeten sich. Einen zusätzlichen Schub erhofft er sich, weil sich mit Camilla Kemp und Tim Elter gleich zwei Deutsche für Olympia – und erstmals eine Surferin – qualifiziert haben. Auf Tahiti erwartet sie mit der Teahupo‘o „eine der gefährlichsten und schönsten Wellen zugleich“, sagte Tim Elter. Seine Ziele sind hochgesteckt: Er wolle eine Medaille holen, meinte er selbstbewusst. Auch Camilla Kemp strebt dies an. Der kleinste Fehler mache dort den Unterschied „vom Paradies zur Hölle“. Doch schon die geglückte Qualifikation beschrieb sie als unglaublich emotionales Erlebnis: „Das ist ein Moment, der für immer im Kopf leben wird.“

Was kann zwei Profis, die zu den weltweit besten Surfern zählen, eine Anlage wie die in Hallbergmoos bieten? „Hier herrschen perfekte Bedingungen auf Knopfdruck“, erklärte Chris Boehm-Tettelbach. Die Technik der Surftown ermöglicht es, ganz unterschiedliche Wellen zu produzieren. „Man kann ein romantisches Lied spielen oder aber Hardcore Metal.“ Seine Vision war, „das Meer nach München zu bringen“ – oder aber, weil das schwierig ist, „eine tolle Alternative“.
Vor Jahren sei er noch gegen solche Anlagen gewesen, gab Tim Elter zu. Das habe sich geändert. Jeder habe hier anders als im Meer die gleiche Welle, die gleiche Chance und könne sich „ausschließlich auf die Performance fokussieren“ und an seiner Technik feilen. Zudem sei es eine Möglichkeit, die Leidenschaft fürs Surfen weiterzugeben, fügte Camilla Kemp hinzu. Nachdem die beiden ihr Können auf den Wellen eindrucksvoll demonstriert hatten, meinte Elter: Hier „ist was ganz Revolutionäres für Deutschland entstanden“. Im Meer verbringe man viel Zeit damit, nach der richtigen Welle zu suchen, in einer Anlage wie der Surftown stehe man deutlich mehr auf dem Brett.