Traditionshandwerk:Wo es gärt im Kessel

Traditionshandwerk: Reinhold Lindermeier und seinem Bruder geht es nicht um Massenproduktion, sondern um Qualität. Ihren Kessel lassen sie in der "heißen Phase" des Schnapsbrennens nicht aus den Augen.

Reinhold Lindermeier und seinem Bruder geht es nicht um Massenproduktion, sondern um Qualität. Ihren Kessel lassen sie in der "heißen Phase" des Schnapsbrennens nicht aus den Augen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Reinhold und Richard Lindermeier brennen in Neufahrn Schnaps, Likör und Brand. Ihre meist händische Arbeit erklären sie staunenden Besuchern.

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Der ältere Mann kann es anscheinend nicht fassen. Ernten, waschen, entstielen, zerkleinern, einmaischen, brennen, versetzen, abfüllen, etikettieren. "Machen Sie das alles selbst?", fragt er ungläubig: "Haben sie da keine Hilfskräfte?" Reinhold und Richard Lindermeier lachen und drehen die Handflächen nach oben. "Das sind unsere Maschinen", sagen sie und schmunzeln. Sie würden es auch gar nicht anders wollen. Schließlich geht es den Brüdern beim Schnapsbrennen nicht um Massenproduktion, sondern um Qualität und die Pflege eines alten Handwerks. "Das ist einfach ein schönes Hobby", betont Reinhold Lindermeier, der mittlerweile auch Edelbrand-Sommelier ist.

Am Wochenende hatten er und sein Bruder gut zwei Dutzend Gäste in ihrer kleinen Brennerei auf dem Schusterhof in Fürholzen. Es waren Teilnehmer einer Veranstaltung der Volkshochschule. Dabei ist es nicht so, dass die Schnapsbrenner gerade besonders viel Luft hätten: Die Liköre für den Christkindlmarkt in Neufahrn müssen noch abgefüllt und etikettiert werden. Das Brennen dagegen ist für dieses Jahr abgeschlossen. Was aus dem großen Kessel herausgekommen ist, lagert jetzt zur Reifung in Ballons. Zeit für einen Rückblick auf die Saison, die unter dem Frost im Frühjahr gelitten hat: "Mirabellen und Zwetschgen waren heuer Mangelware", erzählt Reinhold Lindermeier. Quitten dagegen gab es mehr als genug: "Wir haben 1100 Kilo verarbeitet."

Nur bestes Obst kommt in den Kessel

Das Schnapsbrennen ist eine Arbeit, die Fingerspitzengefühl und Pedanterie erfordert. Das geht schon bei der Fruchtauswahl los: Das Obst muss eine gute Qualität haben, faulige und schimmelige Früchte werden aussortiert. Beim Einmaischen muss dann genau die richtige Menge Enzyme dazugegeben werden, damit sich das Obst zersetzt. Der pH-Wert muss eingestellt und die Hefe dosiert werden. Nach mehrwöchiger kontrollierter Vergärung wird gebrannt.

Vor gut zehn Jahren haben die Männer damit angefangen. In einem Nebengebäude auf dem "Schusterhof" steht ihre mehr als zimmerhohe Anlage: Ein dicker Kessel für bis zu 150 Liter Obstmaische und herum ein Gewirr aus Rohren, Leitungen und Ventilen. Temperatur und Druck müssen immer stimmen und es darf nicht zu schnell gehen. Sonst hat man am Ende "viel Alkohol und wenig Aroma" in der Flasche, erklären die Experten. Schnaps, Brand oder Likör soll aber tatsächlich nach der Frucht schmecken, aus der er hergestellt wird.

Traditionshandwerk: Wer bei einer Führung durch die Destillerie mitmacht, darf auch eine Kostprobe nehmen.

Wer bei einer Führung durch die Destillerie mitmacht, darf auch eine Kostprobe nehmen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Kontrollen vom Zoll sind "knallhart"

Die Brennerei wird vom Zoll streng kontrolliert. Mengen und Brennzeiten sind genau reglementiert. Verstöße werden rigoros geahndet. "Die sind da knallhart", sagt Reinhold Lindermeier. Aber auch die Brenner selbst lassen den Kessel in der "heißen Phase" nicht aus den Augen - spätestens seit dem Tag, als sie nur mal kurz Brotzeit machen wollten und ins Wohnhaus gegangen waren. Als sie zurückkamen, war der Vogelbeerbrand ausgelaufen: Zwei Liter Ausbeute aus 150 Liter Maische. Ausgerechnet Vogelbeere. Richard Lindermeier denkt mit Schaudern zurück: "Wenn man überlegt, wie viel Zeit man fürs Pflücken, Reinigen und Rebeln braucht, und dann läuft alles am Boden entlang - da kommt Freude auf".

Die Besucher nicken mitfühlend. Sie haben inzwischen ein Vorstellung bekommen, was Schnapsbrennen bedeutet. "Das ist echt ein Haufen Arbeit", stellt eine Frau beeindruckt fest, "und es ist eine Wissenschaft für sich." Entsprechend andächtig geht es dann bei den Kostproben zu. Auch bei den Profis haben die Lindermeiers schon wiederholt bestanden: Bei der bayerischen Obstbrandprämierung im vergangenen Jahr gab es zum Beispiel für sechs ihrer sieben eingereichten Brände Gold.

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