Nicht wegzudenken:Maroni-Verkäufer, fast vierzig Winter lang

Nicht wegzudenken: Schätzungsweise sechs Millionen Maroni hat Ferdinand Schreyer an seinem Stand in Freising verkauft. So ist es im Internet auf der Seite "Deutsch-to-go.de" zu hören, auf der dem Maronimann eine Geschichte gewidmet ist.

Schätzungsweise sechs Millionen Maroni hat Ferdinand Schreyer an seinem Stand in Freising verkauft. So ist es im Internet auf der Seite "Deutsch-to-go.de" zu hören, auf der dem Maronimann eine Geschichte gewidmet ist.

(Foto: Marco Einfeldt)

Der Maronimann kennt die Stadtgespräche der Freisinger. "Logisch, ich bin ja mittendrin", sagt Ferdinand Schreyer. Seit 39 Jahren steht er in der kalten Jahreszeit fast täglich mit seinen Öfen am Marktplatz.

Interview von Clara Lipkowski, Freising

Sie waren drei Freunde auf der Suche nach einem Job, um sich das Sozialpädagogik-Studium zu finanzieren, das war 1977. Ein Bekannter hatte dem Ferdinand, dem Helmut und dem Mike den Tipp gegeben, also suchten sie ein Maroni-Bratgerät. Bald hatten sie eines gefunden, für Maroni-Nachschub war auch gesorgt, der Verkauf konnte losgehen. Dass die beiden Freunde bald aus dem Geschäft ausstiegen, störte Ferdinand Schreyer nicht weiter. Und wenn es in der Vorweihnachtszeit doch einmal stressig wurde, half die Tochter mit und schnitt gegen Aufstockung des Taschengelds den ein oder anderen Zehn-Kilo-Sack voller Maroni für den Vater vor.

SZ: Herr Schreyer, Sie sind seit 39 Jahren im Winter nicht mehr aus dem Freisinger Stadtbild wegzudenken. Warum stehen Sie eigentlich immer an der gleichen Stelle vorm Bankhaus Sperrer?

Ferdinand Schreyer: Damals, als wir zu dritt angefangen haben, haben wir einen zentralen Platz in der Stadt gesucht. Jedes Jahr aufs Neue muss ich seitdem beim Ordnungsamt einen Antrag stellen, dass ich da wieder verkaufe. Mittlerweile müssen die beim Amt aber nur noch die Zahlen im Computer ändern. Der Sperrer ist auch sehr kulant, da hat's noch nie was gegeben. Ich achte nur drauf, dass ich nicht genau vor seinem Schaufenster steh'. Ganz wichtig ist auch: Ich darf nicht zu zugig stehen. Geht zu viel Wind, geht der Gasbrenner aus. Dann ist der Ofen aus, im wahrsten Sinne des Wortes.

Warum haben Sie damals mit dem Job begonnen? Ist der Maroni-Verkauf so einträglich?

Mit dem Maronigeld konnte ich mein Studium finanzieren und mit 20 habe ich dann mit dem Geld auch angefangen zu reisen. Da hat sich dann schon meine spätere Tätigkeit als Reiseleiter angedeutet.

Als Reiseleiter waren Sie jahrzehntelang in China und vor allem in Tibet unterwegs. Hat es Sie nie dort gehalten?

Nein, ich bin ja ein echter Freisinger, in Neustift geboren. Das war für mich immer klar, zurückzukommen. Länger als sechs Wochen am Stück war ich aber nie weg. Schon allein wegen der Familie.

Und dann folgt jährlich von Oktober an der Straßenverkauf. Was ist denn genau die Kunst des Maroni-Zubereitens?

Das Einschneiden ist ganz wichtig. Jeden Abend schneide ich drei Stunden von Hand. Eine Maschine akzeptiere ich nicht. Es gibt nur eine Weise, richtig einzuschneiden, nicht kreuzweise oder auf der Unterseite, nur oben im Halbbogen. So kann die Maroni am besten aufgehen und brennt nicht an. Nach etwa einer halben Stunde Braten ist sie dann fertig. Nach fast vierzig Jahren als Profi seh ich das. Wenn man das gelbe Innere sieht, schaut das einfach schön aus, das Auge isst ja mit. Die Schale entferne ich absichtlich nicht - sie ist ja eine hygienische Verpackung für die Kunden.

Sie machen einen vitalen Eindruck, macht Ihnen die Kälte draußen nicht zu schaffen?

Also eigentlich sollte ich ja die Legende aufrechterhalten, dass es mich friert, damit die Leut Mitleid mit mir haben und meine Maroni kaufen. Aber ich steh hinter zwei brennenden Öfen und die strahlen permanent aus. Ich habe also ständig Wärme. Im Gegensatz zu meinen Marktkollegen, die kaltes Gemüse verkaufen, hab ich es da eigentlich gut.

Und das lange Stehen?

Ja, natürlich war es früher leichter. Manchmal habe ich Probleme mit dem Kreuz, weil ich so bucklig arbeiten muss.

Immer alleine zu arbeiten - kommt da nicht auch mal Einsamkeit auf?

Nee. Wenn ich einschneide, also die Maroni zum Braten vorbereite, jeden Abend, höre ich Radio. Fernsehschauen kann ich da nicht, sonst würde ich mir selbst die Finger amputieren. Und beim Verkauf kommen ja immer die Kunden und außerdem ist in der Stadt auch immer was los. Jetzt sind ja nur noch Baustellen.

Und was für Stadtgespräche bekommen Sie mit?

Logisch, hört man so einiges, ich bin ja mittendrin. Die Leute erzählen mir so viel, da muss ich manchmal sagen, Du, ich muss jetzt arbeiten. Ich kann ja da nicht weg (lacht). Das gehört einfach dazu. Die öffentlichen Toiletten sind nie sauber genug, sagen viele Leute. Und natürlich kann die Stadt Freising überhaupt nichts richtig machen. Ich sag aber ganz wenig dazu. Das führt ja zu nix. Ich lass die reden, das ist ja auch 'ne Therapie. Nur kann ich dafür nix verlangen, ich bin zwar abgeschlossener Sozialpädagoge, aber das kann ich leider nicht abrechnen (lacht).

Sind Ihre Kunden denn sonst umgänglich?

Ich hab eigentlich fast nur Stammkunden von Alt bis Jung. Und da geht's fast nur über Qualität. Mit schlechter Ware brauch ich da gar nicht zu kommen. Beschwerden gibt's nur ganz selten. Die Kleinkinder im Kinderwagen: Das ist der große Test. Wenn die meine Maroni mögen, sind die ein Leben lang meine Kunden. Ich sag immer: Die Maroni machen süchtig. Wenn die Mama da nicht sofort pustet, schreien die, wenn sie's nicht sofort kriegen. Und dann essen die bis zu zehn Stück. Unglaublich, was da rein geht in so einen kleinen Körper.

Ist es für Sie ein Kompliment, Maronimann genannt zu werden?

Ja, es ist okay. Es ist so: Auf den Ton kommt es an. Das gehört dazu. Grad am Anfang aber war's gar nicht so einfach, sich als Maronibrater zu etablieren. Unsere Lehrer, früher, von der Fachoberschule, haben uns später nicht mehr gegrüßt, weil sie so enttäuscht waren, dass wir mit Fachabitur auf der Straße Maroni verkaufen.

Hatten Sie mal ein Jahr, in dem Sie gedacht haben: Keine Lust mehr, jetzt schmeiße ich hin?

Ja, allerdings. Das musste ich sogar. Vor fünf Jahren ungefähr hatte ich so schlechte Ware. Und mein Händler hat mich hängen lassen, der hat sie nicht zurückgenommen. Da hatte ich einen Schaden von 1500 Euro. Ich hab den Verkauf eingestellt. Da überlegt man sich schon, wie es weiter geht.

Haben Sie mal über einen anderen Straßenverkauf nachgedacht?

Wir hatten eine Idee, da wären wir die Ersten in Freising gewesen! Wir wollten im Herbst Äpfel sammeln und dann daraus frische Säfte verkaufen. Wir hatten auch schon einen Namen: Der Saftladen (lacht).

Aber am Ende war das doch zu teuer.

Sie sind jetzt fast 40 Jahre im Geschäft. Denken Sie ans Aufhören?

Ich mag keine runden Zahlen. Ich möchte mindestens 41 Jahre machen. Eigentlich will ich aber noch drei Jahre arbeiten, um meine Versicherungen und alles zu zahlen.

Und nach dem Maronibraten?

Da hab ich noch keine Pläne. Ich bin ja dann Rentner. Das lasse ich auf mich zukommen.

Mal ehrlich: Können Sie Maroni selbst überhaupt noch sehen?

Immer noch, ja. Aber wenn ich sie jeden Tag hab, muss ich nicht auch noch damit kochen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: