Das Tempo-30-Limit in der Bahnhofstraße steht vor einer ungewissen Zukunft: Die Kommunalaufsicht im Landratsamt hält sie für "rechtlich nicht haltbar" und erteilte dem Bauausschuss, der sie vergangenes Jahr beschlossen hatte, eine Rüge. Von "grober Fahrlässigkeit" ist da etwa die Rede. Der jetzt zuständige Ausschuss des neuen Gemeinderats machte in seiner jüngsten Sitzung aber deutlich, dass er das so nicht einfach hinnehmen will - weder den Tonfall der Kritik noch die Aufforderung, auf das Tempolimit zu verzichten. Zugleich dämpfte Bürgermeister Franz Heilmeier (Grüne) allerdings die Erwartung, "dass wir rechtlich locker Tempo 30 hinkriegen".
Die Verkehrssituation auf der viel befahrenen Bahnhofstraße ist seit Jahrzehnten ein großes Diskussionsthema: Rückwärts ausparkende Autofahrer, keine Radwege, besonders viele querende Fußgänger in Höhe des Ärztehauses, Raser - und das alles bei hohem Verkehrsaufkommen. Bei einer Zählung zwischen sechs und 20 Uhr wurden einmal 7000 motorisierte Fahrzeuge und dazu 700 Radler festgestellt. Immer wieder wurde laut über ein mögliches Tempolimit nachgedacht. Im Frühjahr 2019 reichte die SPD dann den Prüfungsantrag ein, ein halbes Jahr später wurde Tempo 30 beschlossen.
Eine Zählung zwischen sechs und 20 Uhr ergab einmal 7000 motorisierte Fahrzeuge und 700 Radler
Freilich hieß es schon damals, dass das Landratsamt die Anordnung wieder kassieren könnte. Denn die Polizei hielt die Reduzierung auf 20 Stundenkilometer ausschließlich im Bereich Marktplatz für ausreichend. Und das Landratsamt fand, dass vorrangig "bauliche Maßnahmen" in Erwägung gezogen werden sollten - also zum Beispiel Zebrastreifen. Der Ausschuss entschied sich mehrheitlich trotzdem für Tempo 30. Eine der drei Gegenstimmen kam von Bürgermeister Heilmeier als "Leiter einer Verwaltungseinheit", wie er damals betonte. Politisch gesehen sei er "nicht böse, wenn ich überstimmt werde".
Letztlich führte dann die Beschwerde eines Bürgers dazu, dass sich die Kommunalaufsicht eingeschaltet hat. Gemeinderäte müssten sich sorgfältig vorbereiten und "wenn ihnen die eigene Sachkunde fehlt", den Rat der Verwaltung oder von Fachbehörden einholen, erklärte die Aufsicht nun. Der Ausschuss habe sich dann aber über Empfehlungen bewusst hinweggesetzt. Es dürfte wohl von "grober Fahrlässigkeit, wenn nicht sogar von Vorsatz" auszugehen sein. "Zur Abwendung von Schaden für die Gemeinde und die betroffenen Ausschussmitglieder" empfehle man dringend eine neue Entscheidung.
Die Gemeinderäte ärgern sich darüber, dass ihnen die nötige Sachkunde abgesprochen wird
So eine "vage Drohung" sei völlig deplatziert, ärgerte sich Bürgermeister Franz Heilmeier (Grüne): "Ich sehe keinen Schaden, wenn Autos langsam fahren müssen." Es stehe der Kommunalaufsicht auch nicht zu, den Neufahrner Gemeinderäten Sorgfalt und Sachkunde abzusprechen. Der Ausschuss habe eben eine andere Abwägung vorgenommen. Sie hätten sich im Vorfeld ihres Antrags "viele Gedanken gemacht", betonte auch SPD-Fraktionssprecherin Beate Frommhold-Buhl. Eben deshalb habe man auch ausdrücklich nicht eine Tempo-30-Zone beantragt, für die andere Voraussetzungen gelten, sondern eine streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung. An dieser wolle sie auch festhalten "wenn es irgendwie geht".
Bestätigte fühlte sie sich nicht zuletzt auch durch eine ausführliche Stellungnahme des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ADFC, der dargelegt hatte, dass die derzeitige Anordnung durchaus rechtskonform und die Geschwindigkeitsbeschränkung "zwingend notwendig" seien. So sah das auch Christa Kürzinger von der CSU. "Ich habe teilweise wirklich Angst auf der Bahnhofstraße", betonte sie in der Sitzung. Womöglich könne man ja eine abschnittsweise Geschwindigkeitsreduzierung durchsetzen, überlegte Julia Mokry (Grüne). In der nächsten Ausschusssitzung soll das Thema wieder auf die Tagesordnung kommen.