Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Mit dem Bus in den Landkreis:Neufahrner Gemeinderat Florian Pflügler: "Vater von zwei Buslinien"

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Für den Neufahrner ÖDP-Gemeinderat Florian Pflügler ist der öffentliche Nahverkehr ein Baustein für das Gelingen der Verkehrswende. Dazu braucht es einen guten Mix, denn die Vorlieben der Bürger sind verschieden.

Interview von Alexandra Vettori, Neufahrn

Der Neufahrner Gemeinderat Florian Pflügler (ÖDP) war der Ideengeber für zwei Buslinien in seiner Gemeinde. Denn ohne Verkehrswende kein Klimaschutz, so seine Meinung.

SZ: Wie kamen Sie zu dem Hobby, Buslinien zu initiieren?

Pflügler: Wir brauchen dringend eine Verkehrswende und der Busverkehr ist ein Baustein. Schon in den Neunzigerjahren waren die wissenschaftlichen Aussagen zum vom Menschen verursachten Klimawandel klar. Das war für mich der Anstoß, mich politisch zu engagieren. Noch vor der Jahrtausendwende habe ich mit dem Arbeitskreis Energie der Agenda 21 die ersten Solarstromanlagen in Neufahrn errichtet. Eine auf dem Hausmeisterhaus des Oskar-Maria-Graf-Gymnasiums und eine auf einem Gebäude unseres Freizeit- und Erlebnisbades Neufun. Neben der Energieversorgung spielen beim Klimawandel Konsum und Mobilität eine wichtige Rolle. Bei der Mobilität bin ich nicht nur ein Bus-Fan. In der ÖDP-Kreisgruppe haben wir uns zusammen mit ökologischen Verkehrsclubs um eine Zugverbindung von Freising über Langenbach nach Zolling bemüht. Dass das umsetzbar wäre, haben wir mit Sonderfahrten an einem Samstag gezeigt. Wir haben einen Dieseltriebzug mit Lokführer gemietet und sind einen Tag lang gefahren. Aber die sauberste Fortbewegung ist natürlich die mit dem Rad, anderen modernen Mobilitätshilfen und zu Fuß.

Kommt Bussen bei der Verkehrswende besondere Bedeutung zu?

Nein, eine Verkehrswende hin zu klimafreundlichen Verkehrsmitteln braucht einen guten Mix, denn die Präferenzen der Bürger und Bürgerinnen sind verschieden. Innerorts ist das Fahrrad meist das schnellste Verkehrsmittel, aber nicht allen das liebste. Für die Verkehrswende braucht man das ÖPNV-Angebot genauso wie bessere Fuß- und Radwege, Car- und Bikesharing. Auch Lastenfahrräder müssen bei der Verkehrsplanung mehr berücksichtigt werden. Die bestehenden Querungshilfen sind für diese genauso unzulänglich, wie für Fahrräder mit Anhänger. Auch bei Fahrradstellplätzen an den P+R-Anlagen fehlen Abstellmöglichkeiten für moderne Zweiräder. Ein großer Vorteil von Bussen ist, dass neue Linien viel schneller realisiert werden können als im schienengebundenen Personennahverkehr.

Sie sind "der Vater" zweier Buslinien in Neufahrn. Wie kam das?

Für den Ausbau des ÖPNV habe ich mich von Anfang an eingesetzt. Aber in den früheren Wahlperioden waren nur sehr kleine Schritte mehrheitsfähig. Zum Beispiel verkehrte die Buslinie 690 vom Neufahrner Bahnhof über Eching zum Garchinger Forschungszentrum lange nur Montag bis Freitag von 6 bis 20 Uhr. Das einzige, was bei der Ausdehnung der Betriebszeiten machbar war, war gerade mal ein Beschluss für acht Samstagsfahrten nach Eching und Garching. Bei der Planung der Linie 692 ab 2015 war mein Vorschlag für einen Sieben-Tage-Betrieb bis nach Mitternacht dagegen leicht mehrheitsfähig. Und mein Gemeinderatsantrag im Mai zur Buslinie in die nördlichen Ortsteile, voraussichtlich mit der Liniennummer 694, wurde sogar einstimmig beschlossen.

Bei der Ortsbuslinie 692 haben Sie ja einiges an Kritik einstecken müssen...

Ich habe E-Mails erhalten und es gab viele Leserbriefe. Verschiedene Bürgerinitiativen forderten jeweils Linienwege, die gerade nicht bei ihnen vor der Haustür verlaufen. Ein Bürger setzte sogar den Bund der Steuerzahler auf die Linie 692 an. Dabei ist aber nie etwas herausgekommen. Positive Rückmeldungen waren seltener und meist nur an mich gerichtet, nicht öffentlich. Die Kritik einer starken Verkehrsbelastung durch die Busse kann ich schwer nachvollziehen. Selbst in den kleineren Nebenstraßen, die vom Bus befahren werden, haben wir ein Verkehrsaufkommen von mindestens 400 Fahrten pro Tag. Da denke ich, spielen zusätzlich 20 Busfahrten pro Tag keine große Rolle. Die Busfahrten können ja auch PKW-Fahrten ersetzen. Die Kritik könnte auch durch die großen Busse in kleinen Nebenstraßen motiviert sein. Das soll sich nach jetzigem Planungsstand ändern. Für die Linie 692 ist ein neues Konzept vorgesehen, das zum Fahrplanwechsel im Dezember 2021 umgesetzt werden soll. Dann fahren die Busse der Linie 692 nicht mehr so weit in den Neufahrner Süden und nicht mehr in die besonders kleinen Straßen. Außerdem wird die Anbindung an die S8 viel schneller. Es wird Richtung Hallbergmoos nicht mehr nur den Weg über das Gewerbegebiet Römerweg/Kino geben, sondern auch eine direkte Verbindung aus dem Neufahrner Süden zur S8 über die Grünecker Straße. Damit kann man mit dem Bus in weniger als zehn Minuten zur S8 fahren.

Ihr neues Projekt ist die Linie 694. Wie sieht die aus?

Die Linie soll im Stundentakt die nördlichen Ortsteile mit Neufahrn, einschließlich des Südens, verbinden. Nach derzeitiger Planung reicht ein Kleinbus, der 30 bis 40 Fahrgäste aufnehmen kann. Mit dem werden die kleineren Straßen bedient, die aus der heutigen Linie 692 genommen werden. Für die Linie 694 ist ein Ring, ähnlich dem jetzigen 692er Ring, im Neufahrner Süden geplant. Von Bahnhofstraße, Galgenbachweg und Kurt-Kittel-Ring bis Massenhausen fährt der Bus im Zwei-Richtungs-Verkehr. In den kleineren Ortsteilen ist ein Ring geplant, der sich mit der Rückkehr nach Massenhausen schließt.

Kritik gibt es da aber wohl kaum oder?

Tatsächlich habe ich nur positive Rückmeldungen erhalten. Das kann nicht nur an dem kleineren Bus liegen. Ich glaube, dass diese Veränderungen in nur drei Jahren auch mit einer Verkehrswende in den Vorstellungen der Menschen zu tun hat.

Haben Sie da auch ein paar Ideen für die Verkehrswende im Münchner Norden?

Ja, wir brauchen dringend den Bahnausbau. Die Linie S1 liegt in der Rangfolge der verspätungsanfälligsten Linien ganz weit vorne. Die Strecke ist völlig überlastet. Außerdem hat die S1 den ungünstigsten Streckenverlauf. Wenn man von Neufahrn nach München möchte, sollte man sich nach Süden bewegen. Die S1 fährt aber sehr weit nach Westen um Nymphenburg herum und dann erst in West-Ost-Richtung zur Innenstadt. Von Neufahrn zum Marienplatz haben wir 20 Kilometer Luftlinie, die S-Bahn fährt aber 32. Kommunen im Osten oder Westen haben unschlagbar schnelle S-Bahn-Fahrzeiten nach München. Ich habe mich bei den Ausbauplanungen für die Bahn im Großraum München für das Konzept von Vieregg-Rössler eingesetzt. Das sieht eine Abzweigung zwischen Neufahrn und Eching nach Süden vor und erreicht über mögliche S-Bahnhaltestellen in Garching, Schwabing-Nord und Münchner Freiheit das Münchner Zentrum viel schneller als über die heutige "Einkreisungsstrecke" im Westen. Die Verlängerung der U6 nach Neufahrn unterstütze ich sehr, auch wenn die Fahrzeit nicht so attraktiv kurz wäre wie die der genannten S-Bahn. Eine schnelle Verbesserung der Fahrzeit von Neufahrn nach München könnte man durch einen Regionalzughalt in Neufahrn erzielen. Das ergäbe statt der S-Bahnfahrtzeit von über einer halben Stunde eine Verkürzung auf gut eine Viertelstunde. Die Idee haben wir im Sommer 2018 dem Verkehrsministerium vorgeschlagen. Sie wurde leider abgelehnt.

Und wo hakt es im Landkreis?

Für einen attraktiven ÖPNV, der auch viele Fahrgäste über den Schülerverkehr hinaus gewinnt, braucht es einen Taktverkehr. Der fehlt aber bei vielen Linien noch. Bei Bushaltestellen mit höherem Verkehrsaufkommen sollten auch aktuelle Daten angezeigt werden, so wie man das von Zugzielanzeigern an Bahnhöfen kennt .

Haben Sie selbst ein Auto?

Wir erledigen unsere Einkäufe mit dem Fahrrad. Mit einem Radlkorb sind gute Mengen möglich. Wenn wir noch größere Einkäufe haben, verwenden wir zusätzlich unseren Radlanhänger. Wir sind einfach begeisterte Radler. Unsere Kinder haben schon vor dem dritten Geburtstag Fahrradfahren gelernt. Für sie ist für alle innerörtlichen Fahrten und auch bis zu zehn Kilometer das Fahrrad die selbstverständliche Wahl. Manchmal brauchen wir aber auch ein Auto. Deshalb sind wir seit 2002 Mitglied beim Verein Stadtteilauto Freising und buchen ein Auto bei Bedarf. In den Urlaub verreisen wir meistens mit der Bahn.

Die Lokalausgaben der Süddeutschen Zeitung suchen im Oktober gemeinsam mit dem MVV den Busfahrer oder die Busfahrerin des Jahres. Teilnahmecoupons liegen in allen Regionalbussen aus. Ihren Favoriten oder ihre Favoritin können Fahrgäste aber auch per Mail vorschlagen: busfahrer-aktion@mvv-muenchen.de.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2019
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