Süddeutsche Zeitung

Neustart im Neufahrner Kino:Schlimmer als eine Fußball-WM

Am Wiedereröffnungsabend sind nur wenige Gäste im Neufahrner Cineplex. Das Kinoteam kann so "ein bissl üben"

Von BIRGIT GRUNDNER, Neufahrn

Ein Parkplatz direkt vor der Tür, das Foyer leer, im Saal mit seinen 160 Plätzen sind dann neben der Reporterin noch acht Besucher, wegen der Abstandsregeln großzügig verteilt - es fällt schwer, den Kino-Neustart im "Cineplex" Neufahrn am Donnerstag in einem Wort zu beschreiben. Strange, befremdlich, gespenstisch? Am Wochenende werde es nicht viel anders sein, sagt Geschäftsführerin Veronika Fläxl. Es ist ein Verlustgeschäft und eine Situation, für die sie selbst nur einen Vergleich findet: "So ein schlimmes Ergebnis haben wir nicht mal während einer Fußball-Weltmeisterschaft."

Sie hatte es freilich nicht viel anders erwartet, aber "gar nicht aufzumachen, war auch keine Option für uns". Dem Neustart in stark reduziertem Tempo kann Fläxl zumindest etwas Positives abgewinnen: "Wir müssen ja auch bissl üben." Denn "am Reißbrett" sehe das mit den Abstands- und Hygieneregeln womöglich anders aus als in der Realität, und die neuen Arbeitsabläufe seien noch ungewohnt.

Am Wiedereröffnungsabend waren dann vier Mitarbeiter im Einsatz. Den ersten trifft man an der Kasse. Verkauft werden die Eintrittskarten momentan zwar nur online, anders als früher muss man dabei auch für jedes Ticket den Namen und die Adresse des jeweiligen Besuchers eintragen. Aber der Mann mit dem Face Shield hinter der Plexiglasscheibe muss den QR-Code auf dem Handy noch scannen.

An der Theke im ersten Stock gibt es Popcorn momentan nur doppelt verpackt: Über die Papiertüte ist eine zweite als "Deckel" gestülpt. Strohhalme für abgezapfte Getränke gibt es erst an der Kasse. Was auch auffällt: Die Haupteingangstüren zu den Toilettenbereichen stehen offen, damit niemand sie anfassen muss. Das Gebläse zum Händetrocknen ist deaktiviert, es liegen Einweghandtücher aus. An mehreren Stellen im Kino stehen Desinfektionsspender.

Die Zahl der Besucher ist überschaubar

Die Zahl der Besucher, die das alles auch nutzen könnten, ist am ersten Abend überschaubar. Über alle Vorstellungen verteilt sind es exakt 165. Die Masken muss man auch in den Sälen auflassen - außer wenn man etwas isst oder trinkt. Die Versuchung, 90 Minuten lang dahinzuknabbern, ist zugegebenermaßen groß. Dass selbst bei einer Komödie wie "Das perfekte Geheimnis" nur ein paar Zuschauer - sprich: alle in Saal 2 - lachen, ist gewöhnungsbedürftig.

Die meiste Zeit wirkt der Komplex am Donnerstagabend fast menschenleer, damit fehlt auch die gewohnte Geräuschkulisse. Bis einschließlich Sonntag erwartet Veronika Fläxl höchstens 500 Besucher. An einem normalen Juni-Wochenende - dabei wird immer Donnerstag bis Sonntag gerechnet - wären es nach ihren Angaben bis zu 6000, wenn das Wetter schlecht ist. So viele könnten derzeit freilich ohnehin nicht rein. Nur etwa ein Viertel der insgesamt 1440 Sitzplätzen kann vergeben werden. Bei jeder Online-Buchung werden die umliegenden Plätze automatisch geblockt.

Aber viele potenzielle Besucher scheinen ohnehin noch verunsichert. Nicht so die vier Freunde, die am Eröffnungsabend aus Saal 2 kommen: "Wegen all der Maßnahmen hatte ich wirklich ein sicheres Gefühl", betont eine der beiden Frauen, und "es war schön, mal wieder ins Kino gehen zu können". Hoffentlich würden das jetzt auch viele machen "und damit auch das Kino unterstützen".

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SZ vom 20.06.2020/beb
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