Süddeutsche Zeitung

Bayern:Ein Kandidat, wie ihn die CSU noch nicht hatte

Früher war er "der Deutschländer" oder halt "der Ausländer", jetzt ist Ozan Iyibas der erste muslimische Bürgermeisterkandidat der CSU.

Von Birgit Grundner

Schwer zu sagen, wie oft Ozan Iyibas das in den vergangenen Wochen erklärt hat: Dass er Alevit sei, das christliche Menschenbild "verinnerlicht" habe, seine türkische Herkunft nicht verleugnen wolle, aber womöglich "bayerischer als mancher Bayer" sei. "Alle 15 Minuten" habe er Interviews gegeben. Und das alles schon vor dem Wahlkampf.

Allein das unbestätigte, wenn auch keineswegs aus der Luft gegriffene Gerücht, dass er in Neufahrn bei Freising CSU-Bürgermeisterkandidat werden will, hatte den 37-jährigen Unternehmensberater zum mindestens bayernweit gefragten Gesprächspartner gemacht. Das wird womöglich auch noch eine Zeit lang so bleiben. Denn das sehr säkulare und liberale Alevitentum gilt als islamische Konfession und Ozan Iyibas ist somit jetzt - nach seiner offiziellen Nominierung durch den Neufahrner Ortsverband - der erste muslimische Bürgermeisterkandidat der Partei, die das Wort "christlich" in ihrem Namen trägt.

"Es zeigt halt doch, dass in Bayern heute alles möglich ist"

Ein anderer hätte ihm zuvorkommen können. Der Bewerber im schwäbischen Wallerstein hat aber einen Rückzieher gemacht, wegen der Widerstände in der eigenen Partei. Ozan Iyibas sagt nicht, dass er niemals Gegenwind bekommen hätte. Auf Kreisebene sei das passiert. Auch Leute, mit denen er befreundet war, hätten ihn dabei enttäuscht. Aber im Neufahrner Ortsverband habe er anderes erlebt. Die 32 Mitglieder, die zur Nominierungsversammlung gekommen sind, haben ihm dann auch geschlossen ihre Stimmen gegeben, und CSU-Generalsekretär Markus Blume konstatierte zufrieden, "Es zeigt halt doch, dass in Bayern heute alles möglich ist." Die Vorgeschichte zeigt Ozan Iyibas aber auch, dass manches, was in seinen Augen längst selbstverständlich sein sollte, eben doch noch ein Diskussionsthema ist. Dass er von vielen auf seine Herkunft und seinen Glauben reduziert worden sei, "macht mich schon nachdenklich".

Die Eltern - eine Krankenschwester und ein Schweißer - waren vor seiner Geburt nach Deutschland gekommen. Ihre drei Kinder hätten sie früh zur Aufgeschlossenheit erzogen, erzählt Iyibas, die Mutter sei mit ihnen auch in die Kirche gegangen. Sie wollte, dass sie Werte, Kultur, Traditionen, Brauchtümer und Religion des Landes kennenlernten, in dem sie wohl ihr ganzes Leben verbringen werden. Ozan Iyibas erzählt das auch in seiner Bewerbungsrede - im ersten Teil. Im zweiten geht es dann um sein Wahlprogramm für den Ort, in dem er seit seiner Geburt lebt. "Ab sofort", sagt er, sollten doch bitte auch Inhalte im Vordergrund stehen.

2007 trat er der CSU bei

Bevor es für ihn wegen seiner Kritik an Präsident Recep Tayyip Erdogan "schwierig" wurde, in die Türkei zu reisen, sei er dort immer "der Deutschländer" gewesen, und in Deutschland dann wieder "der Ausländer". Jetzt wolle er "Heimatländler" werden, und Heimat sei nun mal da, "wo es mir gut geht". Also in Bayern und Neufahrn, einer Großgemeinde vor den Türen Münchens mit mehr als 20 000 Einwohnern. Bestimmt 20 Prozent haben eine Migrationsgeschichte.

Politische Heimat war für Iyibas schon lange die CSU. 2007 ist er beigetreten und hat dort - neben seiner Tätigkeit bei einer Bank und dem Studium - "klassisch" Karriere gemacht: Schriftführer im Ortsverband, stellvertretender Ortsvorsitzender, Beisitzer im Kreisvorstand. Schließlich ein Platz auf der Landesliste für die Europawahl, der Landesvorsitz beim CSU-Arbeitskreis Migration und Flüchtlinge und die Berufung in den Landesparteivorstand. Dem örtlichen Gemeinderat gehört Iyibas seit 2014 an. Auf der CSU-Liste für die Kommunalwahl im März ist er Spitzenkandidat - und nun auch Bürgermeisterkandidat.

Er ist einer von insgesamt fünf Bewerbern , die den ebenfalls wieder kandidierenden Amtsinhaber Franz Heilmeier von den Grünen gerne ablösen würden. Die Grünen hatten vor Jahren übrigens auch schon einmal einen Bürgermeisterkandidaten mit türkischen Wurzeln. So berühmt wie der jetzige CSU-Bewerber ist er damit nicht geworden.

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