Hommage an Käthe Winkelmann:„Sie musste viel aushalten“

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In einem Zeitzeugengespräch mit Ernest Lang (2. von links) erinnern Sohn Ingolf Winkelmann (3. von links), ihr früherer Mitarbeiter im Neufahrner Rathaus Ludwig Grundner (4. von links) und Paul Maisberger (links) an Käthe Winkelmann. (Foto: Marco Einfeldt)

Mit warmen Worten erinnern sich die Neufahrner bei einer Veranstaltung an Käthe Winkelmann, die 1964 zur ersten bayerischen Bürgermeisterin gewählt wurde.

Von Francesca Polistina, Neufahrn

Eine wichtige Frage kommt zum Auftakt der Veranstaltung: Hieß es damals Frau Bürgermeister oder Frau Bürgermeisterin? „Frau Bürgermeister!“, sagt jemand aus dem Publikum, und tatsächlich ist in einem Beitrag vom Bayerischen Rundfunk aus dem Jahr 1964 vom „ersten weiblichen Bürgermeister in Bayern“ die Rede. Anders hätte es wahrscheinlich nicht sein können: Eine Frau an der Spitze einer Gemeinde hatte es in Bayern bis dahin nicht gegeben, was Käthe Winkelmann aus Neufahrn bei Freising in diesem Sommer vor 60 Jahren betrat, war nichts weniger als Neuland. Andere Zeiten könnte man meinen. Doch wenn man bedenkt, dass immer noch weniger als zehn Prozent der deutschen Kommunen von Frauen geführt werden, erscheint die Figur der Käthe Winkelmann schon ein bisschen heldenhaft.

Und es ist ein interessanter Zufall, dass an einem nebligen Dienstagabend, an dem die Amerikaner die Möglichkeit haben, zum ersten Mal eine Frau zur US-Präsidentin zu wählen, sich die Neufahrnerinnen und Neufahrner im Gasthof Maisberger treffen, um sich an ihre eigene „Frau Bürgermeister“ zu erinnern. Viele im Saal haben die 1992 verstorbene Winkelmann noch kennengelernt, auf der Veranstaltung sind durchaus warme Worte zu hören.

Denn für die Gemeinde Neufahrn hat Käthe Winkelmann viel getan: Sie hat die erste Kita eröffnet, den Kosmetikhersteller Avon nach Neufahrn geholt und damit den zeitweise größten Arbeitgeber des Landkreises, das unglaubliche Wachstum der Gemeinde auch baulich gesteuert und das kulturelle Leben gefördert. Ohne ihre engen Mitarbeiter in der Verwaltung wäre dies nicht möglich gewesen, das ist klar, dennoch hat Winkelmann den Wandel von einem Bauerndorf zu einer urbanen Gemeinde koordiniert und geleitet.

Sie riskierte die Amtsenthebung

Einer dieser engen Mitarbeiter ist der langjährige Leiter des Bauamtes Ludwig Grundner. Er erinnert sich an die wirklich täglichen Besprechungen mit Winkelmann, an die vielen Kräne, die am Himmel von Neufahrn zu sehen waren, an diese Aufbruchsstimmung. Auch Paul Maisberger, der damals im Gemeinderat für die SPD saß, hat noch Erinnerungen. „Sie musste viel aushalten und hat viel ausgehalten“, sagt er. Denn angefeindet – zum Beispiel als „ferngesteuertes altes Weib“ – wurde Winkelmann definitiv.

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Vor 60 Jahren wurde Käthe Winkelmann in Neufahrn zur ersten Bürgermeisterin Bayerns gewählt. Sie trat an in einer Zeit, als Kommunalpolitik noch reine Männersache war – und wurde zur Anführerin der Bürgerinitiativen gegen den Münchner Flughafen.

Von Francesca Polistina

Ob sie zu Hause von den Anfeindungen gesprochen hat? „Überhaupt nicht“, sagt ihr Sohn Ingolf Winkelmann. Ob sie Angst vor einer Amtsenthebung hatte, etwa wegen ihrer Gegnerschaft zum Flughafen? „Keineswegs!“, so der Sohn weiter, obwohl sie einer Amtsenthebung schon ziemlich nahe war. Nun fällt es aber schwer zu denken, dass der unglaubliche Druck, unter dem Winkelmann als Schirmherrin der Bürgerinitiativen gegen den Münchner Flughafen im Erdinger Moos stand, spurlos an ihr vorbeiging. Das Bild, das Winkelmann nach außen vermitteln wollte, war aber offenbar das einer starken und entschlossenen Persönlichkeit – mit der Rolle der liebevollen Oma, die Pralinen schenkt, wollte sie zumindest im Rathaus nichts zu tun haben.

Stark und entschlossen war Käthe Winkelmann. (Foto: FRS/FRS)

Ernest Lang vom Heimat- und Geschichtsverein, der den Abend organisierte, erinnert sich zum Beispiel, dass Winkelmann sich manchmal beschwerte, wenn er, damals ein junger Journalist, über unerfreuliche Diskussionen oder Entscheidungen im Gemeinderat berichtete. Sie wollte stets das Positive im Mittelpunkt haben, sagt er, „sie konnte sich gut verkaufen“. Mit Erfolg: Zweimal wurde Winkelmann, die lange keiner Partei angehörte und erst nach ihrer Amtszeit Gründungsmitglied der Grünen im Landkreis Freising war und dann in die ÖDP eintrat, wiedergewählt. 13 Jahre lang blieb sie Bürgermeisterin, ehe sie 1977 aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat. Nicht, ohne zuvor die Ortsgeschichte entscheidend geprägt zu haben.

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