Süddeutsche Zeitung

Archäologischer Fund in Neufahrn:Skelette im Pfarrgarten

Lesezeit: 2 min

Archäologen graben die Gebeine dreier Menschen aus dem Frühmittelalter aus. Es könnten Zeitgenossen des Isanperht sein, der 804 in der ersten urkundlichen Erwähnung vorkommt.

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Es klingt wie eine Schlagzeile: Im historischen Dorfkern von Neufahrn sind drei vollständig erhaltene Skelette gefunden worden. Wie es aussieht, steckt aber kein Verbrechen dahinter, eine Sensation ist es dennoch. Denn die Funde stammen vermutlich aus dem Frühmittelalter um das Jahr 800 und damit aus der Zeit des ersten urkundlich bekannten Neufahrners Isanperht. Am 16. Juni 804 hat dieser Isanperht aus "Niuuiura" dem Freisinger Bischof Atto ein kleines Gut geschenkt, und das wurde damals auch schriftlich fixiert.

Bei den Skeletten könnte es sich durchaus um Zeitgenossen von Isanperht gehandelt haben. Sie wurden einst auf einem Grundstück beigesetzt, das wohl Teil des frühmittelalterlichen Dorfes Neufahrn war, und auf dem Jahrhunderte später der alte Pfarrhof errichtet wurde. Dieser wurde wiederum im vergangenen Januar abgerissen, bis Jahresende sollen auf dem 3000 Quadratmeter großen Areal am Pfarrweg 28 Wohnungen entstehen. Demnächst beginnt der Aushub für eine Tiefgarage. Davor durften aber die Archäologen ran.

Einer der Männer hatte eine Figur wie ein Bodybuilder

Was sie entdeckten, regt zweifellos die Fantasie an: Die Skelette stammen von einer Frau, die wohl zwischen 30 und 50 Jahre alt und möglicherweise krank war, sowie von einem älteren und einem jüngeren Mann. Letzterer muss den ersten anthropologischen Untersuchungen zufolge "eine Figur wie ein Bodybuilder" gehabt haben. Das erzählte Grabungsleiter Bernhard Grün, der für das Büro Neupert, Kozik und Simm tätig ist, dem Neufahrner Historiker Ernest Lang.

Dieser verfolgt das Geschehen nicht nur als Nachbar des alten Pfarrhofs mit großem Interesse, sondern auch als Kenner der Ortshistorie und Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins. "Die Funde der Archäologen und die alten Aufzeichnungen in den 'Freisinger Traditiones' ergänzen sich und erhärten die bajuwarische Frühgeschichte von Neufahrn", freute sich Lang.

Die Toten waren wahrscheinlich Christen

Laut Bernhard Grün waren die drei Toten mit hoher Wahrscheinlichkeit Christen. Darauf weise ihre Bestattung - auf dem Rücken liegend mit dem Blick nach Osten - hin. Daneben fanden die Archäologen unter der wissenschaftlichen Leitung von Bianca Grün auch Spuren von mindestens zwölf Grubenhäusern. Brunnen und unzählige Pfostenlöcher wurden ebenfalls sichtbar, als die Humusschicht abgeschoben war. Die etwa 2,5 mal vier Meter großen Häuser sind in Ost-West-Richtung angeordnet - mit der Schmalseite gegen die Windrichtung. "In diesen kleinen Häusern konnte Wärme gut gespeichert werden", weiß Ernest Lang.

Auch wenn das erste schriftliche Zeugnis über Neufahrn aus dem Jahr 804 stammt: Frühere Ausgrabungen belegen, dass die Gegend um Neufahrn lange vorher besiedelt war. "Zwei Römerstraßen kreuzen sich hier, es gibt Siedlungsspuren aus der Kelten und Römerzeit", erläutert Lang weiter. "Ganz offensichtlich ist unsere Gegend schon seit mehr als 2500 Jahren durchgehend besiedelt." Vor zwei Jahren wurden am Kornblumenweg - auf einem Nachbargrundstück des alten Pfarrhofs - ebenfalls Funde gemacht: drei Grubenhäuser aus dem Frühmittelalters, ein Brunnen, Eisenschlicke und Pfostenlöcher. Eben deshalb ordnete das Landesamt für Denkmalpflege an, dass nach Bodendenkmälern gesucht werden müsse, bevor das Pfarrhof-Areal neu bebaut werden darf. Was die Experten gefunden haben, wird nach der Auswertung in einem Bericht für die Nachwelt festgehalten. Wenn wieder öffentliche Veranstaltungen stattfinden können, plant der Heimatverein einen Vortrag in Zusammenarbeit mit der Kreisarchäologin Delia Hurka, welche die Grabungen begleitet.

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SZ vom 12.04.2021
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