Süddeutsche Zeitung

Neues Feinstaub-Messgerät im Einsatz:Erschreckende Belastung

Ein Bürgerverein misst hohe Konzentrationen von Ultrafeinstaubpartikeln in der Luft und macht den nahen Flughafen dafür verantwortlich. Laut der Lungenärztin Adelheid Bisping-Arnold sind Feinststäube "hochgefährlich und hochbrisant".

Von Johann Kirchberger, Freising

Die Daten der bisher rund um den Flughafen gemessenen Ultrafeinstaubbelastungen sind kompliziert und für Laien nur schwer zu verstehen. Das neue, aus Spenden angeschaffte Messgerät des Bürgervereins nämlich zählt Partikel, die kleiner als ein- bis 0,02-tausendstel Millimeter sind. Die Ergebnisse seien zudem abhängig von Windrichtung und Windstärke, sagte Wolfgang Herrmann bei einer Versammlung im vollbesetzten Grünen Hof. So viel scheint aber nach 15 absolvierten Messfahrten klar zu sein: Die Belastungen mit Feinststäuben sind erschreckend.

Als Verursacher hat der Bürgerverein eindeutig den nahen Münchner Flughafen ausgemacht, wie es hieß. Straßenverkehr und Hausbrand seien zu vernachlässigen. Denn je näher man an den Flughafen herankomme, sagte Herrmann, desto höher sei die Konzentration der Ultrafeinstaubpartikel. In Lerchenfeld habe man am 7. Januar das 19-fache der Grundbelastung von 2500 bis 3500 Ultrafeinstaubpartikeln pro Kubikzentimeter Luft gemessen, berichtete Herrmann, am Marzlinger Sportplatz sei der 21-fache, in der Ludwigstraße in Hallbergmoos der 25-fache Wert ermittelt worden, bis zu 89 000 Ultrafeinstaubpartikel pro Kubikzentimeter Luft. Die höchste Belastung, so Herrmann, habe die Messung am Terminal 1 ergeben: 115 000 Kleinstpartikel pro Kubikzentimeter Luft.

Die Flughafen GmbH negiere diese Messergebnisse, kritisierte Herrmann. Sie verteile Hochglanzprospekte, betreibe Luftgüte- statt Schadstoffmessungen und verbreite, der Flughafen sei im Einsatz für gute Luft. An den drei Messstationen der FMG werde jedoch nur der Feinstaub gemessen, nicht aber Ultrafeinstaub, denn dafür, so heißt es, gebe es keine gesetzlichen Grenzwerte und damit auch keine Notwendigkeit für Messungen ().

Zuvor hatte Lungenärztin Adelheid Bisping-Arnold geschildert, dass weniger der Feinstaub die Menschen belaste, weil der in der Regel ausgehustet werde. Schwere Belastungen des menschlichen Körpers löse vielmehr der Ultrafeinstaub aus, dessen Partikel "lungengängig" seien. Die Partikel wanderten bis an die kleinsten Verästelungen der Blutbahn, lösten Atemwegserkrankungen, Allergien, Bronchitis, Lungenkrebs, koronare Herzerkrankungen, Gehirntumore, Leukämie und Alzheimer aus. Diese Feinststäube seien "hochgefährlich und hochbrisant", sagte die Lungenärztin, weshalb in einer ohnehin hoch belasteten Region alles daran gesetzt werden müsse, "dass durch den Bau einer dritten Startbahn nicht noch mehr hinzu kommt".

Vereinsvorsitzender Reinhard Kendlbacher, der wegen der großen Nachfrage bei der Veranstaltung noch schnell Aufnahmeanträge drucken ließ, fasste die Messergebnisse zu Forderungen zusammen: Reduzierung des Flugverkehrs, keine Flüge mehr zu Zielen unter 500 Kilometern, keine subventionierten Flüge, keine dritte Startbahn. Außerdem forderte er, dass die FMG die vor 25 Jahren eingebauten Lärmschutzfenster in Pulling, durch die "der Wind pfeift", erneuert. Das nämlich wollten die Flughafen-Betreiber nicht tun, wie sie über die Regierung von Oberbayern dem Landratsamt hätten mitteilen lassen. Da kämen Zweifel auf, ob der Flughafen wirklich so ein guter Nachbar sei, wie er stets versichere. Anspielend auf die kürzlich von FMG-Chef Michael Kerkloh gemachte Aussage zum Bau einer dritten Startbahn, wonach die Anwohner realisieren müssten, "dass sie ein lohnendes Opfer für die Gesamtgesellschaft" brächten, rief Kendlbacher: "Wir wollen kein Opfer der Gesamtgesellschaft sein."

Sehr gefreut, so Kendlbacher, habe ihn ein Urteil aus Österreich, wo der Bau einer dritten Startbahn in Wien mit der Begründung abgelehnt worden sei, Klimaschutz sei wichtiger als Arbeitsplätze und wirtschaftliche Interessen. Er ging auch auf den Preiskampf unter den Fluggesellschaften ein und erwähnte die Transavia, die mit großem Getöse in München begrüßt worden sei, und sich jetzt trotz millionenschwerer Subventionen leise davon geschlichen habe. Kendlbachers Folgerung: "Es gibt nicht zu wenig Start- und Landebahnen, es gibt zu wenig Passagiere und zu viele Fluggesellschaften." Die Bedeutung der Drehkreuze gehe weiter zurück, prophezeite er, die Direktflüge nähmen zu, die Auslastung der Flugzeuge werde weiter vorangetrieben. Dadurch würden München und Frankfurt Flugbewegungen einbüßen.

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SZ vom 08.03.2017/zim
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