Es ist eine Mischung aus Traumjob und Horror, was die neue Gemeindearchivarin von Neufahrn und Hallbergmoos, Martina Paringer, derzeit macht: Stück für Stück arbeitet sie sich durch Ordner, Jahrbücher und Schriftstücke tief in die Vergangenheit der beiden Orte vor. Was durchaus spannend klingt und meistens auch ist, verliert etwas an Glanz, stellt man sich vor, dass fast alle der Papiere Verwaltungsakten sind. "Armenspeisungen, Vieh-Zählungen, Einwohnerlisten, Steuerlisten, das meiste aus dem 19. Jahrhundert", das seien die Papiere, durch die sie sich derzeit arbeite, erklärt die Historikerin, und das nicht nur für eine, sondern für zwei Gemeinden.
Im Zuge einer interkommunalen Zusammenarbeit teilen sich die beiden Nachbarorte seit Dezember die Kosten für die Archivarin, diese pendelt dafür zwischen ihrem Heimatort Landshut und den beiden Arbeitsplätzen, drei Tage in Hallbergmoos, zwei in Neufahrn. In Hallbergmoos gebe es in dem Archiv im Keller noch keine rechte Ordnung, in Neufahrn habe zwar jahrelang ein ehrenamtlicher Heimatpfleger an der Archivstruktur gearbeitet, "aber da werde ich wohl noch einige Dinge überdenken müssen", sagt die 39-Jährige.
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Eine sinnvolle Ordnung ist essenziell
Die Grundstruktur eines Archivs nämlich ist seine Lebensader. Je klarer und sinnfälliger die Schriftstücke geordnet sind, desto eher besteht die Chance, sie zeitnah wiederzufinden. "Ziel ist ein Benutzerbetrieb. Das heißt, dass Leute hier Heimat- oder Familienforschung betreiben können oder Interessierte wissenschaftlich tätig sind", erklärt Martina Paringer. Genau das sei für sie die Herausforderung, "als Archivarin bin ich am Aufbewahren interessiert, dass das Archiv benutzt werden kann. Und als Historikerin bin ich natürlich daran interessiert, wie es hier früher war."
Dazu hat sie sich bereits durch die bestehenden Ortschroniken von Neufahrn und Hallbergmoos gearbeitet, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Themen relevant waren. Das sei der Anfang, betont sie, thematische Gesichtspunkte heraus zu filtern. Das können Finanzen, Schulen, Landwirtschaft oder Soziales sein. Thematisch gebe es da kaum Unterschiede zwischen Neufahrn und Hallbergmoos, "die Aufgaben eines Rathauses sind überall die gleichen, das war im 19. Jahrhundert so wie heute".
Beim Wegwerfen muss man sehr genau hinschauen
Dass sie auch einiges wegwerfen wird, was bislang in den Kellern der Rathäuser lagert, davon ist sie überzeugt. "Aber da muss man sehr genau schauen, gerade Steuererhebungen sind zum Beispiel interessant, weil da Namen drin sind und man Aufschluss darüber erhält, wer hier gelebt hat."
Dicke graue, säurefreie Kartons, sogenannte Archivbehältnisse, hat Paringer schon angeschafft, dort hinein kommt, was erhaltenswert ist und eine Signatur bekommt. "Digitalisiert wird gar nichts, es sollen ja die Originale aufgehoben werden", so Paringer. Bis sie so richtig ans Ordnen geht, werden aber noch ein paar Monate vergehen, schätzt sie. "Ich bin an beiden Arbeitsstellen noch in der absoluten Grundlagenarbeit."
Und wer weiß, vielleicht bekommt die Archivarin bis dahin auch ein Büro für sich, das nämlich fehlt bislang noch in den beiden von Raumnot geplagten Rathäusern.