In diesem Garten darf seit 40 Jahren alles wachsen. Früher bezeichnete man das 4000 Quadratmeter große Grundstück von Hans und Maria Schindl-beck in Haun in der Gemeinde Haag wohl als "leicht ungepflegt", wie die beiden leidenschaftlichen Gärtner schmunzeln. Heutzutage wird solch ein grünes Paradies als "Naturgarten" ausgezeichnet. Seit 2019 gibt es diese bayernweite Zertifizierung, die inzwischen elf Gärten im Landkreis Freising erhalten haben, freut sich Anja Aigner, die 32-jährige Kreisgartenfachberaterin des Landratsamtes.
Das Label wurde unter dem Motto "Bayern blüht - Naturgarten" ins Leben gerufen, um mehr Bewusstsein für die Natur zu schaffen und das Potenzial der Privatgärten in den Fokus zu rücken, wie Aigner sagt. Die Zertifizierungsrichtlinie und das Naturgartenkonzept stammen von der Bayerischen Gartenakademie der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim und werden vom Bayerischen Landesverband für Gartenbau und Landespflege umgesetzt. Wer sich um das Zertifikat bewirbt, muss auf chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel verzichten, eine hohe Artenvielfalt ermöglichen, einheimische, mehrjährige Pflanzen verwenden, den Garten vielfältig gestalten, wilde Ecken zulassen und möglichst Regenwasser nutzen.
Weiteres Kriterium sei eine nachhaltige Nutzung des Gartens. Dazu zählen Obst, Gemüse und Kräuter anzubauen und zu verwerten, sich der Nährstoffkreisläufe bewusst zu sein und durch kompostieren, mulchen und Gründüngung Nährstoffe wieder zurück zu führen. Auch die Förderung von Nützlingen, Wasserstellen für Vögel und Insekten, Totholz als Rückzug für Tiere oder eine ressourcenschonende Materialwahl werden berücksichtigt, zählt die Gartenberaterin die Kriterien auf. Für eine Zertifizierung müssten nicht alle, aber ein großer Teil erfüllt sein.
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Wild wuchernde Gräser, Sandhaufen, Insektenhotels und eine blauflügelige Ödlandschrecke - der Garten von Christine Margraf und Manfred Drobny inmitten der Vöttinger Wohnbebauung ist ein kleines Naturparadies.
Die Natur wird nicht sich selbst überlassen
Einen Naturgarten zu haben, bedeutet natürlich nicht, die Natur komplett sich selbst zu überlassen, sondern schonend einzugreifen, um das gewünschte Resultat zu erhalten, schildern Maria und Hans Schindlbeck, die beide in Rente sind und den ganzen Tag in ihrem riesigen Garten mit den vielen Ecken und kleinen verschlungenen Wegen verbringen.
"Maria hat die Ideen, sie informiert sich ausgiebig mit You Tube-Videos und Gartenzeitschriften und ich setze dann die Projekte um", schildert Hans Schindl-beck die Arbeitsteilung. Er sei für das Rasenmähen zuständig und ein absoluter Baumfan, seine Frau der Rosenfan. Ungefähr 60 Stöcke hat sie bisher gepflanzt. Der Ursprung ihrer Idylle war der Obstgarten des Großvaters. Noch immer stehen ein paar uralte Apfel- und Birnbäume darin. Als sie vor 40 Jahren ihr Haus fertig gebaut hatten, begann das Paar, an der Terrasse und an den Wegen Pflanzen einzusetzen und ihr Paradies zu gestalten. Aber immer unter dem Motto, dass es Freude machen, aber der Garten keine Verpflichtung oder Belastung sein sollte. "Unser Garten war in all den Jahren nie stressig, wir haben aber viel ausprobiert", sagen die beiden. Im Laufe der Zeit wuchs langsam die Gestaltung und ständig kamen neue Pflanzen dazu. Auch lauschige Ecken mit Liegen oder Tischen, an denen man Platz nehmen kann, entstanden. Neben zahlreichen Sitzgelegenheiten gibt es sogar ein Yogadeck unter einem Blätterdach.
Der größte Feind ist die Nacktschnecke
Erst vor kurzem hat Maria Schindlbeck begonnen, auch Gemüse und Kräuter anzubauen. Natürlich errichtete ihr Mann dafür die Hochbeete und ein Gewächshaus. Der große Feind nicht nur in Schindlbecks Gartenparadies ist die Nacktschnecke. Leider sei es ihnen nicht gelungen, sie zu vertreiben, sagt das Paar. Sie hätten vieles ausprobiert, einem Igel oder den Laufenten schmeckten die Schnecken nicht besonders, so dass diese Tiere auch nichts halfen. Die Laufenten schmeckten dann aber dem Fuchs. Nach wie vor raspeln hunderte Nacktschnecken jede Nacht mit ihren Zungen junge Pflänzchen ab. "Es hilft nur, sie morgens und abends einzusammeln", schildert Hans Schindlbeck resigniert. Alle anderen Gartenbewohner sind willkommen: Bienen, Hummeln, Wespen, Schmetterlinge, Blindschleichen, Ringelnattern, Frösche und unzählige Vögel bevölkern die grüne Oase. Natürlich gibt es auch Brennnessel als Futter für Bienen und für die Menschen. "Ich freue mich jeden Tag, in unseren Garten zu gehen und entdecke immer etwas Neues", beschreibt Hans Schindlbeck seine Passion.
Die Kreisgartenberaterin Anja Aigner, die ebenfalls in Haag zu Hause ist, freute sich über die Anmeldung zur Naturgartenzertifizierung der Familie Schindlbeck. Gemeinsam mit der zweiten Zertifiziererin Mieke Bellingrodt bescheinigte sie der Familie die Erfüllung der Kriterien und damit die Auszeichnung als Naturgarten, weil er beispielhaft sei und sicher auch andere Gartenbesitzer inspiriere, sagte sie begeistert. Aigner hat an der TU München Forstwissenschaften studiert und vor zwei Jahren unter anderem die Kreisgartenfachberatung im Landratsamt übernommen. Zu ihren Aufgaben gehören neben der Beratung auch Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung, um die Bevölkerung für die Natur vor der eigenen Haustür zu sensibilisieren. "Jeder, der einen Garten besitzt, kann etwas für die Umwelt tun." Die Plakette für die Naturgärten dient als Anerkennung für die Gartenbesitzer und soll zum Nachahmen anregen, so Aigner.
Am kommenden Sonntag, 25. Juli, lädt die Haager Wählergruppierung "Unabhängige Bürger" dazu ein, vier zertifizierte Naturgärten in der Gemeinde Haag zu besichtigen. Die genauen Informationen dazu gibt es auf der Homepage der UB: http://ub-haag.de/