Süddeutsche Zeitung

Nandlstädter werden aktiv:Weißwürste gegen das Wirtshaussterben

Thomas Zeilhofer kann sich noch gut an Zeiten erinnern, als es in Nandlstadt sieben Wirtschaften gab. Nun rührt der 80-Jährige mit Gleichgesinnten die Werbetrommel, damit wenigstens die letzte erhalten bleibt

Von Katharina Aurich, Nandlstadt

Einst waren die sieben Wirtshäuser im Markt Nandlstadt Treffpunkte für Geselligkeit, Kontaktpflege und Nachrichtenaustausch. Sonntags nach der Messe, die bis in die 1970er Jahren noch drei Mal hintereinander gehalten wurde, strömten die Kirchgänger in die Wirtschaften. Nur eine von ihnen ist übrig geblieben, der Bachwirt. Damit er überleben kann, rührt der 80-jährige Thomas Zeilhofer die Werbetrommel, um das Wirtshaus und damit ein Stück bayerische Tradition zu bewahren, wie er sagt. Freitags hat er ein Weißwurstfrühstück ins Leben gerufen, zu dem mittlerweile regelmäßig 20 bis 30 Bürger kommen.

Früher waren es fast ausschließlich Männer, die sich in den Wirtshäusern trafen. Sonntags nach dem Frühschoppen ging man dann gegen Mittag oder auch später nach Hause zum Essen, das die Ehefrauen bis dahin zubereitet hatten. Man traf sich abends zum Kartenspielen oder einfach nur auf ein Bier - und natürlich durften Frauen auch dabei sein, betont Zeilhofer. Aber das ist vermutlich nur theoretisch gemeint, denn selbst an diesem Freitag beim Frühschoppen war die einzige Frau im Bachwirt die Wirtin. Offensichtlich tragen auch veränderte Bedürfnisse in Ehe und Partnerschaft dazu bei, dass die Wirtshauskultur kaum Zukunft hat.

Das Wirtshausschwinden sei aber nur ein Teil der Veränderungen im Markt Nandlstadt, der damit exemplarisch für alle ländlichen Gemeinden stehe, sagen Zeilhofer und Georg Schranner, Jahrgang 1953. Denn auch die Handwerksbetriebe, die Metzger, Bäcker oder Schuster seien verschwunden, obwohl die Einwohnerzahl kontinuierlich steige. Und auch die Hopfenbauern, 1960 gab es noch 100 in der Marktgemeinde, oder die Landwirte trafen sich ganz selbstverständlich beim Wirt, um Geschäfte anzubahnen oder zum Reden, erinnert sich Zeilhofer, der sein ganzes Leben in Nandlstadt verbracht hat und schon als 14-Jähriger seine Freunde gern im Wirtshaus traf. Von 1966 bis 1996 war der ehemals selbständige Milchwagenfahrer dann Marktrat und wurde später zum Ehrenbürger ernannt.

Verändert hätten sich aber auch die Eigentumsverhältnisse, denn solange eine Wirtschaft dem Wirt selbst gehört, könne man Durststrecken überwinden. Aber ein Pächter müsse jeden Monat Umsatz machen, um die oftmals hohe Pacht zu bezahlen, und habe keinen Spielraum, sagen Zeilhofer und Schranner. Ein weiterer Grund für die abnehmende Lust, ins Wirtshaus zu gehen, seien die Vereinsheime oder Feuerwehrhäuser, wo sich immer mehr Bürger träfen. Dabei sei doch ein Wirtshaus aus verschiedenen Gründen für eine Ortschaft wichtig, betonen die beiden. Dort könne man einfach nur ein Bier trinken, ohne wie in Restaurants auch etwas essen zu müssen. Die Älteren kämen für den Stammtisch heraus von zu Hause, es sei eine gute Gelegenheit, Gleichgesinnte zu treffen, ohne sich jedes Mal verabreden zu müssen. Schließlich sei das Wirtshaus auch ein Ort, wo Neubürger Kontakte zu Einheimischen knüpfen könnten, denn sie "verkriechen" sich oft in ihren Häusern, finden die beiden alteingesessenen Nandlstädter. Sie erinnern sich noch daran gut, wie nach dem Krieg Flüchtlinge das Spiel "Rommé" mitgebracht haben, das dann in allen Wirtshäusern, im Oberbräu, wo es auch einen Biergarten und eine Kegelbahn gab, im Bertlwirt, im Schwemmwirt, beim Bäckerbräu, im Gasthaus Siebenbürgen und im Gasthaus zur Post leidenschaftlich gespielt wurde.

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Quelle:
SZ vom 11.03.2019
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