Nandlstadt:Plätzchen-Tour über die Autobahn

Nandlstadt: Cindy Schneppe schmückt ihren Lastwagen für die Fahrt zu den Raststätten zwischen Neufahrn und Schweitenkirchen.

Cindy Schneppe schmückt ihren Lastwagen für die Fahrt zu den Raststätten zwischen Neufahrn und Schweitenkirchen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Lastkraftfahrerin Cindy Schneppe fährt an Weihnachten Raststätten entlang der Autobahn A9 an und beschenkt die Trucker.

Von Alexandra Vettori

An diesem Freitagnachmittag ist Cindy Schneppe mit ihrem Zwölftonner unterwegs auf dem Weg nach Hallbergmoos. Die 42-jährige Wahl-Nandlstädterin ist Lastkraftfahrerin, seit 17 Jahren. Corona hat ihr bisher vor allem eines beschafft - viel mehr Arbeit. "Im Lockdown bestellen die Leute allen möglichen Kram. Und da kann es tatsächlich sein, dass ich mit einem Zwölftonner ein Zehn-Gramm-Paket aus Frankreich ausfahre", erzählt sie und wundert sich immer noch darüber.

An Weihnachten freilich ist sie in anderer Mission unterwegs, seit sieben Jahren schon. Da schmückt sie einen 7,5-Tonner mit Lichterketten, bepackt ihn mit Obst, Naschereien und Plätzchen und klappert die Autobahnraststätten an der Autobahn A 9 zwischen Neufahrn und Schweitenkirchen ab. Dort nämlich hängen in diesen Tagen ziemlich einsame und gelangweilte Fernfahrer herum, und das bei nur Notbetrieb in den Autohöfen.

Es seien vor allem ausländische Fahrer, die um Weihnachten dort Halt machten, und sie seien oft nicht gerne gesehen, weiß Cindy Schneppe, die bis vor einigen Jahren auch Fernstrecken in Europa bedient hat. Inzwischen tritt sie kürzer, ist bei einer Spedition für regionalen Warenverkehr angestellt. Aber sie wisse noch, "was für ein Scheiß-Gefühl das ist, wenn man an Weihnachten nicht heim kann", und deshalb wolle sie den Leuten eine Freude mit den Süßigkeiten machen. "Da kommt es dann schon vor, dass so ein Mannsbild vor dir steht und zu weinen anfängt", erzählt sie. Gerade jetzt in der Corona-Zeit hätten es die Fahrer schwer. Die Autohöfe entlang der Autobahnen böten nur Essen zum Mitnehmen, Duschen seien oft abgesperrt, und die Toiletten spätestens ab 20 Uhr auch. "Die sitzen da 24 Stunden nur in ihren Lastwägen."

Das Toilettenproblem hat Corona auch für Cindy Schneppe mit sich gebracht. Vorher bediente sie nur Firmen mit Stückgut, nun sind auch viele Privatkunden dabei. Und während sie früher ganz selbstverständlich die Firmentoiletten benutzen durfte, lassen die meisten Privatleute schon aus Angst vor Ansteckung fremde Lasterfahrer oder Lasterfahrerinnen nur selten auf ihre Klos. "Dann muss man warten, bis man jemanden findet oder ins Gebüsch", so Schneppe.

Dass sie Lastwagenfahrerin geworden ist, sei ein Zufall gewesen, eigentlich komme sie aus der Sicherheitsbranche. Bereut hat sie es nie. "Ich kann mir keinen anderen Beruf mehr für mich vorstellen. Das ist auch Freiheit. Mit Kollegen habe ich an meinen Arbeitstagen nur zwischendurch zu tun. Wenn ich aber in meinem LKW sitze, habe ich einfach meine Ruhe." Dass es eine Männerdomäne sei, immer noch, habe sie nie gestört, "da hast du wenigstens keinen Zickenkrieg", sagt sie lachend. Schlechte Erfahrungen mit den männlichen Kollegen habe sie nie gemacht, blöde Sprüche stets im Keim erstickt, was sicher auch an ihrer offenen Art liege.

Nandlstadt: Nachbarssohn Robin hilft Cindy Schneppe beim Schmücken ihres LKWs. Er fährt am 25. Dezember auch mit.

Nachbarssohn Robin hilft Cindy Schneppe beim Schmücken ihres LKWs. Er fährt am 25. Dezember auch mit.

(Foto: Marco Einfeldt)

Das soziale Engagement hat vor sieben Jahren begonnen, als sie auf Facebook von einer jungen Frau aus Thüringen las, immerhin auch Cindy Schneppes Heimatland. Die damals 35-Jährige sitzt im Rollstuhl und hatte den sehnlichen Wunsch, einmal einen Lastwagen zu fahren. Schneppe fragte unter ihren Truckerkollegen herum, und die Folge war, dass nicht nur ein Lastwagenfahrer die gelähmte junge Frau besuchte und einige Runden mit ihr drehte, sondern eine Fahrschule auch ermöglichte, dass die Frau selbst einen Lastwagen lenken konnte.

Cindy Schneppe und vielen ihrer Kollegen hatte es aber so viel Spaß gemacht, einen Herzenswunsch zu erfüllen, dass sie den Verein "Brummifahrer mit Herz - wir leben Teddybär 1.4" gründeten. Seither wird jedes Jahr ein Benefizfest gefeiert. Dann treffen sich Lastwagenfahrer und -fahrerinnen aus ganz Deutschland auf dem Euro-Rastpark in Schweitenkirchen, im Vorjahr waren es 50. Von dort rückten sie aus, holten Kinder mit Handicap von zu Hause ab, unternahmen mit ihnen eine Sternfahrt durch Pfaffenhofen, bevor sie mit einem Hupkonzert wieder in den Rastpark einfuhren. Den ganzen Tag über gab es Musik, Programm und Tombola, der Erlös wurde einer heilpädagogischen Einrichtung gespendet. Dieses Jahr hätte das Benefizfest natürlich wieder im Herbst stattfinden sollen, letztlich hat es der Verein aber wegen der Auflagen abgesagt. "Es ist ja eine Open-Air-Veranstaltung, und wir hätten trotzdem den ganzen Tag Masken tragen müssen. Da habe ich gesagt 'Nein'. Es ist ja alles ehrenamtlich und soll Spaß machen", so Schneppe.

Die Weihnachtsaktion am 25. Dezember aber lässt sie sich von Corona nicht nehmen. Am Nachmittag des 24. wird sie zu den Supermärkten und Geschäften in der Region fahren, die übrig gebliebene Ware spenden. Dann sortiert sie alles und schmückt den Laster "mit Lichterketten und Blingbling". Am 25. Dezember startet die Plätzchen-Tour auf der A 9 von Schweitenkirchen nach Neufahrn und in Gegenrichtung wieder zurück. Genau genommen, überlegt Schneppe, sei das Bringen von Plätzchen und Süßigkeiten wahrscheinlich sogar verboten. "Aber wenn es einen triftigeren Grund gibt, als Menschen eine Freude zu machen und ein Lächeln auf ihre Gesichter zu zaubern, dann soll die Polizei kommen. Zahlen werde ich nicht, ich gehe ins Gefängnis. Drei warme Mahlzeiten am Tag, das ist mehr, als die Trucker im Moment haben."

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