Süddeutsche Zeitung

Bürgermeister von Nandlstadt:Einsamer Abschied

Jakob Hartl hat am Donnerstag zum letzten Mal die Rathaustür als Bürgermeister hinter sich geschlossen. Gerne hätte er das Ende seiner 30-jährigen Amtszeit mit Weggenossen gefeiert. Das hat die Corona-Krise verhindert.

Von Katharina Aurich, Nandlstadt

Jakob Hartl hat am Donnerstag nach 30 Jahren zum letzten Mal die Tür seines Büros im Nandlstädter Rathaus hinter sich geschlossen und ist nach Hause gegangen. Es war ein einsamer Abschied, ganz anders, als es sich der Rathauschef gewünscht hat. Gerne hätte er sich von seinen Mitarbeitern, zu denen er nach so vielen Jahren ein freundschaftliches Verhältnis hat, und natürlich von den Markträten verabschiedet.

Vor drei Jahrzehnten konnte sich Hartl nicht vorstellen, das Amt des Rathauschefs so lange auszuüben, erinnert sich der gebürtige Nandlstädter. 1990 war er ohne vorherige Erfahrung als Marktrat für die CSU als Bürgermeisterkandidat angetreten. Schon als Jugendlicher hatte er sich jedoch in der Jungen Union und als junger Vater im Elternbeirat von Kindergarten und Schule engagiert. Hartls Schreibtisch stand vor seiner Wahl im Bauamt des Landratsamtes, wo er sich mit rechtlichen Fragen beschäftigt hatte, was ihm später dann immer wieder zu Gute gekommen ist. Als er gefragt wurde, ob er für das Amt des Rathauschefs kandidieren wolle, "habe ich mich auf den Weg gemacht", erinnert er sich. Einen Weg, der sein berufliches Leben drei Jahrzehnte lang bestimmte.

"Wir wollten für Nandlstadt etwas bewegen und das ist uns gelungen"

1990, das war eine Zeit, in der sich vieles veränderte, die Wiedervereinigung und die Eröffnung des Flughafens zwei Jahre später bescherten dem Markt Nandlstadt ein starkes Bevölkerungswachstum. "Für mich als neuen Bürgermeister ging es gleich voll los, es gab keine Eingewöhnungsphase", beschreibt Hartl. Im Marktrat sei immer konstruktiv und sachorientiert gearbeitet worden, lobt der scheidende Rathauschef, der das Gremium fünf Wahlperioden lang leitete. Die wenigsten Abstimmungen seien knapp gewesen, meist wurden sie einstimmig gefasst. "Wir wollten für Nandlstadt etwas bewegen und das ist uns gelungen", lautet sein Resümee.

Allerdings gab es auch schwierige Zeiten für den Bürgermeister, denn vor der Kommunalwahl 2008 entschied sich die örtliche CSU dafür, nicht mehr den Amtsinhaber, sondern den Bauunternehmer und Kreishandwerksmeister Martin Reiter aufzustellen. Hartl allerdings wollte Bürgermeister bleiben, gründete die Bürgerliste und gewann die Wahl. "Man kann vor keiner Wahl wissen, was passiert, aber ich hatte ein gutes Gefühl", erinnert er sich.

Das schlimmste Ereignis seiner Amtszeit sei 1999 gewesen, als ein Mann beim Maibaumaufstellen tödlich verunglückte, das sei für nicht einfach gewesen, bekennt Hartl. An die Nieren sei ihm die Zwangsräumung einer Familie mit drei kleinen Kindern gegangen, bei der er dabei sein musste. Die Gemeinde sei bei Zwangsräumungen zuständig, aber dann habe sich doch eine Ersatzwohnung gefunden und die Familie musste nicht in die Notunterkunft einziehen. Kurz nach Öffnung der innerdeutschen Grenze sei er eines Abends von der Polizei aus einer Marktratssitzung geholt worden, schildert Hartl. Mitten in Nandlstadt stand im kalten Winter ein Auto mit einer Familie, die nicht wusste, wo sie war.

Beim Einkaufen beschimpft zu werden sei nicht ungewöhnlich

"Als Bürgermeister muss man sich um alles kümmern", lautet sein Fazit. Und man müsse ein dickes Fell bekommen, nicht alles persönlich nehmen. Beim Einkaufen beschimpft zu werden sei nichts Ungewöhnliches, zum Glück sei er nie körperlich angegangen worden. Es sei ja inzwischen beinahe schon üblich, dass Bürgermeister bedroht werden. Vor 30 Jahren sei das sehr selten passiert, die Menschen sind hemmungsloser geworden, bedauert der ehemalige Gemeindechef.

Hartl erinnert sich natürlich an viele schöne Dinge, "die bleiben im Gedächtnis". Ein Höhepunkt seiner Amtszeit war für ihn die Rathauserweiterung, dies sei "seine" Baustelle gewesen. Während der Finanzkrise habe die Kommune einen "riesen Zuschuss" für die energetische Sanierung der Schule erhalten, sagt Hartl und freut sich heute noch darüber. Und natürlich war der Bau der Realschule in Au ein markanter Höhepunkt seiner Amtszeit. "Wir vier Nord-Bürgermeister haben es damals geschafft, das hat uns auch zusammen geschweißt", berichtet Hartl begeistert.

Die Zusammenarbeit im Marktrat werde er in guter Erinnerung behalten. Zu welcher Gruppierung man dabei gehöre sei nicht so wichtig, entscheidend sei, miteinander zu reden und einen gemeinsamen Nenner zu finden, betont er. Entgegen seinem ursprünglichen Plan, sich in Zukunft als Marktrat zu engagieren, werde er aus privaten Gründen das Mandat doch nicht annehmen. Hartl hatte im März für die Bürgerliste kandidiert und war als Marktrat gewählt worden. Sein Nachfolger als Bürgermeister ist Gerhard Betz (Unabhängige Wähler), dieser solle ganz unbefangen als Rathauschef starten. Er werde sich nicht aufdrängen, aber gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen, beschreibt Hartl seine zukünftige Rolle. In seinem großen Garten werde er nun wieder Erdbeeren anbauen, Zeit mit seinen beiden Enkeln verbringen, Lesen, Kochen und kleine Reisen mit dem Auto unternehmen, wenn dies wieder möglich sei. Und irgendwann werde er die Abschiedsfeier mit seinen Mitarbeitern und Markträten nachholen.

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SZ vom 05.05.2020/nta
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