Vizechefin des Freisinger Gesundheitsamts:"Jeder ist mürbe, jeder möchte wieder normal leben"

Brigitta Denk

Die Medizinerin Brigitta Denk leitet derzeit kommissarisch das Freisinger Gesundheitsamt.

(Foto: Landratsamt Freising)

Brigitta Denk ist seit Oktober stellvertretende Leiterin im Freisinger Gesundheitsamt. Weil die höchste Stelle vakant ist, führt sie die Behörde derzeit. Sie empfiehlt allen, die es noch nicht sind, dringend, sich impfen zu lassen.

Von Petra Schnirch, Freising

Den Wechsel von ihrer Hausarztpraxis an das Gesundheitsamt hat Brigitta Denk nicht bereut. Sie liebe Herausforderungen, sagt sie - und die waren in den vergangenen Monaten zahlreich. Denn die Pandemie hatte schon begonnen, als sie ihre Arbeit in der Behörde aufnahm. Zunächst in Dingolfing, einem Landkreis, der schnell zu einem Corona-Hotspot wurde. Seit Oktober 2021 ist Denk als stellvertretende Leiterin in Freising tätig. De facto leitet sie das Gesundheitsamt derzeit, weil die höchste Stelle vakant ist.

Etwa 30 Jahre lang war die 58-Jährige zuvor als Allgemeinmedizinerin in Straubing und Mallersdorf-Pfaffenberg tätig. Auch um ihre pflegebedürftigen Eltern in der Corona-Zeit besser vor einer Infektion schützen zu können, gab sie ihre Praxis auf. An ihrer neuen Wirkungsstätte kam sie dann "mitten rein ins Chaos", wie sie erzählt. Mitte 2020 herrschte in Dingolfing der "totale Notstand", weil sich viele Erntehelfer mit dem Coronavirus infiziert hatten. Sie habe aber schnell gemerkt, dass ihr die neue Aufgabe sehr viel Spaß mache. Sie könne ihre berufliche Erfahrung einbringen, sie kenne die Situation in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Hinzu kämen die rechtlichen Belange. Sie sei ein "sehr akkurater Mensch", sagt Denk.

Zum Einsteig die vierte Corona-Welle

Zeit, sich in Ruhe einzuarbeiten, blieb kaum. Schon wenige Wochen nach dem Wechsel nach Freising begann die vierte Corona-Welle mit vollbelegten Intensivstationen, hinzu kam die Omikron-Variante mit rasant steigenden Infektionszahlen. Im Landkreis Freising lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Montag bereits bei 1287,2.

Wenn täglich 500 bis 700 neue Fälle gemeldet werden, könne man diese kaum noch wegarbeiten und die Kontaktpersonen erfassen, schildert Brigitta Denk. Für einen Fall brauche man etwa eine Stunde. Das Contract-Tracing-Team sei bereits von 30 auf 50 Personen aufgestockt worden. Eine weitere Erhöhung um 25 bis 30 sei vorgesehen, dafür werden im alten Stabsgebäude der Stein-Kaserne gerade die Räumlichkeiten geschaffen. Wert legt Denk aber darauf, dass die Fallzahlen trotz der Arbeitsbelastung jeweils tagesaktuell ans Robert-Koch-Institut gemeldet werden.

Keine Anhängerin radikaler Maßnahmen

Wirklich "einfangen" ließen sich die explodierenden Fallzahlen wohl nur mit einem Lockdown, das weiß auch Brigitta Denk. Wie sie im Gespräch anklingen lässt, ist die Medizinerin aber keine Anhängerin radikaler Maßnahmen. Sie hofft immer noch auf die Vernunft der Bevölkerung, die Aha-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken tragen) einzuhalten und Kontakte zu reduzieren. "Das Problem ist, jeder ist mürbe, jeder möchte wieder normal leben", sagt Denk. Hinzu komme, dass man das Virus nicht sehen könne. "Es müsste wie ein Glühwürmchen vor uns her schwirren", dann wäre alles einfacher zu vermitteln. Sie hofft dennoch, dass die Bürgerinnen und Bürger auf die aktuelle Entwicklung reagieren, um die Welle brechen zu können. Denk setzt lieber auf Dialog als auf Zwang.

Wie sehr sich die Omikron-Variante auf das Freisinger Klinikum auswirken wird, muss sich erst zeigen. "Spannend wird es in 14 Tagen, drei Wochen", sagt Brigitta Denk angesichts der steigenden Fall-Zahlen. Zwar sehe man bereits, dass viele Menschen nicht so schwer erkranken, allerdings gebe es auch sehr viel mehr Infektionen. Die Ärztin hofft, dass sich Corona im Frühling endlich abschwächt und durch Geimpfte und Genesene tatsächlich eine Herdenimmunität erreicht wird. Positive Rückmeldungen kommen aktuell aus dem Klinikum Freising. Nur ein Patient mit Covid-19 befand sich am Montag auf der Intensivstation, noch im November war ein Großteil der zehn bis zwölf Intensivbetten für Corona-Fälle benötigt worden.

"Bin ein Mensch, der gerne neue Herausforderungen sucht"

Denk empfiehlt nach wie vor dringend, sich impfen zu lassen. Auch sie bekommt deswegen "bitterböse E-Mails". Darüber reden aber mag sie nicht. Sie betont lieber, dass sie für Gespräche bereit stehe, wenn es darum geht, jemandem die Angst vor der Impfung zu nehmen. "Man muss als Arzt immer das Vertrauen des Patienten gewinnen", sagt sie. Und fügt hinzu: "Die Menschen sollten Vertrauen in uns Ärzte haben, unser Ziel ist es, dass die Bevölkerung gesund bleibt." Dass dies von einigen vehement in Frage gestellt wird, habe sie vor der Pandemie noch nie erlebt.

Beratungsbedarf haben derzeit viele Pflegeeinrichtungen im Landkreis, was sie umtreibt, sei die Impfpflicht für Mitarbeitende, die von Mitte März an greift. 60 seien in den Pflegeheimen im Landkreis bisher noch nicht geimpft, sagt Denk. Viele Heimbetreiber seien in Sorge.

Das breite Aufgabenspektrum ihrer neuen Tätigkeit gefällt Brigitta Denk. "Ich bin ein Mensch, der gerne neue Herausforderungen sucht", sagt sie. Und Kontakt zu Patienten habe sie ja auch im Gesundheitsamt, weil dort ebenfalls Untersuchungen stattfinden.

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