Simon Nonnenmacher war einer der berüchtigtsten Verbrecher, die Mitte des 19. Jahrhunderts rund um München ihr Unwesen trieben. Ein Leserbrief beschreibt in einer Ausgabe des Münchner Tagblatts eine Begegnung, die ein Kutscher und ein Gendarm mit dem zu dieser Zeit meistgesuchten Straftäter im bayerischen Königreich hatten. Die Geschichte beginnt und endet in der Umgebung von Grüneck bei Neufahrn. Heimatforscher Ernst Keller hat sie in der digitalen Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek recherchiert.
Der Verfasser des Leserbriefs lässt sich zunächst abschätzig über diese Gegend an der Landstraße zwischen München und Freising aus. Es sei die „unpoetischste und langweiligste Gegend des Vaterlands“. Er beschreibt sie als öde, ein Land, in dem nur Disteln blühen, hie und da ein dürres Bäumchen steht und Spinnweben durch die Luft fliegen. Nur mageres Vieh grase auf den mageren Weiden. „Was hat man Dir, Du fremder Mann, getan“, bedauert er den Menschen, den es in diese karge Gegend verschlug. In der Ortschaft Grüneck könne man gar das Wirtshaus vor lauter Fliegen nicht mehr sehen.
Mitte September 1847 hatte sich nach Erzählung des Leserbriefschreibers Folgendes zugetragen: Ein Gefangenentransport war von München nach Freising unterwegs. Auf der Kutsche saßen der Fuhrmann, ein gefesselter Straftäter und ein ihn bewachender Gendarm. Als in der Ferne schon die Türme des Freisinger Mariendoms zu sehen waren, stand am Wegesrand ein in Jägertracht gekleideter Mann. Er bat darum, nach Freising mitgenommen zu werden, weil er dort ein Geschäft zu besorgen habe. Der Gendarm erlaubte das.
In Freising erledigte der Fremde sein Vorhaben und setzte sich mit dem Kutscher in eine Wirtschaft. Nachdem der Gendarm seinen Gefangenen im Freisinger Gefängnis abgeliefert hatte, gesellte er sich zu den beiden. Der vermeintliche Jäger lud ihn auf einen Kaffee ein und bat, mit nach München zurückfahren zu dürfen. Der Wunsch wurde ihm gewährt. Doch auf halber Strecke, „an einem einsamen und öden Platz an der Landstraße“, schreibt der Verfasser des Leserbriefs, habe der „waidmännische Fremde“ dem Gendarmen von hinten auf die Schulter geklopft und gerufen: „So, jetzt könnt Ihr auch sagen, dass Ihr einmal den Nonnenmacher Haberl gefahren seid!“. Dann sprang er mit einem Satz vom Wagen und verschwand in den Weiten der Moosebene.
Simon Nonnenmacher, zu der Zeit 31 Jahre alt, war der drittälteste Sohn von zehn Kindern des „Haberl-Bauern“. Ursprünglich stammt er aus der Gegend um Miesbach. Kriminelle Energie steckte wohl in der gesamten Familie, denn Simon und seine Geschwister gerieten alle mit dem Gesetz in Konflikt. Er selbst galt als besonders brutal und gewaltbereit.
Der seltsam anmutende Name „Nonnenmacher“ leitet sich aus dem Handwerk des Kastrierens ab. Die sogenannten „Sauschneider“ entnahmen den weiblichen Schweinen die Eierstöcke und bezeichneten sie dann als „Nonnen“. Die kastrierten Eber nannte man „Mönche“. Grund für das Sauschneiden war, dass Schweine bis ins 19. Jahrhundert hinein im Wald weiden durften. Dort sollten sich Sauen nicht mit Keilern ihrer wild lebenden Artverwandten paaren. Die Bezeichnung „Nonnenmacher“ blieb bis in die Gegenwart als Familiennamen erhalten.
Simon Nonnenmacher war etwa einen Monat vor der Begegnung bei Grüneck aus der Haftanstalt Au in München geflohen. Dabei hatte er vier Türen mit Gewalt geöffnet, überwand eine hohe Mauer mittels eines Stricks und eines Hakens und überwältigte anschließend noch die Schildwache. Trauriger Höhepunkt seiner kriminellen Karriere war nach einem Bericht des Freysinger Wochenblatts ein Vorfall unweit des Schlosses Birkeneck bei Hallbergmoos. Simon Nonnenmacher und seine Räuberbande waren bei einem befreundeten Wilderer in der Nähe des Schlosses entdeckt und die Gendarmerie in Freising alarmiert worden.

In der Nacht auf den 25. November 1839 habe sich der Brigadier Michael Schmidt mit vier Gendarmen, einem Gerichtsdiener und vier Jagdgehilfen auf den Weg gemacht, um das Räubernest auszuheben. Schon allein deshalb, weil vermutet worden sei, dass sich Simon Nonnenmacher darunter befand. Bei der Erstürmung des Hauses sei es sofort zu einem wilden Feuergefecht gekommen. Der Brigadier sei ums Leben gekommen. Von den nach dem Schusswechsel flüchtenden Ganoven konnten drei identifiziert werden: Simon und Niklas Nonnenmacher und Lorenz Strangl.
Daraufhin sei „eine noch nie dagewesene Fahndung mit Unterstützung einer ganzen Linieninfanterie“ angelaufen, schreibt Keller. Simon Nonnenmacher wurde als Todesschütze verdächtigt. Auf seinem Steckbrief befand sich die Personenbeschreibung: „Am Kopf und an der rechten Hand große Hiebnarben, am rechten Arm Bajonettstichwunden, die rechte Kniescheibe durchgehauen.“
Am 30. September 1847 endete die Hatz auf den Bandenführer. Aber weder ein Gendarm noch ein Soldat habe ihn gestellt, wie eine Zeitung berichtet, sondern unerschrockene Dienstknechte, die ihn bei einem Einbruch nahe Holzkirchen überraschten und an die Gesetzeshüter übergaben, aber „nicht ohne ihm zuvor eine schmerzhafte Tracht Prügel zu verabreichen“. Simon Nonnenmacher fand sich kurz danach in vertrauter Umgebung wieder: dem Königlichen Zuchthaus München Au, aus dem er geflohen war. Er starb als 35-Jähriger an der Wassersucht, einer vermehrten Ansammlung von Wasser im Körper. Ursache davon könnte eine Herzschwäche gewesen sein.