Süddeutsche Zeitung

Nachhaltigkeit in Neufahrn:"Mehr als nur ein Label"

Schon bald könnte Neufahrn als Fairtrade-Gemeinde zertifiziert werden. Die Kommune will sich somit für den fairen Handel bewusst einsetzen. Das tun bereits viele andere Städte und Gemeinden im Landkreis Freising.

Von Francesca Polistina, Neufahrn

Die Bewerbungsunterlagen sind eingereicht, die Zertifizierung wird immer greifbarer. Schon im ersten Quartal, vielleicht sogar Ende Januar, könnte Neufahrn zur "Fairtrade-Town" deklariert werden - zur Gemeinde also, die sich bewusst für den fairen Handel einsetzt. "Das ist mehr als nur ein Label", sagt Felix Kretz, Standortförderer der Kommune. Die Zertifizierung sei nämlich mit gewissen Verbindlichkeiten assoziiert: So sollen nicht nur faire Produkte in Läden und öffentlichen Einrichtungen angeboten, sondern auch regelmäßige Initiativen wie Vorträge oder Workshops zum Thema der Gerechtigkeit im Welthandel organisiert werden.

Produktion unter gerechten Bedingungen

"Fairtrade" steht ganz allgemein für Waren, die unter gerechten Bedingungen produziert und gehandelt werden, mit Respekt für die Arbeitsrechte von insbesondere Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Die internationale Kampagne "Fairtrade-Towns" will den Verkauf von fairen Produkten auf kommunaler Ebene fördern und allgemein für das Thema der Gerechtigkeit im Handel sensibilisieren. Den Titel verleiht der gemeinnützige Verein "Fairtrade", der das gleichnamige Siegel in Deutschland vergibt - klassische Fairtrade-Produkte sind etwa Kaffee, Tee, Kakao und Obstsorten wie Bananen, die in fernen Ländern hergestellt oder angebaut werden und deshalb nicht in Konkurrenz mit den regionalen Spezialitäten treten.

Um die Zertifizierung zu erwerben, müssen Städte und Gemeinden fünf Kriterien erfüllen: Ratsbeschluss der Kommune zur Unterstützung des fairen Handels, Gründung einer Steuerungsgruppe zur Koordinierung der Aktivitäten vor Ort, Angebot von Produkten aus fairem Handel in den lokalen Einzelhandelsgeschäften. Zudem soll die Zivilgesellschaft (das heißt auch Schulen, Vereine und Glaubensgemeinschaften) mit einbezogen und regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt werden. Die Auszeichnung zur Fairtrade-Town ist nicht das Endziel, sondern eher der Startschuss für das zukünftige Engagement: der Titel muss nämlich alle zwei Jahre erneuert werden. Die Teilnahme an der Fairtrade-Towns Kampagne ist kostenfrei.

Im Landkreis haben bereits drei Gemeinden die Zertifizierung bekommen

Neufahrn ist nicht die erste Gemeinde im Landkreis Freising, die den Titel der "Fairtrade-Gemeinde" anstrebt. Die Stadt Freising trägt ihn seit über zehn Jahren, auch Moosburg und Eching haben die Zertifizierung bereits bekommen, Hallbergmoos befindet sich auf dem Weg dorthin. Insgesamt mehr als 800 Städte in Deutschland haben sich an der Kampagne beteiligt, darunter München. "Das Thema der Gerechtigkeit im Handel wird wichtiger", sagt Kretz, der mit anderen zehn Personen der Neufahrner Steuerungsgruppe angehört. Und auch der Markt von fairen Produkten werde größer.

Den Beschluss, sich auf den Weg zur "Fairtrade-Town" zu machen, hatte der Gemeinderat in Neufahrn im Herbst 2021 einstimmig gefasst. Beantragt hatte die Bewerbung die grüne Fraktion. Um die Kriterien zu erfüllen, hatte die Kommune die "Faire Woche" im September gestartet und über die Volkshochschule drei Veranstaltungen angeboten. Zum Christkindlmarkt hatte der TSV Neufahrn "faire Backwaren" bereitgestellt, und auch der Nikolaus der Gemeinde hatte ausschließlich Schokoladennikoläuse mit Fairtrade-Siegel in seinem Sack. Bei der Verteilung von Schoko-Nikoläusen an alle Schülerinnen und Schüler der Grundschule hatte sich die Gemeinde an den Kosten beteiligt, sodass fair gehandelte Schokolade verwendet werden konnte. Im Bürgermeisterbüro steht Kaffee aus fairem Handel zur Verfügung. Auch die evangelische und die katholische Kirche beteiligen sich mit Aktionen und mehrere Neufahrner Gastronomiebetriebe bieten nun faire Produkte an.

Insgesamt, so Kretz, plant die Gemeinde, die Initiative mit 1000 Euro im Jahr zu unterstützen. Ziel ist aber, mit anderen Vereinen zusammenzuarbeiten, um größere Projekte finanzieren zu können. So sei bereits ein Schokoladen-Workshop in einer Grundschulklasse geplant sowie ein Fachvertrag am Gymnasium zum Thema Kinderarbeit.

Und allgemein wolle man sich nicht nur auf die Lebensmittel beschränken. "Auch in anderen Bereichen gibt es Potential", meint Kretz, der zum Beispiel faire Fußbälle nennt, die bei Vereinen oder Schulen zum Einsatz kommen könnten. Nun geht es darum, das Bewusstsein für fairen Handel bei Behörden, Vereinen, in der Wirtschaft und allgemein in der Bevölkerung noch mehr zu stärken.

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