Solidarische Landwirtschaft:Wissen, wo das Gemüse wächst

AU IN DER HALLERTAU: Ortsteil HASLACH - Solidarische Landwirtschaft

"Wir sind hier ein von konventioneller Landwirtschaft eingeschlossenes Biotop", sagt Landwirt Georg Schwaiger. Er verpachtet Grundstücke an die Mitglieder von "Auergarden".

(Foto: Johannes Simon)

120 Mitglieder unterstützen die Solidarische Landwirtschaft Auergarden in der Hallertau - Landwirt Georg Schwaiger hat dadurch einen festen Abnehmerkreis für seine Produkte, bei dem Projekt geht es aber auch um Umweltschutz und Landschaftspflege.

Von Gudrun Regelein, Au

Den Morgen hat Schorsch damit verbracht, Pastinaken in Säcke zu verpacken. "Das ist eine alte Gemüsesorte, die jetzt wiederentdeckt wird", sagt er. Georg "Schorsch" Schwaiger ist Landwirt - und er war Mitbegründer der Solidarischen Landwirtschaft Auergarden. Solidarische Landwirtschaft (Solawi) bedeutet, dass private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs tragen, dafür bekommen sie den Ernteertrag.

Auf einem seiner Felder, das Schwaiger an den Verein Auergarden verpachtet hat, wachsen das Gemüse und die Kräuter, die das ganze Jahr über an die Mitglieder, die einen Ernteanteil beziehen, verteilt wird. "Wir sind hier ein von konventioneller Landwirtschaft eingeschlossenes Biotop", sagt Schwaiger und lacht. Auf der einen Seite des o,7 Hektar großen Feldes liegt ein gerade umgepflügter Acker, auf der anderen das Feld eines konventionellen Landwirts, in der Ferne sieht man Hopfenstangen. Ein ein Hektar großer Apfelgarten mit Beerensträuchern, den Bienenstöcken eines Imkers und einem Tümpel gehören ebenfalls zum Auergarden, auch dort wird Gemüse angebaut und in einem Anzuchttunnel werden Pflanzen gezogen.

Insgesamt umfasst sein Betrieb, den er von seinem Vater übernommen hat, sieben Hektar Boden - nach und nach sollen die Flächen alle kultiviert werden. "Aber es muss vernünftig wachsen", sagt Schwaiger. Es soll soviel produziert werden wie möglich - dann aber sei Schluss. Potenzial gebe es für 150 bis 200 Abnehmer, mehr als zehn neue Leute wolle man jedes Jahr nicht mitversorgen.

Georg Schwaiger hat in Weihenstephan Landwirtschaft studiert, in den 70er-Jahren war das. Schon damals interessierte er sich für den Bioanbau, der noch in den Kinderschuhen steckte. Seine Eltern bauten Hopfen an, Schwaiger wollte gerne auf Bio-Anbau umstellen - fand aber keinen Abnehmer. Er ging dann mit seiner Frau nach Würzburg und baute dort einen Hof auf. Erst 2006, nach dem Tod seines Vaters, kam er zurück in die Hallertau. "Wir hatten zwar keinen konkreten Plan, aber wir wollten etwas anderes aufziehen", erzählt er. Schwaiger beteiligte sich an einer Foodcoop, einer Gemeinschaft zum Bezug von Bio-Produkten, in München, die Idee zur eigenen Solawi schließlich kam 2015 von einer jungen Frau, die dort mitmachte.

AU IN DER HALLERTAU: Ortsteil HASLACH - Solidarische Landwirtschaft

Georg "Schorsch“ Schwaiger ist Landwirt – und ist war Mitbegründer der Solidarischen Landwirtschaft "Auergarden“.

(Foto: Johannes Simon)

2015 wurde Auergarden gegründet, damals mit dem Freundeskreis aus München. "Zu Beginn haben wir die Standardsachen angebaut - also Kartoffeln, Lauch und Kürbisse. Was man eben so braucht." Weniger als 20 Bezieher gab es damals in den Anfängen, jetzt, im siebten Jahr sind es an die 90. In den ersten Jahren habe er nichts verdient, "es hat viel Idealismus dazu gehört." Inzwischen aber könne er vom Auergarden leben, ab etwa 100 Mitglieder könne man investieren, sagt Schwaiger. So unterstützen ihn mittlerweile beim Anbau und der Ernte auch Mitarbeiter.

Die Vereinsgründung im Juni 2018 von den Gärtnern und Mitgliedern der Solawi Auergarden, die damit die regionale Selbstversorgung und unabhängige Lebensformen fördern wollten, sei ein entscheidender Schritt gewesen. "Das gab dem Ganzen eine Struktur - und nahm mir Verantwortung ab", sagt der 67-Jährige. Die Mitgliedsbeiträge bieten ihm darüber hinaus Sicherheit: Ein Ernteausfall ist für ihn nun keine absolute Katastrophe mehr.

Luisa Ruß war beim Verein von Anfang an dabei. Die 32-Jährige ist in Nandlstadt aufgewachsen, auch jetzt lebt sie noch ganz in der Nähe. Sie habe von einer Freundin vom Auergarden erfahren, erzählt sie, und sei sofort begeistert gewesen. "Veränderung funktioniert nur, wenn man selber anpackt", sagt sie. "Ich wollte mich gerne einbringen." Sie wurde dann noch im Gründungsjahr des Vereins nicht nur Mitglied, sondern übernahm auch einen der Vorstandsposten - das war gleich beim ersten Kennenlern-Meeting, sonst hätte der Verein nicht gegründet werden können. "Es ist ein sehr idealistisches Projekt", sagt sie. Eigentlich gebe es immer viel mehr zu tun, als man schaffen könne.

AU IN DER HALLERTAU: Ortsteil HASLACH - Solidarische Landwirtschaft

Zu den Gewächsen gehören auch die Rosenkohlpflanzen.

(Foto: Johannes Simon)

Derzeit gibt es fünf Vorstandsmitglieder, die Bereiche sind aufgeteilt. Der Verein übernimmt die organisatorischen Aufgaben, die Verwaltungsgeschichten, und kümmert sich beispielsweise um die Finanzen und die Steuerangelegenheiten. Aus dem gärtnerischen Bereich halte man sich heraus. "Darüber entscheiden Schorsch und seine angestellten Helfer. Wir sind im Hintergrund tätig, aber mischen uns nicht ins Tagesgeschäft ein." Ein Grund, den Verein ins Leben zu rufen, sei auch der Wunsch Schwaigers gewesen, sich wieder mehr auf sein Handwerk konzentrieren zu können - und sich nicht um den Papierkram kümmern zu müssen, erzählt Ruß. Die Mitglieder seien "sehr gemischt": Familien, Studenten und Alleinerziehende. "Wer wenig Geld hat, kann den Beitrag auch reduzieren und dafür Arbeitskraft einbringen", erklärt Ruß. Auch hier sei der solidarische Gedanke zu spüren. Genauso solle jedes andere Mitglied mithelfen und einen Beitrag leisten - das müsse nicht unbedingt auf dem Feld sein, sondern gehe auch von Zuhause aus, beispielsweise durch das Beantworten von E-Mails.

Mittlerweile zählt der Verein gut 120 Mitglieder, etwa 90 beziehen einen Ernteanteil. 85 Euro monatlich müssen sie in diesem Jahr dafür bezahlen, dafür können sie sich an einer der drei Verteilerstellen - eine davon ist in Freising, die anderen sind in Freimann und in München im Kreativquartier - frisches Gemüse, Obst und manchmal auch von den Mitgliedern eingekochtes Chutney oder Apfelmus abholen. Ihren Anteil eben. Jeden Mittwoch fährt Schwaiger die frisch geernteten Sachen zu den Verteilerstellen.

AU IN DER HALLERTAU: Ortsteil HASLACH - Solidarische Landwirtschaft

Vor allem in den ersten Jahren hat viel Idealismus bei der solidarischen Landwirtschaft dazu gehört.

(Foto: Johannes Simon)

Bei ihm werden verschiedene Kulturen angebaut, alles nach Biorichtlinien, wenn auch nicht biozertifiziert - aber das müsse ja auch nicht sein, sagt er. Die Äpfel könnten schon mal schrumpelig sein. Die Palette sei groß, das ganze Jahr über sei immer etwas da. Auch alte Sorten werden hier noch angebaut, wie Steckrüben und Palmkohl - aber man müsse die Balance finden, sagt Schwaiger. Denn sie seien vom Ertrag nicht so stark. Auf dem Feld reiht sich jetzt im Herbst Wirsing neben Weißkraut und Zuckerhut. Daneben finden sich Mangold, Blaukraut, Rosenkohl, Rote Beete, Spinat und die letzten Zucchinis des Jahres. Unter einer Plane liegt ein großer Haufen Karotten. "Leicht ist der Anbau nicht, der Boden ist sehr schwer, hat einen hohen Tongehalt", meint Schwaiger. Zudem sei das Jahr sehr nass gewesen, vieles sei im Boden verfault. In den drei Folientunneln, die auf dem Feld stehen, baut er Tomaten, Paprika, Spinat und Rettich an. Vieles davon aus selbst produziertem Saatgut. Im Apfelgarten dagegen gibt es vor allem Bohnen, Kräuter, Heilkräuter und Nutzpflanzen.

Insgesamt findet man im Auergarden um die 40 verschiedene Obst- und Gemüsekulturen. Eigentlich, so Schwaiger, sei er ja gar kein Gärtner. Aber er habe sich in den vergangenen Jahren viel angelernt - die große Kunst sei, dass das ganze Jahr über etwas da sein muss, das verteilt werden könne. Noch müsse er viel improvisieren, an der Infrastruktur fehle es noch, beispielsweise gebe es keine Möglichkeit, das Gemüse zu waschen. Es gibt noch viel zu tun, sagt Schwaiger. "Es ist eben ein Pionierbetrieb."

Bei der Solawi gehe es aber nicht nur darum, dass man sich zusammentue, um sich mit einem Landwirt selbst mit Obst und Gemüse zu versorgen, sagt Luisa Ruß. "Es gibt noch ganz andere Aspekte, Regionalität, kurze Wege, Verpackungsfreiheit beispielsweise." Und: Die Leute sollen sehen, wo ihr Gemüse wächst. Auergarden sei ein Projekt, das über den reinen Anbau von Gemüse, Kräutern und Obst hinausgehe. "Es geht auch um Naturschutz, um Landschaftspflege", betont sie. Im Kielwasser des gärtnerischen Betriebes wolle man den Umweltschutz voranbringen. Weg von der Agrarindustrie - hin zu einem Betrieb, der umweltverträglich und unter Berücksichtigung des Naturschutzes laufe.

Zur SZ-Startseite

Landwirtschaft
:"Es wurde ein System aufgebaut, das gegen die Natur kämpft"

Die Agrarwissenschaft habe bei Klima-, Tier- und Artenschutz versagt, meint Biobauer Josef Braun. Er wünscht sich einen Wechsel von der industrialisierten hin zur kleinteiligen Landwirtschaft - und mehr Humus im Boden.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: