Süddeutsche Zeitung

Flughafen München:Freisinger erleichtert über Startbahn-Stopp

Ein Fest mit Freibier, um die Entscheidung von Ministerpräsident Söder zu feiern, wird es vorerst jedoch nicht geben. Die Gegner der dritten Startbahn wollen erst mal, dass der Planfeststellungsbeschluss endgültig aufgehoben wird.

Von Peter Becker, Birgit Goormann-Prugger, Petra Schnirch und Kerstin Vogel, Freising

"Es ist ein sehr, sehr guter Tag für Attaching", sagt Michael Buchberger, Vorsitzender der örtlichen Bürgerinitiative, zur Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder, den Bau einer dritten Startbahn bis mindestens 2028 auf Eis zu legen. Das versprochene Fest mit 500 Litern Bier vor dem Kramer für den Fall, dass das Großprojekt endgültig beerdigt werden sollte, wird es dennoch nicht geben - nicht nur wegen Corona. Denn solange der Planfeststellungsbeschluss nicht zurückgenommen wird, bestehe immer noch ein Restrisiko, bilanziert Buchberger. "Erst dann können wir wirklich zufrieden sein."

Dennoch erwartet er eine Aufbruchstimmung in Attaching. Schon in den vergangenen zwei Jahren seien mehrere Häuser renoviert worden, die Menschen hätten wieder eine Perspektive. "Das tut der Ortschaft gut." Junge Familie würden es sich aber weiterhin gut überlegen, ob sie in Attaching bauen und eine "Lebensinvestition" eingehen werden, glaubt er. Denn es bestehe immer noch ein Restrisiko. "Das ist ein Wermutstropfen." Doch selbst wenn die Startbahn-Pläne 2028 aus der Schublade geholt würden: Die Unterlagen wären dann 15 bis 20 Jahre alt und somit nicht mehr aktuell, gibt Buchberger zu bedenken. Am elegantesten wäre es seiner Meinung nach, wenn man den Genehmigungsbescheid 2025 einfach auslaufen ließe und nicht um fünf Jahre verlängern würde.

"Die Freude ist groß und der Widerstand, der über 15 Jahre gedauert hat, hat sich auf alle Fälle gelohnt", sagt Aufgemuckt-Sprecher Christian Magerl. Dennoch, endgültig beerdigt sei die Startbahn erst, wenn der Planfeststellungsbeschluss aufgehoben werde. "So weit sind wir leider nicht, aber jetzt ist klar, dass die Planung für den Bau auf lange Zeit nicht weiterverfolgt wird und ich gehe davon aus, dass das der Einstieg in den endgültigen Ausstieg ist", so Magerl weiter. Der Planfeststellungsbeschluss sei im Luftverkehrsrecht zehn Jahre gültig. "Das wäre 2025, das zählt vom letzten höchstrichterlichen Urteil an." Dann könne er verlängert werden, aber nur auf Antrag und mit einem entsprechenden Verwaltungsverfahren.

"Ich habe keine Ahnung, wie lange das dauert. Ich muss ehrlich sagen, ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals in meinem langen Leben eine Verlängerung von einem Planfeststellungsbeschluss erlebt hätte." Aber man müsse schon genau nachweisen, warum man die Verlängerung haben möchte, wenn man den Planfeststellungsbeschluss schon zehn Jahre habe und immer noch nicht mit dem Bau begonnen habe. Auflösen werde sich "Aufgemuckt" trotz der guten Nachrichten nicht. "Wir bleiben dran und werden in den nächsten Tagen eine Versammlung einberufen, um die Situation neu zu bewerten und um zu klären, wie wir weitermachen in der ganzen Geschichte", so Magerl.

Freie Wähler reklamieren die Entscheidung für sich

Verhaltene Freude auch bei Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher. "Ich bin da vorsichtig", sagte er am Mittwoch, "das ist erst mal gut und es ist auch die einzig richtige Erkenntnis, aber es ist halt leider nicht die endgültige Entscheidung, die sich die Stadt wünschen würde". Natürlich werde der Bau der Startbahn damit wieder ein Stück unwahrscheinlicher, so Eschenbacher. Für die Attachinger bleibe es dennoch "ein zweischneidiges Schwert und ein bisschen ein Pokerspiel".

Bei der FMG wollte man sich nur knapp zur neuen Entwicklung äußern. "Die Entscheidung über die dritte Start- und Landebahn am Flughafen München obliegt natürlich unseren Gesellschaftern", erklärt dazu FMG-Pressesprecher Ingo Anspach. Die jetzt von der Bayerischen Staatsregierung angekündigte Verlängerung des Moratoriums sei vor dem Hintergrund der massiven pandemiebedingten Verkehrseinbrüche nachvollziehbar, zumal das Verkehrsaufkommen nach Einschätzung aller Experten auch in den nächsten Jahren unter dem Vorkrisenniveau bleiben dürfte, sagt er weiter.

Der Freisinger CSU-Landtagsabgeordnete Florian Herrmann nennt Söders Entscheidung, die Startbahn bis 2028 auf Eis zulegen, "sehr erfreulich". "Das ist eine sehr positive Nachricht für den Landkreis Freising, weil wir ja schon seit vielen Jahren den Bedarf bezweifelt haben", so Herrmann. Er gehe davon aus, dass das Thema dritte Startbahn für die nächsten zehn Jahre erledigt sei. Im Moment sei es auch ein Gebot der Vernunft, das so zu entscheiden. Es sei offenkundig, dass es das noch Jahre dauern werde, bis der Flughafen zu Flugbewegungen komme, wie man das bisher gewohnt gewesen sei. "Im Moment ist ja eine Startbahn kaum voll, geschweige denn eine zweite oder gar eine dritte", meint Florian Herrmann. Jetzt müssten überdies alle Kräfte darauf ausgerichtet werden, die Arbeitsplätze am Flughafen zur erhalten.

Die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder, die dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen bis 2028 auf Eis zu legen kommentiert der Freisinger Grünen-Landtagsabgeordnete Johannes Becher auf seiner Website so: "Diese Ankündigung verlängert die Hängepartie und das Damoklesschwert für alle, die dort leben. Ein echtes Zeichen wäre es, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben und das Projekt Dritte Startbahn endgültig ad acta zu legen." Es habe nie den Bedarf einer dritten Startbahn gegeben und es werde auch in Zukunft keinen geben, schreibt Becher.

Man haben gemeinsam mit der Region, den Betroffenen und den Bürgerinitiativen so viele Jahren gekämpft und werde nicht nachlassen, ehe die dritte Startbahn endgültig beerdigt sei, so Becher weiter. Mit gewohnt nüchternen Worten analysiert Manfred Pointner, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft, die Mitteilung. Söder habe sich den Corona-Folgen angepasst. Die dritte Startbahn brauche man ohnehin nicht, "da hätte er sie auch gleich beerdigen können". Er glaube nicht, dass einmal Zahlen erreicht werden, die den Bau rechtfertigen würden. Die Landtagsfraktion der Freien Wähler habe die dritte Startbahn auf Eis gelegt, stellt der FW-Landtagsabgeordnete Benno Zierer klar: "Mit Genugtuung nehmen wir deshalb zur Kenntnis, dass auch Ministerpräsident Söder den Bau einer dritten Startbahn infrage stellt. Damit hat sich unsere jahrelange Hartnäckigkeit, mit der wir immer wieder ein Ende der Planungen gefordert hatten, endlich ausgezahlt und wir kommen unserem Ziel, dieses Milliardengrab zu verhindern, ein gutes Stück näher", so Zierer. Jetzt gelte es, die Startbahn aus dem Landesentwicklungsplan zu streichen. Sollte Söder hierzu nicht bereit sein, wären seine Aussagen nur Schall und Rauch.

Landrat Helmut Petz bekundet, er sei sehr glücklich über die Ankündigung des Ministerpräsidenten. "Ich freue mich riesig für den Landkreis Freising, dem erhebliche Zusatzbelastungen erspart bleiben." Noch mehr freue er sich für die Menschen in Attaching und in weiteren extrem betroffenen Gebieten. Diese hätten seit etwa 15 Jahren in existenzieller Unsicherheit leben müssen und könnten jetzt endlich sicher sein, dass der Spuk vorbei sei. Petz betont, dass er sich schon in seinem Wahlkampf auf den Standpunkt gestellt habe, dass eine dritte Startbahn "politischer Unsinn" wäre. Er ist sich sicher, dass das Thema dritte Startbahn jetzt endgültig vom Tisch sei. Die Gültigkeit des Planfeststellungsbeschlusses könne zwar verlängert werden. Die Genehmigungsvoraussetzungen müssten aber in diesem Fall neu geprüft werden. Angesichts dramatisch rückläufiger Flugbewegungszahlen stünde eine Planrechtfertigung für das Vorhaben außer jeder Reichweite.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2020/ilos/vewo
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