Mühsame Schreibarbeit:Neufahrner Evangelien

Als besonderer Beitrag zum Lutherjahr und zur Ökumene soll bis November eine eigene Bibelausgabe in der Gemeinde entstehen. Protestanten und Katholiken arbeiten dabei eng zusammen

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Vor einem guten halben Jahrhundert hat Martin Luther die Bibel in volkstümliches Deutsch übersetzen und sie den Menschen damit nähergebracht. Einen besonderen Bezug zur Bibel sollen auch die Neufahrner bekommen, die sich im Lutherjahr 2017 an einem besonderen ökumenischen Projekt beteiligen: Die vier Evangelien werden Stück für Stück abgeschrieben. Das Matthäus-Evangelium ist fast fertig, Schüler haben mit dem Markus-Evangelium angefangen. Bis November soll die "Neufahrner Bibel" komplett sein.

Es ist ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Ökumene, die in Neufahrn eine besonders lange Tradition hat und schon gepflegt wurde, als andernorts katholisch-protestantische Liebesbeziehungen der Auslöser wahrer Familiendramen waren. Bereits Ende der Fünfzigerjahre feierte die evangelische Kirchengemeinde ihre Gottesdienste im damals neu errichteten katholischen Franziskussaal. "Wir haben hier eine Heimat gefunden, als es noch keine evangelische Kirche gab", sagt der evangelische Pfarrer Reinhold Henninger. Anfang der Sechzigerjahre hat sich das mit dem Bau der Auferstehungskirche geändert. Geblieben sind die engen Kontakte.

Heute gibt es einen Ökumeneausschuss, ökumenische Seminare und Exerzitien, ein gutes Dutzend ökumenische Gottesdienste im Jahr, dazu Passionsandachten, ökumenische Kinderbibelwochenenden und die Sozialstation als ökumenische Einrichtung: Neben der politischen Gemeinde sind beide Kirchen ebenfalls Träger. An das gemeinsame Engagement im Flughafen-Widerstand erinnert die Antonius-Kapelle, die heute vor dem Franziskussaal steht, ursprünglich aber im Erdinger Moos errichtet worden war. Der katholische Pfarrer Otto Steinberger aus Neufahrn, der damals Landjugendpfarrer war, hat sie 1973 geweiht. Der damalige evangelische Pfarrer Ralf Guggenmos, jahrelang Sprecher der Bürgerinitiative gegen den Flughafen, hat oft vor ihr gepredigt.

Als sich vor kurzem der katholische Pfarrgemeinderat, die katholische und die evangelische Kirchenverwaltung zu einer gemeinsamen Sitzung trafen, ging es vor allem um die Planung und Koordination weiterer Aktivitäten speziell im Lutherjahr. Im März wird etwa ein ökumenisches Seminar zum Thema "Verantwortung in der Welt tragen" organisiert. Aber es werden auch viele kleine Zeichen gesetzt. Zum Beispiel sollen zum katholischen Jugendfasching die evangelischen Konfirmanden eingeladen werden, es wird einen gemeinsamen Flyer für Kindergottesdienste beider Konfessionen geben und eventuell gemeinsame Jugendfreizeiten. Manches davon gab es schon "wir müssen es nur wieder intensivieren", hieß es in der Sitzung, zumal gemeinsame Aktivitäten schließlich Synergieeffekte haben können.

Vor allem aber will man sich in Neufahrn 500 Jahre, nachdem Luther eine 95 Thesen gegen den Ablasshandel der katholischen Kirche an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen hat, ganz besonders auf die Gemeinsamkeiten beider Konfessionen besinnen. Und man will Werbung für die Ökumene machen: "Wir haben im Ort so viel erreicht, und die Ökumene ist hier so etabliert - da schütteln andere nur den Kopf", stellte etwa Rosemarie Rupp fest, die sich seit Jahrzehnten in der Ökumenearbeit engagiert: "Das sollten wir auch mal nach außen tragen."

Freilich sind der Ökumene Grenzen gesetzt: Viele von denen, die sich schon lange engagieren, kommen "langsam in ein schwieriges Alter", wie der katholische Pfarrer Wolfgang Lanzinger es ausdrückte: "Wenn es nicht gelingt, die "ökumenische Basis" zu verbreitern, dann schaut es schwierig aus." Deutlich wurde in der Sitzung aber auch: Gerade in Zeiten, in denen die Zahl der Kirchenbesucher zurückgeht, sehen viele in der Zusammenarbeit der Konfessionen eine Chance, gemeinsam ein möglichst breites Angebot für die Gläubigen aufrechterhalten zu können.

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