Über das Ende des Zweiten Weltkriegs wird dieser Tage viel geredet und geschrieben. Auch die Geschichte des Stalag VII A in Moosburg, eines der damals größten Kriegsgefangenenlager in Deutschland, wird jetzt, da sich das Kriegsende zum 80. Mal jährt, vielfältig und in angemessener Weise gewürdigt. Besonders greifbar – und zuweilen auch ergreifend – wird es immer dann, wenn diese Geschichte mit einem Blick auf einzelne Menschen erzählt wird. Und wenn Betroffene das Wort ergreifen.
Bei der offiziellen Gedenkfeier am Dienstagabend zum 80. Jahrestag der Stalag-Befreiung am 29. April 1945 gab es einen dieser Momente gleich zu Beginn. Als Moderatorin Nadine Sukniak die geladenen Gäste –unter ihnen Vertreter des amerikanischen, des polnischen und des französischen Generalkonsulats in München – in der Moosburger Stadthalle begrüßte, machte sie das auf einer sehr persönlichen Ebene.
Sie sei „heute selbst emotional und sehr gerührt“, sagte die Fachbereichsleiterin für Gesellschaft und Kultur in der Volkshochschule Moosburg. Denn ihr Großvater sei ein polnischer Kriegsgefangener gewesen.
Wie habe er sich am Tag der Befreiung wohl gefühlt? Vielleicht habe er daran gedacht, was in sechs Jahren Krieg und Gefangenschaft passiert sei, an die Ungerechtigkeiten, die es gegeben habe. Sie wisse es nicht, so Sukniak. „Aber ich glaube, dass die Freude überwogen hat, dass er wieder ein freies, selbst bestimmtes Leben in Frieden leben kann.“ Keine Selbstverständlichkeit, „denn das ist heute leider nicht überall möglich“.
Damit spannte sie den Bogen in die Gegenwart und Zukunft, der sich wie ein roter Faden durch die Reden des Abends zog. Es ging um die Frage, wie man der Vergangenheit gedenken und die Lehren aus dem Geschehenen ziehen kann, um in einer Zeit, in der sich das Vergessen mancherorts immer mehr Bahn zu brechen scheint, ein freiheitlich-demokratisches Gesellschaftssystem zu bewahren.
Die sehenswerte Ausstellung „Vergessen und vorbei?“, die unter Leitung von Stadtarchivar Stephan Kopp mit vielen Kooperationspartnern konzipiert und umgesetzt wurde und noch bis einschließlich 11. Mai in der Moosburger Stadthalle zu sehen ist, solle „dazu beitragen, dass das, was hier passiert ist, in Erinnerung bleibt“, sagte Bürgermeister Josef Dollinger (parteilos). Die Ausstellung biete die Gelegenheit, „uns gemeinsam zu erinnern, zu reflektieren und zu lernen“. Es gelte, „die Lehren für die Zukunft zu ziehen“.

Der Bürgermeister freute sich über die anwesenden „Gäste aus der Ferne“, deren Angehörige in jungen Jahren eine schwere Zeit als Kriegsgefangene hier verbracht hätten. Er wertete ihr Kommen zur Gedenkveranstaltung „als Zeichen der Versöhnung und Völkerverständigung“.
Florian Herrmann (CSU), Leiter der bayerischen Staatskanzlei und Schirmherr der Veranstaltung, gedachte besonders „derer, die hier nicht weggekommen, weil sie hier als junge Menschen viel zu früh gestorben sind“. Exemplarisch hierfür erinnerte Christine Fößmeier, Mitglied des Ausstellungsteams, an den jungen Ukrainer Boris Sajzev. Der war im Oktober 1942 aus unbekannten Gründen als Schüler und Zivilist auf der Krim festgenommen worden und starb im Stalag VII A im Alter von nur 16 Jahren an Fleckfieber. Ihm ist in der Ausstellung eine eigene Schautafel gewidmet.
Herrmann dankte auch den Amerikanern, die nicht nur das Stalag, sondern im Zweiten Weltkrieg „unter großen Opfern auch uns befreit haben“. Gedenkorte seien wichtig, damit man sehe, was passiere, wenn man Menschen mit einer bösen Ideologie folge. „Man hätte auch damals noch abbiegen und die Demokratie schützen können“, sagte Herrmann – und stellte explizit die Verbindung zur AfD in der heutigen Zeit her.
Die Demokratie verteidigen und Revisionismus bekämpfen
Deren Mitglieder betrieben teilweise „Geschichtsklitterung“. So sei es „absurd, Hitler als Kommunisten zu bezeichnen“. Leider werde so etwas „x-fach auf Tiktok verbreitet –und das bleibt bei vielen hängen“. Der Staatskanzleichef rief dazu auf, Revisionismus zu bekämpfen. Die Demokratie, so Herrmann, „ist vielleicht ein schwieriges und mühsames Unterfangen, aber es gibt kein besseres System, um in Frieden zu leben“.
Guido Hoyer, der für den verhinderten Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher die Stadt Freising vertrat, sagte, „die Schicksale der Gefangenen berühren bis heute und auch uns in Freising. Für manchen Befreiten wurde Freising zur neuen Heimat, dies verbindet uns“. In der heutigen Zeit, „in der die Stimmen des Verharmlosens und Vergessens immer lauter werden, ist eine solche Erinnerung wichtig“.

Zweiter Weltkrieg und die Folgen:Der Gefangene, der blieb
1942 kommt der serbische Offizier Nikola Naumovic ins Gefangenenlager nach Moosburg und bleibt auch nach dem Krieg. 80 Jahre später macht sich seine Enkelin Tina Naumovic auf die Suche nach seinen Spuren, die zu verschwinden drohen.
Mit der Ausstellung in der Stadthalle wolle man Menschen „motivieren, sich kritisch mit Erinnerungskultur auseinanderzusetzen“ und die Möglichkeit bieten, „Empathie für die Gefangenen zu entwickeln“, sagte Organisationschef Kopp. Brent Porter, Kriegsgefangenen-Angehöriger aus Neuseeland, bedankte sich für „die Energie und den Fleiß“, mit denen „dieses schwierige Thema“ in der Ausstellung aufbereitet worden sei – und er brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die noch vier stehenden Moosburger Stalag-Baracken erhalten bleiben.
„Das bedeutete uns so, so viel, wir brauchen einen Ort, zu dem wir hinkommen kmmen“, betonte er: „Das war ein Weltkrieg, und wenn sie wegkommen, sind sie nicht nur für Moosburg weg, sondern für die ganze Welt.“