Süddeutsche Zeitung

Konstituierende Sitzung in Moosburg:Die Grünen haben das Nachsehen

Michael Stanglmaier unterliegt im Moosburger Stadtrat bei der Wahl des Zweiten Bürgermeisters Georg Hadersdorfer von der CSU, bekommt aber wie bisher den zweiten Stellvertreterposten

Von Alexander Kappen, Moosburg

Die Moosburger Grünen waren neben der neu gegründeten Gruppe Fresh, die auf Anhieb zwei Sitze ergattert hat, die großen Gewinner der Stadtratswahl Mitte März. Mit nun sechs Vertretern sind sie jetzt neben der CSU die stärkste Fraktion im Gremium. In der konstituierenden Stadtratssitzung am Montagabend bekamen sie jedoch gleich einen Dämpfer versetzt. Grünen-Kandidat Michael Stanglmaier, der vor gut fünf Wochen in der Bürgermeister-Stichwahl Josef Dollinger (FW) nur knapp unterlegen war, verlor auch die geheime Abstimmung über den Posten des Zweiten Bürgermeisters gegen Georg Hadersdorfer (CSU) mit 11:14 Stimmen. Anschließend wurde Stanglmaier zum Dritten Bürgermeister gewählt.

Bei den symbol- und prestigeträchtigen Posten für die Sparkassenverbandsversammlung gingen die Grünen zu ihrem Ärger ebenfalls leer aus, obwohl sie zu den zwei stärksten Stadtratsfraktionen gehören. Eine Nullrunde gab es auch für den neuen AfD-Stadtrat Gerhard-Michael Welter, der als einziger Vertreter seiner Partei im Stadtrat sitzt und in keinem einzigen Ausschuss vertreten ist. Die anderen Parteien und Gruppierungen mit nur einem oder zwei Vertretern bilden Ausschussgemeinschaften.

Pschorr, der Dollinger vereidigte, sitzt bereits seit 48 Jahren im Stadtrat - "Ich bin schon der fünfte Bürgermeister, den er erlebt"

Bevor Josef Dollinger die Sitzungsleitung übernahm, musste er erst noch offiziell vereidigt werden. Diese Aufgabe kam Martin Pschorr (SPD) aufgrund "der Gnade der frühen Geburt" zu, wie er scherzte. Der Sozialdemokrat ist quasi der "Alterspräsident" des Stadtrats, in dem er bereits seit 48 Jahren sitzt. "Er beginnt jetzt seine neunte Amtsperiode und ich bin schon der fünfte Bürgermeister, den er miterlebt", stellte Dollinger anerkennend fest.

Anschließend gab er einen kurzen Ausblick auf die bevorstehende Amtszeit, "in der vieles anders sein wird, als wir es gewohnt sind". Er sprach von den finanziellen Folgen der Corona-Krise und den sieben neuen Stadträten, die mit Verena Kuch, Nathalie von Pressentin (beide Grüne), Julia Neumayer, Thomas Wittmann (beide Fresh), Reinhard Lauterbach (FW), Philipp Fincke (FDP) und Gerhard-Michael Welter (AfD) nun im Gremium sitzen. Die Tätigkeit dort erfordere "Toleranz und Respekt", so Dollinger. "Parteipolitische Propaganda hat in diesem Gremium nichts verloren, dagegen werde ich strikt vorgehen", sagte der neue Bürgermeister, ehe er später gleich das erste Mal mit den Grünen verbal zusammen rumpelte.

Vor der Wahl des Zweiten Bürgermeisters tauschten CSU-Fraktionschef Rudolf Heinz und Grünen-Stadtrat Johannes Becher ihre bekannten Argumente aus, mit denen bereits seit Wochen für die jeweiligen Kandidaten geworben wurde. Heinz verwies darauf, dass die CSU die meisten Stimmen bei der Stadtratswahl geholt habe und strich Hadersdorfers Wirtschafts- und Personalführungskompetenz heraus. Becher führte Stanglmaiers berufliche, kommunalpolitische und ehrenamtliche Erfahrung ins Feld. Zudem habe Stanglmaier sowohl bei der Stadtrats- als auch der Bürgermeisterwahl besser abgeschnitten als Hadersdorfer. Bei der Wahl zum Vizebürgermeister zog er jedoch den Kürzeren. Somit war auch Bechers Hinweis vor der Abstimmung hinfällig, als er betonte, Stanglmaier werde die Wahl ablehnen, wenn er nur eine Stimme Vorsprung habe und man nicht wisse, von wem diese sei. Gemeint war, ohne dass er es aussprach, AfD-Stadtrat Welter. "In Moosburg gibt es kein zweites Thüringen", betonte Becher. Letztlich war es Makulatur.

Überraschend wurde Jörg Kästl (ÖDP) zum Dritten Bürgermeister vorgeschlagen

Nachdem sich die Mehrheit des Stadtrats zuvor dafür ausgesprochen hatte, auch einen Dritten Bürgermeister zu wählen, galt es als sicher, dass diesen Posten wie bisher Stanglmaier bekommen wird - ehe FW-Fraktionssprecher Ludwig Kieninger überraschend Jörg Kästl (ÖDP) vorschlug. Und der brachte es in der Abstimmung immerhin auf neun Stimmen, während 15 Stadträte für Stanglmaier votierten. Eine Stimme war ungültig.

Während die Abstimmung über die Größe und die Besetzung der Ausschüsse (siehe Kasten) reibungslos über die Bühne ging, geriet die Verbandsversammlung der Sparkasse zum Politikum. Es sei seit jeher üblich, dass die zwei stärksten Fraktionen je einen Vertreter in die Versammlung entsenden, sagte Becher und nominierte Stanglmaier, während die CSU Hadersdorfer ins Rennen schickte. Überraschend brachte Reinhard Lauterbach aber auch seinen FW-Kollegen Kieninger ins Spiel. Der sei schon lange in dem Gremium und sorge gerade jetzt, da ein Wechsel im Sparkassenvorstand bevorstehe, für Kontinuität. Dollinger ließ über alle drei Kandidaten samt Stellvertreter abstimmen - und alle erhielten eine Mehrheit. Für Dollinger war klar, dass Hadersdorfer (23:2) sowie Kieninger (14:11) gewählt sind, weil sie mehr Ja-Stimmen hätten als Stanglmaier (13:12). Becher hielt das für rechtlich unsauber und schlug vor, noch mal über Hadersdorfer und Kieninger abzustimmen, die schließlich mit 13:12 gewählt wurden. Becher schimpfte: "Ich finde es unglaublich, dass demokratische Gepflogenheiten hier nicht mehr gelten, nur weil jetzt die Grünen stärkste Fraktion sind." Dollinger fiel ihm ins Wort, wies den Vorwurf zurück und beendete die Diskussion. Am Ende der Sitzung meinte er dazu: "Meinungsverschiedenheiten gehören zur Demokratie eben dazu."

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SZ vom 06.05.2020/lada
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