Kein gemeinsames Fastenbrechen:"Es tut weh und fehlt"

Kein gemeinsames Fastenbrechen: Über den Islam redet Erdogan Aydeniz gern - und ebenso gern führt er in Nicht-Corona-Zeiten Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene durch die Moosburger Moschee.

Über den Islam redet Erdogan Aydeniz gern - und ebenso gern führt er in Nicht-Corona-Zeiten Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene durch die Moosburger Moschee.

(Foto: Marco Einfeldt)

Erdogan Aydeniz arbeitet im Vorstand der Moosburger Ditib-Moschee mit und erklärt, wie sich die gerade begonnene Fastenzeit Ramadan unter Corona-Bedingungen gestaltet. Die Gemeinschaft vermisst er, doch der Beziehung zu Gott tue die soziale Isolation gut, findet er.

Interview von Johanna Pichler, Moosburg

Erdogan Aydeniz ist schon als Kleinkind aus der Türkei nach Moosburg gekommen. Seit vielen Jahren arbeitet der Versicherungsfachmann ehrenamtlich als Pressesprecher und Mitglied im Vorstand der Mevlana-Moosburg in Moosburg mit. Wie viele andere Muslime auch hat Aydeniz in der vergangenen Woche mit dem Fasten begonnen und der SZ von seiner Sicht auf den Ramadan während der Corona-Pandemie erzählt.

SZ: Müssen Sie sich im Ramadan aufgrund der Corona-Lage einschränken?

Aydeniz: Normalerweise laden wir 150 bis 200 Menschen zum Fastenbrechen in die Moschee ein, das fällt natürlich alles weg. Außerdem ist während der Gebetszeiten viel weniger los und wir dürfen nur 50 bis 60 Menschen auf vier Räumlichkeiten verteilen. Die Maskenpflicht gilt natürlich auch bei uns, ohne eigenen Gebetsteppich kommt man nicht rein und wir sind da auch extrem streng, weil uns die Gesundheit sehr wichtig ist. Ich hatte selbst vor vier Wochen Corona mit einem schlimmen Verlauf und kann immer noch nicht richtig schmecken und riechen. Oft habe ich auch Kopfschmerzen und bin müde. Ich faste jetzt trotzdem, aber wenn es gesundheitlich nicht mehr geht, breche ich ab.

Im Ramadan versuchen Muslime und Musliminnen, sich von schlechten Gedanken fernzuhalten und sich auf die Beziehung zu Gott zu konzentrieren. Fällt einem das unter den derzeitigen Umständen schwerer?

Gott sagt, dass man das ganze Jahr über lieb und nett sein sollte und nicht nur im Ramadan. Ich habe das Gefühl, dass Corona die Beziehung zu Gott sogar positiv beeinflusst. Man verbringt mehr Zeit alleine oder nur im engsten Familienkreis. Der Gedanke an Gott ist so noch mehr da, als wenn man viel unternimmt und unterwegs ist.

Wie wirkt sich die fehlende Gemeinschaft auf den Ramadan aus?

Mir fehlt die Gemeinschaft sehr! Das Schöne in Moosburg ist, dass wir, seit die Moschee existiert, jedes Jahr einen Koch dahatten, der für alle das Essen zubereitet hat. Manchmal kochen wir auch gemeinsam. Es tut weh und fehlt. Normalerweise laden wir auch immer 75 bis 100 Gäste aus den Asylheimen zum Essen ein. Das geht leider auch nicht mehr.

Was essen Sie nach einem Fastentag am liebsten?

Normalerweise essen wir gemeinsam, was ein türkischer Koch für uns zubereitet hat. Aber ich koche eigentlich auch selbst gerne. Mal deutsche Gerichte und mal türkische Spezialitäten. Diesmal koche ich zum Beispiel türkische Bohnen mit Fleisch. Es gibt meistens eine Suppe als Vorspeise, Fleisch als Hauptspeise und etwas Süßes oder Obst als Nachtisch.

Was bedeutet das Fest für Sie?

Ramadan bedeutet nicht nur 30 Tage Fasten. Es ist ein sehr heiliger Monat und man achtet darauf, noch netter zu sein. Wobei ich glaube, dass ich so schon nett bin. (Seine Frau lacht im Hintergrund: "Das stimmt, er ist wirklich ein netter Mensch".) Ich kann das nicht so einfach erklären, aber diese Zeit ist für mich sehr heilig. Man achtet darauf, niemandem wehzutun, und verzichtet auf viele Dinge, nicht nur auf das Essen und Trinken, sondern zum Beispiel auch auf das Rauchen oder Sex. Es ist eine sehr besondere Zeit. Ich kann das gar nicht in Worte fassen.

Hat man in einer christlich geprägten Gemeinde wie Moosburg, Probleme, als Muslim angenommen zu werden?

Ich persönlich hatte nie Probleme oder Schwierigkeiten. Ich arbeite auch schon seit fast 15 Jahren bei der SPD und bin so etwas wie ein verlängerter Arm für türkische Mitbürger. Viele kennen uns hier und viele waren sogar schon in der Moschee und haben den Glauben gesehen. Meine Frau ist Deutsche und ich habe zwei blonde Söhne. Beruflich habe ich schon mal schlechte Erfahrungen gemacht. Da kamen Dinge wie "Scheiß Türke, verpiss dich", aber das hat nichts mit Moosburg zu tun. Die letzten 20 Jahre habe ich nichts Negatives erlebt.

Werden Ihnen oft Fragen von Nicht-Muslimen gestellt, die Sie als nervig empfinden, weil Sie sie schon so oft gehört haben?

Ich rede gerne über den Islam und erkläre auch alles zwei- bis dreimal, wenn jemand etwas nicht versteht. Das ist kein Problem und es macht mir sogar Spaß, wenn jemand etwas wissen will. Ich mache ja auch Moscheeführungen für Schulen, Kindergärten und jeden, der daran interessiert ist. Ich bin zwar kein Geistlicher, aber kenne mich schon gut aus. Es ist auch nicht schlimm, wenn jemand während des Ramadans neben mir isst oder mir etwas anbietet. Es könnte auch sein, dass ich krank bin und dann darf man ja etwas essen.

Zur SZ-Startseite
Ramadan: Zwei Frauen beim Fastenbrechen vor der Blauen Moschee in Istanbul

Islam
:Fastenmonat im Bann des Virus

Zum zweiten Mal müssen viele der 1,9 Milliarden Muslime weltweit den Ramadan unter strikten Hygienevorgaben begehen. Am meisten vermissen die Menschen das besondere Gemeinschaftsgefühl.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: