Hilfe aus Moosburg:"Ich fühle mich verantwortlich, dass alles gut läuft"

Hilfe aus Moosburg: Wolfgang Wagner organisiert von der Navis-Zentrale in Moosburg aus den Einsatz des Helfer-Teams im Krisengebiet im Landkreis Ahrweiler.

Wolfgang Wagner organisiert von der Navis-Zentrale in Moosburg aus den Einsatz des Helfer-Teams im Krisengebiet im Landkreis Ahrweiler.

(Foto: Marco Einfeldt)

Wolfgang Wagner koordiniert von Moosburg aus das Navis-Helferteam im Katastrophengebiet in Rheinland-Pfalz. Mit so einem Ausmaß an Verwüstung hatte er nicht gerechnet. Grundsätzlich denkt er, dass das Hilfesystem gut aufgestellt ist.

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Das Gespräch mit Wolfgang Wagner, dem Navis-Vorsitzenden, wird durch einen Anruf von der Staatskanzlei unterbrochen - bei diesem geht es aber nicht um den momentanen Einsatz der Navis-Helfer in dem von einer Unwetterkatastrophe betroffenen Landkreis Ahrweiler, sondern um das Thema Impfen, sagt er entschuldigend. Dann geht es weiter mit dem eigentlichen Thema, nämlich wie das Navis-Team, das seit einer guten Woche im Katastrophengebiet ist, helfen kann.

SZ: Herr Wagner, welche Situation haben die Helfer vor Ort vorgefunden?

Wolfgang Wagner: Das Ausmaß der Zerstörung dort ist unvorstellbar, die Region war und ist in einer extremen Katastrophensituation. Nicht nur viele Häuser wurden zerstört, die ganze Infrastruktur - Wasser- und Stromleitungen - funktionierte nicht mehr. Unsere Helfer berichten von einer unglaublichen Verwüstung, die Zustände in der betroffenen Region ähnelten denen in einem Krieg. In unglaublich kurzer Zeit wurden dort Existenzen zerstört. Eine Frau beispielsweise konnte gerade noch ihr Handy und ihren Geldbeutel in die Hand nehmen, sie hatte aber nicht mal mehr die Zeit, ihre Dokumente zu holen - sonst wäre sie ertrunken. Die Naturgewalt dort war unglaublich groß.

Wie konnte das erste Navis-Team helfen?

In den ersten vier Tagen wurden drei Trinkwasseraufbereitungsanlagen aufgebaut, die insgesamt 15 000 Liter pro Stunde liefern. Die Wasserversorgung zumindest ist also wieder hergestellt. Das Wasser wurde zunächst in das Wassersystem von Ahrbrück eingespeist, nun soll eine zweite Ortschaft angeschlossen werden. Die Menschen dort, die noch in ihren Häusern bleiben können, können also wieder ihre Wasserhähne aufdrehen und bekommen sauberes Wasser. Die anderen können sich zumindest in Zehn-Liter-Kanistern sauberes Wasser holen.

Das erste Team wurde ja inzwischen abgelöst - welche Aufgaben erledigt nun das zweite?

Die Helfer übernehmen nahtlos die Tätigkeit vom ersten Team - also den Aufbau von Trinkwasseraufbereitungsanlagen.

Die Navis-Helfer sind Einsätze im Katastrophengebieten gewöhnt - aber zumeist sind die im Ausland. Ist das etwas anderes, in so unmittelbarer Nähe aktiv zu werden?

Nein, die Helfer sind ja Hochwasser gewohnt, das sind alles Experten bei diesem Thema. Die Helfer sind alle geschult, sie sind gut ausgebildet. Und sie haben das Helfer-Virus, das heißt, die scharren zu Hause schon Löcher in den Boden in der Hoffnung, dass sie wieder starten können. Die sind alle mit Feuereifer dabei. Sie selber sind in Moosburg und koordinieren von dort alles. Wahrscheinlich bedeutet das auch für Sie stressige Tage?

Ja, alleine schon deshalb, weil ich mich verantwortlich fühle, dass alles gut läuft. Beispielsweise, dass das Navis-Team alles, was es an Material braucht, auch bekommt. Vor einigen Tagen fuhr beispielsweise noch einmal ein Sprinter mit Zelten, die angefordert wurden, nach Rheinland-Pfalz. Das haben wir von unserer Zentrale in Moosburg aus in kürzester Zeit organisiert. Also das sind auch für mich Ausnahmetage.

Das erste Team ist bereits zurückgekehrt: Wie erschöpft sind die Helfer nach einer knappen Woche Einsatz?

Physisch und auch psychisch ist das schon eine große Belastung, die Helfer arbeiten von sechs Uhr morgens bis 12 Uhr nachts. Körperlich brauchen sie aber nur ein bis zwei Tage, um sich zu erholen. Je nachdem, was sie erlebt und gesehen haben, dauert es aber ganz unterschiedlich lange, diese Eindrücke zu verarbeiten. Die allermeisten kommen aber mit Demut und Dankbarkeit zurück. Wenn so etwas passiert und man es miterlebt, wird man bescheidener, verliert sein Anspruchsdenken - und ist dankbar dafür, in eine heile Welt zurückzukommen.

Sie alle sind ehrenamtlich tätig, Sie finanzieren Ihre Arbeit über Spenden und Sponsoren. Reicht das aus, um die Einsätze zu refinanzieren?

Das ist ganz unterschiedlich. Bei dem momentanen Einsatz beispielsweise haben wir bislang alleine für Material Ausgaben in Höhe von über 500 000 Euro gehabt. Da ist die Refinanzierung bisher noch offen. Alleine eine Trinkwasseraufbereitungsanlage kostet 60 000 Euro. Wissen Sie, große Organisationen bekommen oft eine bessere Unterstützung. Aber auch wir werden unterstützt, so wurde beispielsweise der Sprinter für diesen Einsatz gesponsert. Wie Sie sagten, wir sind alle ehrenamtlich tätig, aber unsere Hilfe ist großartig, und unsere Logistik und Organisation professionell.

Experten warnen davor, dass sich ähnliche Naturkatastrophen in Deutschland häufiger ereignen werden. Reicht unser Hilfesystem mit professionellen aber auch ehrenamtlichen Organisationen aus? Oder müsste das ausgebaut werden?

Ehrlich gesagt hätte ich nie mit einem derartigen Ausmaß gerechnet, das Wasser kam so konzentriert und punktuell - und hat Überschwemmungen und eine Zerstörung mit unglaublicher Wucht ausgelöst. Der Untergrund wurde einfach unterhöhlt und die Häuser brachen ein. Wir werden uns - wie jedes Mal - auch nach diesem Einsatz zusammensetzen und Verbesserungsmöglichkeiten besprechen, um bei ähnlichen, zukünftigen Katastrophen noch effektiver helfen zu können. Grundsätzlich denke ich aber, dass das Hilfesystem gut aufgestellt ist. Verbessert werden könnte allerdings noch das notwendige Vorwarnsystem. Spendenkonto: Navis e.V., Stadt- und Kreissparkasse Moosburg an der Isar, IBAN: DE66 7435 1740 0000 4140 00, BIC: BYLADEM1MSB

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