Das Unwetter in Bayern mit tagelangem Dauerregen hat den Landkreis Freising schwer getroffen. Seit Samstagmorgen waren an die 500 Retter im Dauereinsatz. Betroffen sind der nördliche Landkreis mit den Gemeinden Au und Rudelzhausen an der Abens und vor allem die Gemeinden Allershausen und Hohenkammer im Westen des Landkreises an der Glonn.
Dort hatte sich die Lage in der Nacht zum Sonntag derart zugespitzt, dass gegen vier Uhr 150 Menschen teilweise mit Booten aus ihren Häusern gerettet werden mussten. Die Glonn hatte die Meldestufe 4 erreicht. Nicht alle hatten das Rettungsangebot der Wasserwacht angenommen, manche waren in ihren Häusern geblieben. Es werde ihnen aber weiter zur Verfügung gestellt, hieß es am Sonntagnachmittag bei einer Pressekonferenz in der Einsatzzentrale des Landkreises in der Freisinger Feuerwache.
Schon am Samstagnachmittag hatte der Landkreis Freising nach einer Lagebesprechung den Katastrophenfall festgestellt. Aufgrund starker, lang anhaltender Regenfälle waren viele Bäche im Landkreis am Samstag voll- und übergelaufen und hatten großflächige Bereiche des Landkreises in eine Seenlandschaft verwandelt. Da die Niederschläge weiter andauern sollten, rechnete man vor allem im Bereich von Amper und Glonn mit rekordverdächtigen Pegelständen.
Hochwasser:Donau-Pegel sinken
Der Wasserstand geht langsam runter, in Regensburg wurde der Katastrophenfall beendet, ebenso in Passau. Die Europawahl verlief in den von der Flut betroffenen Gebieten reibungslos.
Die Menschen, die am Sonntag in Hohenkammer ihre Häuser verlassen mussten, kamen im Haus des Kindes unter. „Dort gibt es Feldbetten und Verpflegung“, sagte Bürgermeister Mario Berti. Er war selbst betroffen. „Das Wasser ist blitzschnell gekommen“, schilderte er am Telefon. Um drei Uhr nachts sei er noch draußen gewesen, eine Stunde später „war es dann brutal, in Hohenkammer ist Land unter“, sagte er. Auch er selbst war Sonntagmittag noch eingeschlossen. Überschwemmungen solchen Ausmaßes habe man in der Gemeinde bisher nicht erlebt, die Situation sei schlimmer als bei dem großen Hochwasser 1994.
Zuvor hatten die Einsatzkräfte versucht, die betroffenen Gemeindeteile an der Glonn mit Sandsäcken zu schützen. Insgesamt 80 000 Sandsäcke wurden befüllt und auch im gesamten Landkreis verteilt. Auch der Nachbarlandkreis Erding half mit Sandsack-Lieferungen aus. An der Schule in Hohenkammer wurde mit Sand und Planen ein provisorischer Damm errichtet. „Man kann nur hoffen, dass es bald besser wird“, sagte Berti merklich betroffen.
In Allershausen ist die Situation ebenfalls „katastrophal“. Die Ortsmitte stand Sonntagmittag unter Wasser, wie Bürgermeister Martin Vaas schilderte. Auch hier mussten zahlreiche Menschen ihre Häuser verlassen. Sie wurden vom BRK versorgt. In einem Seniorenheim wurden Bewohner, die nicht mehr gehen können, in den ersten Stock des Gebäudes gebracht. An der Amper war bei Göttschlag ein Deich gebrochen. Wie am Sonntag bei der Pressekonferenz weiter mitgeteilt wurde, muss in Hohenkammer und Allershausen trotz all dieser Maßnahmen die Schule ausfallen, dort steht das Wasser bis zu einem Meter hoch.
Betroffen von den Überflutungen war auch die A 9. Die Autobahn musste zwischen Pfaffenhofen und Allershausen in Fahrtrichtung München in Teilen gesperrt werden. Wegen der kritischen Hochwasser-Situation hatte die Führungsgruppe Katastrophenschutz (FüGK) gegen Mittag auch veranlasst, umgehend den Strom im gesamten Ortsgebiet Allershausen abzuschalten. Ein Mitarbeiter des zuständigen Stromnetzbetreibers ist nach Aussagen eines Polizeisprechers bei der Abschaltmaßnahme von einem Stromschlag getroffen und schwer verletzt worden. Er wurde mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen.
Dabei hatte man eigentlich gedacht, dass es den Landkreis Freising gar nicht so schwer treffen würden. Noch am Freitag hatte es geheißen, man sei vorbereitet, aber es werden wohl nicht so schlimm werden, wie befürchtet. „Ich habe mir am Freitag alles Mögliche gedacht, aber niemals, dass ich hier zwei Tage lang in der Einsatzzentrale sitzen werde“, sagte am Sonntag Michael Wüst, Ortsbeauftragter vom THW Freising.
In der Nacht zum Samstag hatte sich die Lage nach dem Dauerregen verschärft und galt bis Samstagmittag „nur“ als angespannt. Die Kreisbrandinspektion meldete da, teilweise seien bereits Ortschaften überflutet, viele Staats- und Gemeindestraßen seien gesperrt. Schwerpunkt sei der Landkreisnorden. In Au sowie den Ortsteilen und in Rudelzhausen stünden Dutzende Anwesen unter Wasser.
Situation eines hundertjährigen Hochwassers durchgespielt
Dann jedoch wurde es doch schlimmer. Kreisbrandrat Manfred Danner sagte bei der Lagebesprechung am Samstagnachmittag: „Anhand einer Simulation haben wir die Situation eines hundertjährigen Hochwassers durchgespielt, schließlich droht uns genau dieses Szenario. Im Landkreis bereiten uns vor allem Glonn und Amper große Sorgen. Wir befürchten für den Ort Hohenkammer genauso eine großflächige Überschwemmung wie für alle Orte entlang der Amper – und dies voraussichtlich noch mit hoher Fließgeschwindigkeit.“
So kam es dann. Die nur drei Meter breite Glonn führte irgendwann so viel Wasser wie niemals zuvor. Sie mündet in die Amper, die im weiteren Verlauf über Kirchdorf, Helfenbrunn, Palzing und Haag weiter in den Isar-Überleitungskanal nach Moosburg fließt. Am Scheitelpunkt Inkofen erwartet man den Höchststand am Montag gegen Mittag, sagte ein Sprecher des Wasserwirtschaftsamtes. Dann blickt man weiter nach Moosburg. Was man auf jeden Fall vermeiden will, ist, dass dort die Bonau von Überflutungen getroffen wird.
In Moosburg kam unterdessen bereits am Sonntag der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger zu einer Lagebesprechung mit Landrat Helmut Petz ins Feuerwehrhaus. Die dynamische Einsatzlage fordert weiterhin auch die Moosburger Feuerwehr. Den ganzen Tag über fanden Sicherungsmaßnahmen an den Dämmen und Deichen statt. Auch eine weitere Sandsack-Reserve schufen die Feuerwehren aus Moosburg und Thonstetten.
Auch die Bahnstrecke München-Regensburg wurde mit Planen und Sandsäcken gesichert. Für die Nacht zum Montag wurde weiterer Regen erwartet. „Davon hängt viel ab“, sagte Landrat Helmut Petz am Sonntag. Die Lage sei schon jetzt dramatisch.
In Freising selbst sei die Lage vergleichsweise entspannt, sagte am Sonntag ein Sprecher der Feuerwehr. Das „Schleusenmanagement“ für die Gewässer funktioniere gut. 3000 Sandsäcke seien an die Anwohner verteilt worden und die Lage in Lerchenfeld habe man weiter im Blick.
Das Landratsamt Freising hat ein Bürgertelefon eingerichtet, das unter der Nummer 08161/600-601 erreichbar ist. Am Sonntag ist das Bürgertelefon noch bis 20 Uhr besetzt, am Montag dann wieder ab acht Uhr.