Mitten in Moosburg:Zwischen Massenbierhaltung und besinnlichem Zusammensein

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Während Mann beim "Frauentragen" in Finnland seine Partnerin durch einen Hindernis-Parcours schleppt, verbirgt sich hierzulande hinter dem Begriff ein katholischer Adventsbrauch.

Glosse von Alexander Kappen

Wasser unter den Füßen, eine Bierprämie vor Augen: Der Deutsche Thomas Spiegl mit seiner Partnerin Anke Kindl auf dem Weg zum zweiten Platz bei der 13. WM im Frauentragen im finnischen Sonkajarvi. (Foto: Markku Ojala/dpa)

Finnland ist ja für so einiges bekannt: Es gilt als das "Land der 1000 Seen", als Wintersportnation - und natürlich als Extremsportnation. So ist etwa auf dem Internetportal planet-wissen.de von rund 40 skurrilen Weltmeisterschaften die Rede, die von den ebenso sportlichen wie lustigen Finnen ausgerichtet werden. Die Palette der Titelkämpfe reicht vom bereits einer breiteren Öffentlichkeit bekannten Handy-Weitwurf über Gummistiefel-Weitwurf (Männer werfen mit Größe 43, Frauen mit 38), Schlammfußball, Mücken erschlagen, Luftgitarre spielen und Dauersitzen in einem Ameisenhaufen bis hin zur Disziplin Frauentragen.

Und nein, bei Letzterem hat man nicht etwa vor dem "tragen" ein "er" vergessen, es geht wirklich darum, seine Frau zu tragen. Beziehungsweise irgendeine Frau. Im Gegensatz zu herkömmlichen moralischen Beziehungsstandards darf der Mann hier jede Frau im wahrsten Sinne abschleppen. Es ist ganz egal, ob er die eigene, die des Nachbarn oder irgendeine andere Frau über einen 253,5 Meter langen Hindernis-Parcours trägt - zu Wasser und zu Lande, auf Sand, Gras oder auch Asphalt. Auch ob der Mann die Frau nun ganz normal Huckepack transportiert, diese sich vorne an seinen Bauch hängt oder sich an seinem Rücken, Kopf nach unten, mit den Beinen an seinem Hals festklammert, tut nichts zur Sache. Einzige Voraussetzung ist, dass die Frau mindestens 49 Kilogramm wiegen muss.

Und warum tut Mann sich so was an? Ganz einfach: Dem Sieger winkt als Prämie Bier - und zwar das Gewicht der von ihm getragenen Frau in Litern. Da muss also jeder selber abwägen, ob er lieber aufs Tempo drückt und mit einem leichten Mädchen unterwegs ist oder sich das zügige Tragen einer etwas schwereren Partnerin zutraut und bemüht ist, nach dem aus einem Buch von Volker Keidel bekannten Prinzip "Massenbierhaltung" den heimischen Vorratskeller zu füllen.

Eine andere Art des Frauentragens: Die Figur der schwangeren Maria, die beim katholischen Adventsbrauch im Pfarrverband Moosburg-Pfrombach zwischen verschiedenen Familien und Institutionen weitergereicht wird. (Foto: privat)

Wer nun bedauert, dass man für die Teilnahme an solchen in jeder Hinsicht anspruchsvollen Wettbewerben bis nach Finnland reisen muss, der konnte dieser Tage fast seinen Augen nicht trauen, als da eine Mail im Postfach eintrudelte und von einem "Frauentragen in Moosburg-Pfrombach" kündete. Erstmals stutzig wurde man freilich, als man bei genauerem Lesen das Wort "Pfarrverband" entdeckte. Und in der Tat stellte sich dann schnell heraus, dass es sich hier um eine ganz anderer Art des Frauentragens handelt - nämlich um einen katholischen Adventsbrauch, bei dem eine Figur der schwangeren Maria zwischen dem ersten Advent und Heiligabend von Familie zu Familie weitergegeben wird, "aber auch Halt machen darf im Kindergarten, der Schule, in Gottesdiensten oder wer auch immer ihr eine Herberge für eine Nacht geben möchte".

Schön sei es natürlich auch, heißt es in der Mitteilung, "wenn es hierbei nicht einfach nur bei einer einfachen Übergabe an der Haustüre verbleibt, sondern wenn es vielleicht zu einem kleinen besinnlichen Zusammensein kommt". Das Gute ist, dass die Figur, die man zu diesem besinnlichen Zusammensein mitbringen muss, augenscheinlich keine 49 Kilogramm schwer ist.

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